25 Jahre »Aufschrei«

Geppert-Tesch: »Kinder müssen sich wehren«

Marc Mudrak
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09. Mai 2015
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»Die Gerichte sollten den Strafrahmen viel stärker ausschöpfen«, fordert Carola Geppert-Tesch, Vorsitzende von »Aufschrei«, dem Ortenauer Verein gegen sexuelle Gewalt. ©Peter Heck

Seit 25 Jahren kümmert sich der Verein »Aufschrei« um die Opfer sexueller Gewalt in der Ortenau. Am Samstag findet die interne Jubiläumsfeier im Konferenz-Zentrum der Sparkasse Offenburg/Ortenau statt. Die »Aufschrei«-Vorsitzende Carola Geppert-Tesch berichtet im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse, wie der Verein Opfern hilft – und dass heute schon Kinder zu Tätern werden.

Frau Geppert-Tesch, »Aufschrei« feiert sein 25-jähriges Bestehen. Wie hat sich der Verein in dieser Zeit entwickelt?
Carola Geppert-Tesch: Anfangs richtete sich unser Angebot vor allem an Frauen. Heute ruht unsere Arbeit auf drei Säulen: Beratung der Opfer, Prävention und Fortbildungsangebote. Wir sind etablierter, viele Verantwortliche aus Kindergärten und Schulen, aber mittlerweile auch aus den Kirchen, holen sich Rat, wenn Verdachtsfälle vorliegen.

Wo geschieht sexueller Missbrauch?
Geppert-Tesch: Die Taten ereignen sich meist im sozialen Umfeld der Opfer, also in der Schule, der Familie oder im Verein. Ein Schwerpunkt liegt in den Städten der Ortenau, aber auch auf dem Land ist die Welt nicht in Ordnung.

Wer sucht bei Ihnen Hilfe?
Geppert-Tesch: Im vergangenen Jahr haben wir 210 Fälle begleitet. Darunter waren 182 weibliche und 28 männliche Opfer, die meisten waren Minderjährige. Es kommen außerdem viele Menschen zu uns, die in ihrer Kindheit missbraucht wurden.

Hat sich das Verhalten der Betroffenen geändert?
Geppert-Tesch: Als ich jung war, hat man über sexuellen Missbrauch nicht gesprochen – den gab es einfach nicht. Die Fälle haben sich wahrscheinlich nicht vermehrt. Aber die Öffentlichkeit ist heute stärker sensibilisiert, auch die Kinder sind aufmerksamer. Die Hemmschwelle, zu uns zu kommen, ist niedriger geworden.

Wer sind die Täter?
Geppert-Tesch: Neu ist, dass sich sexuelle Übergriffe unter Kindern häufen. Dabei muss man unterscheiden, ob es bei harmlosen Doktorspielen um Körpererkundung geht, oder es sich um eine wirkliche Auffälligkeit handelt, etwa wenn Kinder bei Gleichaltrigen einen Sexualakt durchführen wollen. Da wird eine Grenze überschritten. Jugendliche müssen verstehen, dass es nicht lustig ist, wenn sie ein Mädchen im Schulklo einsperren und erst wieder herauslassen, wenn es sich auszieht.

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Wie gehen Sie vor, wenn ein Opfer zu Ihnen kommt?
Geppert-Tesch: Unsere Fachkräfte hören den Betroffenen zu und versuchen, sie zu stabilisieren. Gegebenenfalls vermitteln wir sie an Therapeuten.

Welche Rolle spielt die Prävention?
Geppert-Tesch: Studien haben gezeigt, dass Kinder mitunter sieben Erwachsene ansprechen müssen, bis ihnen einer glaubt. Man muss den Kindern beibringen, sich zu wehren. Wir hatten im vergangenen Jahr etwa 40 Projekte in Schulen, für Schüler oder bei Elternabenden. Wir sind auch in Kitas präsent, arbeiten mit den Kindern und bilden das Personal aus.

Sind Sie zufrieden mit den Maßnahmen der Politik?
Geppert-Tesch: Der Gesetzgeber kann Straftaten nie ganz verhindern. Aber sexuelle Gewalt ist kein Kavaliersdelikt. Die Gerichte sollten den Strafrahmen viel stärker ausschöpfen. Kinderrechte müssen ins Grundgesetz aufgenommen werden.

Wie sieht die Zukunft von »Aufschrei« aus?
Geppert-Tesch: Schon heute sitzen wir an insgesamt 13 runden Tischen zum Thema sexuelle Gewalt und Jugendschutz. Mein Traum ist ein Kinderschutzzentrum in Offenburg, in dem alle Verbände vereint sind. Für unseren Verein wünsche ich mir eine stärkere finanzielle Unterstützung und dass sich Männer häufiger engagieren.

Über den Verein »Aufschrei«
Der Verein »Aufschrei« wurde im Jahr 1990 gegründet. Seither hat er eigenen Angaben zufolge mehr als 2500 Opfer sexueller Gewalt unterstützt. Bei »Aufschrei« arbeiten vier Sozialpädagogen – drei Frauen und ein Mann. Diese sind sowohl in der Beratung als auch in der Prävention tätig. Der Vorstand hat fünf ehrenamtliche Mitglieder, die sich um verschiedene Sachgebiete kümmern. Der Verein klagt, dass zuletzt die Einnahmen aus Spenden zurückgegangen seien. Diese stellen nach den Zuschüssen des Ortenaukreises die wichtigste Finanzierungsquelle für »Aufschrei« dar.

www.aufschrei-ortenau.de

Zur Person

Carola Geppert-Tesch

Carola Geppert-Tesch ist seit 2005 im Vorstand des Vereins »Aufschrei« tätig, seit 2007 als Vorsitzende. Die 67-Jährige ist Rentnerin und lebt in Offenburg. Sie leitet die Verwaltung der Gruppe. Darüber hinaus repräsentiert und vertritt sie »Aufschrei« in der Öffentlichkeit.
»Ich kam zum Verein, nachdem ich Witwe geworden war«, erzählt Geppert-Tesch. Eine Freundin engagierte sich bereits bei »Aufschrei«. So kam der Kontakt zustande, als der Verein Unterstützung bei der Organisation benötigte. »Ich hatte wieder eine Aufgabe, über der ich meine eigenen Probleme vergessen konnte.« Geppert-Tesch ist gelernte Kauffrau. Sie arbeitete unter anderem in den Bereichen Brandschutz, Gefahrenabwehrplanung und Gewässerschutz.

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