Offenburg

HIV-Infektionen: Gute Therapie, schlechtes Image

Bastian Andre
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20. November 2015
Mit einer Kampagne gegen Diskriminierung wollen sie auch Ängste vor HIV abbauen (von links): Jürgen Schwarz, Gerhard Lipps und Ullrich Böttinger.

Mit einer Kampagne gegen Diskriminierung wollen sie auch Ängste vor HIV abbauen (von links): Jürgen Schwarz, Gerhard Lipps und Ullrich Böttinger. ©Bastian Andre

Die Behandlung von HIV gelingt heute so gut wie nie zuvor – doch im Alltag haben es Patienten immer noch schwer. Die Aids-Hilfe Offenburg/Ortenaukreis will das ändern und mit Beratungsangeboten und einer Kampagne Ängste nehmen.

Der Ortenaukreis will mit einer neuen Kampagne Ängste gegenüber an HIV erkrankten Menschen abbauen. Wie Ullrich Böttinger, Leiter des Amts für soziale und psychologische Dienste im Landratsamt Offenburg, in einer Pressekonferenz anlässlich des Welt-Aids-Tags am Dienstag, 1. Dezember, erklärte, werden noch sehr viele HIV-Positive im Alltag nach wie vor diskriminiert.

»Eine Umfrage der deutschen Aids-Hilfe hat gezeigt, dass 84 Prozent der Kündigungen von HIV-Positiven mit Diskriminierung zu tun haben«, sagte Böttinger. »Es haben mehr Leute ihren Job aufgrund von Diskriminierung verloren als aus gesundheitlichen Gründen.« Knapp 77 Prozent der Befragten hätten im Alltag Diskriminierung erlebt – von Tratsch über Beleidigungen bis hin zu Prügeleien.

»Übersteigerte Ängste«

In der Bevölkerung herrschten »übersteigerte Ängste«, meint Böttinger. Mit der Realität habe das nichts zu tun. Eine neue Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung soll diese Furcht nehmen. »Was machst du, wenn dein bester Freund HIV hat?«, steht auf einem Plakat. Darunter die Antwort: »Alles, was wir immer machen.«   Im Auftrag des Landratsamts Offenburg zieren Botschaften wie diese inzwischen Teile der Ortenau. »Die Kampagne soll verdeutlichen, dass HIV-Patienten Teil eines ganz normalen Lebens sein können«, so Böttinger.

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Dazu trage die moderne Medizin wesentlich bei, erklärte Gerhard Lipps von der Beratungsstelle für sexuell übertragbare Krankheiten:  »Ein gut therapierter HIV-Patient kann ungeschützten Sex haben, ohne den Partner anzustecken«, sagte er. Medikamente ermöglichen es, die HI-Viren im Blut zu verringern und das Ausbrechen von Aids zu verhindern. »An Aids sterben heutzutage die wenigsten HIV-Patienten.«

Rund 7700 Menschen in Baden-Württemberg haben laut einer Schätzung des Robert-Koch-Instituts eine HIV-Diagnose – dazu kämen 1100 weitere, die von ihrer Erkrankung nicht wissen. Daher sei der Zugang zu kostenlosen und anonymen Tests, die das Landratsamt Offenburg für verschiedene Krankheiten anbietet, sehr wichtig, betonte Lipps. »Je früher HIV erkannt wird, umso eher lässt sich ein Ausbruch verhindern.« Für den Ortenaukreis wird die Zahl der HIV-Infizierten auf 300 geschätzt.
HIV-Positive müssen ihr Leben nicht völlig umkrempeln, wie Jürgen Schwarz von der Aids-Hilfe Offenburg/Orte-naukreis betonte. Die eigentliche Therapie sei »relativ harmlos« und Patienten kämen mit vier Tabletten am Tag »gut zurecht«. Nebenwirkungen gebe es nur wenige. Daher habe sich Schwarz’ Arbeit inzwischen gewandelt: »Bei meinen Klienten steht das Problem Diskriminierung viel mehr im Vordergrund.«

Ärzte behandeln nicht

Nicht nur in ihrem Umfeld treffen HIV-Positive laut Schwarz häufig auf Abweisung. »Es gibt Ärzte, die diese Menschen nicht behandeln wollen oder sie erst am Ende der Sprechstunde empfangen.« Zwar handle es sich dabei um Einzelfälle, doch dass selbst ausgebildete Mediziner die Ansteckungsgefahr von HIV falsch einschätzen, gebe zu denken.
Es seien vor allem Berührungsängste, ausgelöst von Vorurteilen und Gerüchten, die das Miteinander für HIV-Positive so schwer machen – und nicht die eigentliche Erkrankung. Neben der Kampagne setze die Aids-Hilfe Offenburg/Ortenau daher auch auf umfangreiche Beratungsangebote sowie Vorträge wie in Schulklassen. Die Botschaft, so Ullrich Böttinger: »Mit HIV kann man leben – mit Diskriminierung aber nicht!«

Hintergrund

Aids und HIV

In Deutschland sind etwa 80 000 Menschen mit HIV infiziert. Doch nicht jeder, der das HI-Virus in sich trägt, ist automatisch auch an Aids erkrankt. Aids kann allerdings durch eine HIV-Infektion verursacht werden. Die Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Krankheit ist sehr unterschiedlich und kann zwischen einigen Monaten und mehr als 15 Jahren betragen.

Info

Termine zum Welt-Aidstag

In Offenburg gibt es anlässlich des Welt-Aids-Tags mehrere Veranstaltungen:

  • 21. November: Live-Konzert »Monday’s Calling« mit Folk-Guitar-Pop im »Jamel’s Corner«, Am Marktplatz 13, 11 bis 16 Uhr; Eintritt frei.
  • 27. November: Beratung und Tests auf Hepatitis B und C, HIV und Syphilis in der Beratungsstelle im Landratsamt, Lange Straße 51, 11 bis 16 Uhr.
  • 1. Dezember: Andacht zum Welt-Aids-Tag in der St.-Andreas-Kirche ab 19 Uhr.
  • 5. Dezember: Red-Ribbon-Party, Erlös zugunsten der Aids-Hilfe Offenburg, im Tabu-Club, Hauptstraße 102, ab 22 Uhr.

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