Ortenau

Gut integriert bis ins hohe Alter

Florence Anne Kälble
Lesezeit 4 Minuten
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13. Juni 2013
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ABau Gerwigplatz.jpg ©Hochschule Furtwangen

Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut untersucht die Forschungsgruppe »Sonia« der Hochschule Furtwangen, wie man ältere Menschen durch moderne Technik am gesellschaftlichen Leben teilhaben lassen kann. Ein mehrmonatiger Praxistest soll Aufschluss über die Auswahl der modernen Kommunikationsmittel geben.    

Was ist gutes Leben?« fragt Stefan Selke, Dozent an der Hochschule Furtwangen, in die Runde. Gemeinsam mit Praxispartnern von Sozialstationen, Caritas und dem Seniorenbüro diskutiert der Forschungsleiter des Projekts »Sonia« (Soziale Inklusion durch technikgestützte Kommunikationsangebote im Stadt-Land-Vergleich) über die Möglichkeiten, ältere Menschen wieder verstärkt in die Gesellschaft einzubinden.

»Sonia« ist ein Projekt, das nicht von der technikgetriebenen Seite ausgeht. »Wir wollen nutzerorientiert arbeiten und deshalb stehen für uns die Bedürfnisse der Menschen im Vordergrund«, erzählt Selke. Mit seinen beiden Furtwanger Kollegen aus dem Bereich der angewandten Gesundheitswissenschaften, Peter König und Christophe Kunze, möchte er in den kommenden drei Jahren erforschen, wie einer drohenden Vereinsamung älterer Menschen entgegengewirkt werden kann. »Die Hauptfrage, der wir nachgehen, ist: Welche Strukturen müssen wir aufbauen und wie kann uns bereits vorhandene Technik dabei unterstützen?«, beschreibt Selke die Projekta­rbeit. Als Endprodukt könnte sich der Dozent so etwas wie ein vereinfachtes Skype, also ein Videotelefonie-Angebot für Senioren, vorstellen.

Projektpartner sind neben der Hochschule Furtwangen die Fraunhofer-Institute für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe sowie für Arbeitswissenschaft und Organisation in Stuttgart, das Geriatrische Zentrum am Universitätsklinikum Tübingen, das Entwicklungszentrum Gut alt werden GmbH und die Paul-Wilhelm-von-Keppler-Stiftung. »Wir erhalten rund 600 000 Euro Fördermittel für die kommenden drei Jahre vom Land Baden-Württemberg«, erzählt Selke.

Um Kenntnis zu erlangen, welche Bedürfnisse ältere Menschen wirklich haben, gibt es zwei Dialog-Termine mit den Praxispartnern. »So wollen wir herausfinden, wie Menschen mit 60 bis 80 plus leben, wie ihre Bedürfnisse gelagert sind«, erklärt Stefan Selke. Denn Ziel sei es, am Ende des Projekts eine nachhaltige und finanzierbare Dienstleistung für diese Menschen zu entwickeln, »damit sie am gesellschaftlichen Leben wieder mehr teilhaben können«.

Im Gespräch mit den Praxispartnern zeigt sich, dass zum Beispiel im ländlichen Raum das Ausgeschlossensein bereits mit mangelnder Mobilität beginnt. »Wohingegen im städtischen Bereich der Kontaktaufbau selbst sich schwierig gestaltet, weil man sich eben auch nicht kennt«, merkt Wolfgang Roser vom Bräunlinger Seniorenrat an. »Viele wollen aber auch alleine sein«, gibt Peter König von der Hochschule zu bedenken.

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Der Geschäftsführer des Caritas-Verbands Hochrhein, Martin Jensen, erklärt, dass sie in der Tagespflege immer wieder feststellen: Auch wenn Menschen vordergründig alleine sein wollen, fehlen ihnen doch die menschlichen Kontakte. Erschwerend komme auf dem Land hinzu, dass das Eingeständnis der Hilfsbedürftigkeit vor den Nachbarn schwierig sei. Bei den Überlegungen zur technischen Unterstützung kommt immer wieder die Problematik der Bedienbarkeit auf. »Die alten Leute müssen moderne Technik ohne fremde Hilfe bedienen können«, fordert Wolfgang Perkuhn von der Sozialstation Villingen.

Die Gesprächsteilnehmer sind sich einig, dass eine erfolgreiche Praxisphase von »Sonia« von wichtigen Faktoren abhängt: Die Probanden müssen sich wirklich auf die Technik-Angebote einlassen; es müssen besonders im ländlichen Raum Vorreiter gefunden werden, die andere mitziehen; und die Bedienbarkeit muss intuitiv sein. »Die heute 80-Jährigen sind andere technische Voraussetzungen gewohnt als wir«, sagt Martin Jensen von der Caritas.

Für Selke und sein Team beginnt nach den Gesprächen mit den Praxispartnern die eigentliche Arbeit: Sie wollen im Vorfeld rund 70 Gespräche  mit alten Menschen führen, um deren Bedarf im sozialen Bereich herauszufiltern. Danach soll anhand dieser Gespräche der Markt sondiert werden: »Was muss welche Technik leisten, um diese Bedarfe größtmöglichst abzudecken, um so die soziale Teilhabe zu steigern?«, beschreibt der Hochschul-Dozent die weiteren Schritte.

Über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren sollen dann Erfahrungen mit Praxistests gesammelt werden. »So wollen wir herausfinden, ob und wie sich der technische Einfluss auf das soziale Leben auswirkt«, fügt Selke an.
Am Ende soll ein Modell zur sozialen Inklusion entstehen, welches sich selbst finanziell trägt.

 

Hintergrund

Grundidee von »Sonia«

Das Projekt »Sonia« (Soziale Inklusion durch technikgestützte Kommunikation) hat das Ziel, älteren Menschen ein gutes Leben mit sozialen Kontakten zu ermöglichen und drohender Vereinsamung entgegenzuwirken. Eine Bedarfsanalyse soll Erkenntnisse über die konkreten Bedürfnisse der älteren Menschen bringen.

Ein darauffolgender Langzeit-Praxistest soll Aufschluss über den Einsatz von Kommunikationslösungen und ihre Wirksamkeit geben – damit schlussendlich ein nachhaltiges Geschäftsmodell aufgebaut werden kann.

Stichwort

HFU Furtwangen

Die Hochschule Furtwangen wurde 1850 als Großherzoglich Badische Uhrmacherschule gegründet. 1971 wurde sie in »Fachhochschule Furtwangen« umbenannt, später in Hochschule Furtwangen University (HFU). Ab Mitte der 70er-Jahre ist das Lehrangebot der Ingenieurschule um Informatik, Wirtschaftsinformatik, Wirtschaft und Digitale Medien erweitert worden. Insgesamt sind 5642 Studierende eingeschrieben. Es gibt 38 Studiengänge an zehn Fakultäten. Zuletzt wurde die Fakultät für Gesundheit, Sicherheit und Gesellschaft gegründet, deren Leiter Stefan Selke ist.

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