Ortenau-Reportage

Gelbes Ungetüm frisst Schotter

Thomas Reizel
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20. November 2014
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(Bild 1/4) ©Ulrich Marx

Zwischen Gengenbach und Hausach sind diese Woche noch Arbeitszüge unterwegs. Sie bringen neuen Schotter, reinigen den alten, mischen und verdichten beides. Am 29. November ist die Gleissanierung abgeschlossen. Dann fahren die Züge wieder.

Im Schneckentempo rückt das gelbe, fast 600 Meter lange Ungetüm zwischen Gengenbach und Hausach vor. Es ist auf der Schwarzwaldbahn unterwegs und wesentlicher Bestandteil der Sanierungsarbeiten. Als erstes fallen mehrere Waggons auf, über deren Förderbänder viel Dreck läuft. »Wir müssen den Schotter reinigen«, erklärte Niels Schauenburg, Projektleiter der Bahn für diesen Streckenabschnitt, bei einem Termin auf Höhe Biberach-Fröschbach.

Schotter reinigen? Die Erklärung ist so simpel wie einleuchtend: »Das letzte Mal wurde er Ende der 70er- oder Anfang der 80er-Jahre gereinigt«, sagt der Bauingenieur am Donnerstag bei einem Vororttermin. Viel Dreck, etwa Staub und Pflanzenreste lagern sich zwischen den Steinen ab. Die verklumpen oder werden Humus. »Das führt dazu, dass sich die Steine nicht mehr gut verzahnen«, erklärt Schauenburg. Dadurch werde das Gleisbett instabiler, die Schienen liegen nicht mehr so fest.

Das gelbe Ungetüm ist gefräßig. Unter den Gleisen schaufelt es mit wie an einem Oval laufenden Krallen, die an Maulwürfe erinnern, 4000 Tonnen Schotter und Dreck pro Stunde über ein Förderband in seinen riesigen Schlund. Es rumpelt und rattert, etwas weiter hinter dem Schlund fällt der Schotter wieder ins Gleis.

Es rumpelt und rattert gewaltig. »Da sind Siebe drin. Die rütteln das feine Korn raus«, erzählt der Bauingenieur der Bahn. Auch runde Steine werden erkannt. Weil die sonst nicht zu gebrauchen wären, bricht die Maschine diese Steine, bis sie wieder kantig sind. Der so gesäuberte Schotter wird wieder zurückgeführt und ausgespuckt. Der ausgesiebte Dreck aber wird über Förderbänder von einem zum anderen Transportwagen transportiert. Das gelbe Ungetüm verfügt sogar über eine Waschanlage, falls das Rütteln und Sieben der Steine nicht das gewünschte Ergebnis bringt. Im Bereich des Gengenbacher Bahnhofs war sie im Einsatz, sonst bisher nicht.

Ist der erste voll, schaltet sich dessen Förderband ab. »100 Kubikmeter passen in einen Waggon, gut ein Dutzend gibt es an dem gelben Arbeitszug. Sind sechs gefüllt, werden sie abgekoppelt und nach Hausach gefahren und abgeladen. »Der Dreck, der aber kaum schadstoffbelastet ist, kommt auf eine Deponie nach Homburg im Saarland.«

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Niels Schauenburg schätzt, dass sich dieser Arbeitszug etwa 150 Meter in der Stunde vorwärtsbewegt. Alleine er wiege um die 100 Tonnen. Hinzu komme der viele Dreck. Wie schwer 100 Kubikmeter sind, kann er nicht sagen, aber: »Wir holen zwischen Gengenbach und Hausach weit mehr als 30 000 Tonnen raus.« Zum Vergleich: 30 000 Tonnen neuer Schotter wird eingebaut.
Der stammt übrigens aus dem Steinacher Kieswerk. »Wir haben die komplette Produktion von drei Monaten gekauft«, sagt Schauenburg. Das hatte mehrere Gründe. Zum einen blockiert die Bahn während der Bauarbeiten das Gleis zum Steinbruch. Zum anderen könne die Firma nicht mehr als 10 000 Tonnen pro Monat produzieren. »Also musste vorproduziert werden.«

Einen Bereich lässt die Maschine unberührt, es sind etwa vier Kilometer Bahngleise in Höhe Gengenbach-Schwaibach Richtung Biberach. »Hier muss noch eine Entwässerung eingebaut werden. Das wird voraussichtlich 2016 erledigt«, erläutert der Projektleiter.

Während sich das gelbe Ungetüm Meter für Meter vorarbeitet, sind in anderen Bereichen Bagger auf den Gleisen unterwegs. Sie glätten den in Haufen auf die Gleise gelandeten neuen Schotter. Bald hat das gelbe Ungetüm diese Stellen erreicht, um neue mit alten Steinen zu mischen.

Wenn dieser Zug seine Arbeit erledigt hat, ist noch lange nicht Schluss. Jetzt kommt eine Stopfmaschine dran. Sie ist deutlich kleiner und wesentlich schneller unterwegs, aber nicht minder effektiv. Sie hebt verlegte Gleise leicht an und stopft gleichzeitig Steine, die außerhalb der Schienen liegen, drunter. Das funktioniert mit einem ausgeklügelten System. Über Sensoren und Messachsen berechnet die Maschine automatisch die Lage der Gleise. Anhand der vorher eingegebenen exakten Werte erkennt sie, in welchem Umfang die Gleise gehoben und geschottert müssen. »Bis sie in der richtigen Position sind, sind zwei bis drei Arbeitsgänge nötig«, berichtet Niels Schauenburg.

Wenn alles wie geplant klappt, ist das gelbe Ungetüm bis zum Wochenende mit seiner Arbeit fertig, ebenso die Stopfarbeiten. Dann wird noch eine riesige Kehrmaschine unterwegs sein, um die letzten Schotterstücke wegzufegen.

Für kommende Woche stehen Schweißarbeiten an. »Die sind nicht zu unterschätzen«, erklärt Niels Schauenburg. Außerdem müssen die Oberleitungen angepasst, die Bahnübergänge und Signalanlagen auf der Strecke wieder in Betrieb genommen werden. »Am Samstag, 29. November, wird morgens planmäßig der erste Zug fahren«, bestätigt der Projektleiter. Dann ist die Strecke in Top-Zustand, und dennoch fehlt etwas: Ab dem 14. Dezember fahren wochentags keine IC-Züge mehr. »Tja«, sagt Niels Schauenburg und zuckt mit den Achseln.

Hintergrund

Bahnsanierung in Zahlen

Die Sanierung der Schwarzwaldbahn zwischen Gengenbach und Biberach in Zahlen erklärt Projektleiter Niels Schauenburg:◼ Kosten: rund neun Millionen Euro, davon rund 2,8 Millionen reiner Bau, der Rest für Technik.
◼ Strecke: 44 Kilometer Gleise verlegt (je 22 in jede Richtung), 25 000 Betonschwellen, 100 000 Schrauben, von Hand angezogen, 30 000 Tonnen Schotter, sechs Bahnübergänge.
◼ Arbeiter: In Spitzenzeiten 40 bis 50.

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