Hochwassergefahrenkarten: Die Hälfte ist geschafft
Die Ortenau, hydraulisch vermessen und in Kartenformat gebracht – diese Sisyphusarbeit leisten derzeit die 51 Kommunen. Obwohl alle Beteiligten unter Hochdruck arbeiten, wird bis zum Stichtag 1. Januar 2015 nur ein Teil der Hochwassergefahrenkarten fertig vorliegen.
Kommunen, die an und mit den Ortenauer Bächen leben, warten seit Monaten ungeduldig auf das Kartenwerk. Denn: Ohne die Hochwassergefahrenkarten liegt die Bauleitplanung in den neuralgischen Bereichen auf Eis. Nur mit Sondergenehmigungen ist schrittchenweises Vorankommen möglich, Großprojekte müssen ganz warten.
Ein Beispiel ist die Kinzigtal-Gemeinde Steinach. Sie wird regelmäßig vom Welschensteinachbach her unter Wasser gesetzt. Um die Bürger vor Schaden zu schützen, wird ein Hochwasserrückhaltebecken diskutiert. »Aber, bislang hatten wir keine Grundlage: Die Hochwassergefahrenkarte fehlte«, berichtet Steinachs Bürgermeister Frank Edelmann. »Nun liegt der Rohentwurf Gott sei Dank vor«, die Planung des Beckens konnte in Auftrag gegeben werden. Die weitere Krux, so Edelmann, sei, dass die Verordnung des Landes-Wassergesetzes bereits vor den Karten inkraft getreten sei und Baugenehmigungen enorm erschwere.
Warum? Die Ortenau war eine der letzten Regionen, bei denen die landesweite Gefahrenkartierung vom Regierungspräsidium, der Kreisverwaltung und den Kommunen angeschoben worden war. Start war im Oktober 2013. Schuld am späten Beginn hatte aber keiner der Protagonisten: »Den Zeitplan gibt das Land vor«, gibt Oliver Stenzel, kommissarischer Referatsleiter im Regierungspräsidium Freiburg, zu bedenken. Da nur wenige Büros hydraulische Messungen vornehmen könnten, sei die Auswahl begrenzt. Deshalb werde zum Stichtag auch nur die Hälfte der Ortenaukarten fertig kartiert sein. Die Ergebnisse von Acher, Rench und dem Unterlauf der Kinzig werden frühestens Mitte/Ende Frühjahr 2016 erwartet,
Die Planer setzen die Ortenau vom Schreibtisch aus heftig unter Wasser: Sie berechnen die erwarteten Pegelstände von Schutter, Acher, Rench und Kinzig bei 50-, 100- und gar 1000-jährlichem Hochwasser. Die Hauptarbeit besteht darin zu schauen, wie sich das Wasser bei diesen Szenarien ausbreitet, wo es sich staut, wie es abläuft. Auf dieser Grundlage werden Schutzmaßnahmen für die Bereiche hinterm Deich und an den Bachläufen erarbeitet, auch Bauland wird neu bewertet werden.
Die Berechnungen für Schutter, Ober- und Mittellauf der Kinzig sind in der sogenannten Plausibilisierungsphase. Das heißt, sie werden vor der Offenlage und Freigabe von den Gemeinden geprüft. Und das bereitet richtig viel Arbeit, denn jeder Gullideckel, jede Bachböschung auf der Gemarkung müssen gecheckt werden. In vielen Fällen prallen Berechnung und Wirklichkeit aufeinander: »Wir haben große Probleme mit der Qualität der Karten«, stellt Bernhard Vetter, Leiter des Amts für Wasserwirtschaft und Bodenschutz am Landratsamt, fest. So seien etwa verschließbare Kanäle oder etwa Deicherhöhungen nicht berücksichtigt worden. »Diese Fehler müssen ausgeräumt werden, damit keine falschen Entscheidungen getroffen werden«, unterstreicht Vetter. Sind die Gefahrenkarten einmal genehmigt, sind sie bindend. Die Fortschreibung ist erst in mehreren Jahren geplant – bis dahin fließt noch viel Wasser die Kinzig runter.
Wer nutzt die Karten?
Die Hochwassergefahrenkarten sind elementar für die Bauleitplanung der Kommunen. Denn nur die Gebiete, die eindeutig hochwassergeschützt sind oder geschützt werden können, kommen überhaupt als Bauland in Frage. Bauherren in spe, die wissen wollen, wie gut ihr favorisiertes Gelände geschützt ist, können die Karten in den Gemeindeverwaltungen oder beim Ministerium für Umwelt, Klima und und Energiewirtschaft unter http://www4.um.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/114757/ einsehen. Auch für Versicherungen sind die Karten höchst interessant.