Fahrradunterricht durch Polizei wird gekürzt
Die Fahrradausbildung von Viertklässlern durch die Polizei wird ab dem nächsten Schuljahr reduziert, von fünf auf vier Doppelstunden. Das bestätigte das Stuttgarter Innenministerium auf Anfrage. Ausgleich soll es im Sportunterricht an den Schulen geben. Ortenauer Lehrer sind gegen die Pläne.
Grundschüler auch im Ortenaukreis müssen sich im nächsten Schuljahr umstellen. Bislang besuchten sie in der vierten Klasse während fünf Doppelstunden einen Verkehrsübungsplatz, wo ihnen ein Polizist praktisch erklärte, wie sie sich im Straßenverkehr regelgerecht und sicher fortbewegen. Nun soll die Zahl der Übungseinheiten von fünf auf vier gekürzt werden. Während einer Doppelstunde findet die Abschlussprüfung statt. Das bestätigte am Donnerstag das Innenministerium in Stuttgart auf Anfrage der Mittelbadischen Presse.
Derzeit werde die Radfahrausbildung in Abstimmung mit dem Kultusministerium überarbeitet, erklärte Carsten Dehner, Sprecher des Innenministeriums. In diesem Zusammenhang werde die Stundenzahl auf den Verkehrsübungsplätzen reduziert. Stattdessen sollen Erst- und Zweitklässler im Sportunterricht an den Schulen stärker in ihren motorischen Fähigkeiten gefördert werden. Die Übungen mit der Polizei bleiben aber eine »verpflichtende schulische Veranstaltung«. Landesweit nehmen daran laut Dehner jährlich rund 95 000 Schüler teil.
Zur Begründung für die Änderungen erklärte er: »Die in der Verkehrs- und Mobilitätserziehung eingesetzten Polizeibeamten berichten von einem Nachlassen der psychomotorischen Fähigkeiten der Kinder im Grundschulalter und damit auch der Radfahrfähigkeit in den letzten zehn Jahren.« Aber muss deshalb der praktische Verkehrsunterricht reduziert werden? »Der macht keinen Sinn, wenn sich manche Schüler nicht auf dem Fahrrad halten können.«
Polizei plant ab Ende Mai
In der Ortenau wird die Fahrradausbildung vom Polizeipräsidium Offenburg durch Beamte des Referats Prävention mit Unterstützung von Beamten der Polizeireviere sowie des Freiwilligen Polizeivollzugsdienstes durchgeführt, erklärte Polizeisprecherin Karen Stürzel. »Inhaltlich werden die für das Fahrradfahren im öffentlichen Verkehrsraum wichtigsten Verkehrsvorschriften theoretisch zunächst in der Schule durch die Lehrkräfte vermittelt und danach auf dem Verkehrsübungsplatz umgesetzt. Ein wesentlicher Baustein ist das Linksabbiegen.« Wie die neuen Vorgaben vor Ort umgesetzt werden, will die Polizei ab Ende Mai entscheiden, dann liegen die aktuellen Schülerzahlen vor. Künftig sollen immerhin Termine, die wegen des Wetters ausgefallene sind, nachgeholt werden.
Unter den Grundschullehrern in der Ortenau stoßen die Pläne des Innenministeriums auf wenig Begeisterung. Im Gegenteil. So bei Martin Grethen. Er ist Lehrer an der Astrid-Lindgren-Schule in Offenburg und Ortsvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Er habe erst kurz zuvor von einer Kollegin gehört, dass sich die Fahrraderziehung ändern könnte, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung. »Ich halte das für einen Fehler. Der Verkehr nimmt zu und wird immer gefährlicher. Eigentlich müsste der Unterricht durch die Polizei sogar ausgebaut werden.«
Zwar findet er es grundsätzlich gut, dass die Grundschüler im Sportunterricht besser für die Zweiräder trainiert werden sollen. Aber er schränkt ein: »Ich halte nichts davon, die Verkehrserziehung auf speziellen Übungsplätzen und durch einen Polizisten in Uniform, der ja auch eine gewisse Autorität mitbringt, gegen die motorische Ausbildung auszuspielen. Außerdem bräuchten wir dann eine Stunde mehr Sportunterricht.«
Großer Fehler
Der Polizei zwei Stunden weniger Zeit zu geben, Viertklässlern die Regeln des Fahrradfahrens beizubringen, ist ein großer Fehler. Denn dieser Unterricht ist im Leben der meisten Radler der einzige Moment, in dem sie fundiert und praxisnah in das Thema Fahrradsicherheit im Verkehr eingewiesen werden. Später zeigt einem das niemand mehr. Deshalb zählt jede Stunde.
Das gilt umso mehr, als dass viele Zehnjährige nach dem Wechsel in die Sekundarschule längere Strecken zurücklegen müssen. Dafür nutzen viele das Fahrrad. Sie müssen dann wissen, was sie tun. Da helfen die als Ausgleich geplanten Motorikübungen im Sportunterricht, so wichtig sie sind, wenig. Marc Mudrak