Ortenau-Reportage

In Kontakt mit Gott und der Welt

Bettina Kühne
Lesezeit 6 Minuten
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02. Juli 2015

(Bild 1/5) ©Ulrich Marx

Paul Schäufele ist 87 Jahre alt und wohnt im Gengenbacher Seniorenstift Haus Bethanien. Unter anderem in Lahr und Offenburg wirkend, widmet sich der Alt-Dekan seit vielen Jahrzehnten seinen Mitmenschen, seinem Glauben und: dem Amateurfunken – seiner
liebsten Freizeitbeschäftigung.

Mit Gott und der Welt in Kontakt – das ist Alt-Dekan Paul Schäufele seit vielen Jahrzehnten. »Es ist weniger geworden«, winkt der Amateurfunker ab. Sonntags nach dem Gottesdienst sitzt der 87-Jährige aber nach wie vor gern vor seinem Funkgerät, ein zentraler Punkt in seinem Zimmer im Gengenbacher Seniorenstift Haus Bethanien. Dort dreht er am großen Regler, bis die grünen Lichtwellen auf dem Display ihren Suchlauf beenden und einen sicheren Kontakt melden. Dann hört das Rauschen auf und eine Stimme spricht. Über das Wetter. Über technische Details. »Man vergleicht, was man so an technischer Ausrüstung hat«, sagt Schäufele verschmitzt. Seine Anlage kann vor allem durch ihren historischen Wert punkten – aber sie funktioniert.

Vor allem jedoch: Man hilft sich über Äther, wenn jemand Probleme mit seinen Geräten hat. Da sind gute Tipps willkommen, um die Sache wieder richtig in Gang zu bekommen. Fachsimpeleien sind das zentrale Thema einer jeden angeregten Unterhaltung. Die Uhr an der Wand steht dagegen still. Schon seit Längerem muss sie ohne Batterie auskommen, in den acht kreisrunden Fenstern der Zeitmesser stehen die Zeiger still. Früher war es für ihn interessant zu wissen, welche Uhrzeit in den anderen Zeitzonen herrschte. Denn da saß er auch mal spät nachts vor seinem Funkgerät, um Kontakt mit Amateurfunkern im Amazonasgebiet oder im Kongo aufzunehmen, die dort als Missionare lebten.

Damals funkte der Alt-Dekan, der 18 Jahre für Lahr zuständig war, in alle Welt. Bereits als er noch Vikar in Offenburg war, installierte er einen riesigen Funkmast auf der Dreifaltigkeitskirche. Das beeindruckte auch die Jugend: Bei einigen sprang der Funke über, und noch heute stehen sie mit dem Pfarrer über Äther in Kontakt, sofern sie im Umkreis wohnen. »Hier oben ist aber die Antenne nicht stark genug, um wirklich in alle Welt zu funken«, sagt er. Wenn sein Blick über den nur wenige Meter langen Ausleger streift, der an seinem Balkon angebracht ist, bleibt er auch gleich auf der Weide nebenan hängen. Ein Kalb tobt über die Wiese, andere Tiere suchen den Schatten. »Bald werden sie sich alle gemeinsam hinlegen«, sagt Schäufele.

Inzwischen sind seine Kontakte in die Ferne abgerissen, von denen die bunten Visitenkärtchen zeugen, die an der Vitrine kleben. Viele Kirchenmänner waren dabei, aber auch Funkamateure, die er so kennengelernt hatte, und ein Israeli. Dessen Karte ist in melancholischem Grau schraffiert, dazu einige Bäume. »Ich kann nur hoffen, dass es ihm gut geht«, sagt Schäufele. Wissen tut er es nicht.

Ganz oben im Schrank lagert ein Stapel seiner eigenen Visitenkarten. In Schwarz, Rot und Gold verlaufen Farbbänder über das Kartonpapier, dazu die Zeichen »DL6PS« – Schäufeles Funker-Identifikation. Zudem steht »Tennenbronn« auf dem bräunlichen Papier – eine ganz frühe Adresse. Den Teilnehmer-Namen hat er von der Post bekommen. Sie vergibt nämlich nicht nur die Lizenzen für Amateurfunker, sondern auch die Namen mit den eingewobenen Initialen.

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Wann er das letzte Kontakt-Kärtchen losgeschickt hat oder eines bekam, weiß Schäufele nicht mehr genau. »Das Hobby ist rückläufig«, bedauert er. Mangelndes Interesse im Handy-Zeitalter, wo Funk und Sender dank Miniatur-Format längst mobil geworden sind – und keine Regalmeter mehr fressen. Und vor allem auch technisches Desinteresse. »Schade«, sagt Schäufele, der sich schon seit seiner Jugend für die Naturphänomene interessiert.

Den gebürtigen Karlsruher faszinierten bereits zu Schulzeiten Physik und Chemie. »Technik pur«, wie er es auch in seinen Memoiren »Ein Benjamin der Deutschen Wehrmacht erzählt« nennt, lernte er dann früher kennen als gewünscht: Er wurde im Zweiten Weltkrieg zum Flak-Dienst eingezogen. Eines hat er dort rasch begriffen: »Es funktionierte: Die Schallwellen werden auf dem Wasser noch besser übertragen als über Land.« Sein ganzer Stolz und dementsprechend gepflegt sind die technischen Geräte – dazu zählt auch eine Stereo-Anlage, die im Wohnheim-Zimmer für ein Klangerlebnis wie in einem Konzertsaal sorgt. Dass er sich auch für Beschallungstechnik interessiert, machte ihn in seinerzeit als Gemeindepfarrer von St. Peter und Paul und St. Maria in Lahr sowie in Sulz auch bei der Jugend beliebt. Sollte eine Disko organisiert werden, war er der richtige Ansprechpartner.

Meistens hat der Pfarrer sich seine technischen Spielereien ganz bescheiden gebraucht gekauft. Manchmal direkt aus einem Kofferraum heraus. Über Funk oder eine Annonce kam man damals in Kontakt zum Verkäufer – »dann hat man sich auf halbem Weg an einer Autobahnraststätte getroffen«. Viel Geld hatte Alt-Dekan Schäufele nämlich nie; seinen Verdienst steckte der langjährige Lahrer Caritasvorsitzende regelmäßig in Projekte der christlichen Nächstenliebe. Gefallenen Mädchen, Familien in Not und Drogenabhängigen galt und gilt sein Engagement. Geblieben sind außer dem guten Gefühl, christliche Werte wirklich zu leben, ein Berg privater Schulden.

Auf dem Balkon drückt sich eine kleine Werkbank in die Nische, gut geschützt vor Wind und Wetter. »Sie musste ausquartiert werden«, sagt Schäufele. Der Raum, in dem seine Bastelstube früher einmal stand, wurde anderweitig gebraucht. »Damit kann man Schäden herausfinden und reparieren«, erklärt er. Die Messgeräte seien alle noch voll funktionstüchtig. Viel zu tun gibt es nicht mehr. Aber in seinen Glanzzeiten tüftelte der Pfarrer als Technik-Begeisterter so manche Stunde an seiner Ausrüstung.

Seine ersten Empfangs- und Funkgeräte hatte er selbst gebaut. Unterstützt wurde er dabei auch von gleichgesinnten Freunden. »Als Religionslehrer am Offenburger Schillergymnasium traf ich einen sehr begabten Physiklehrer«, erinnert er sich an seine Anfänge. Dieser brachte ihn in Kontakt mit anderen Amateurfunkern, woraufhin er selbst 1959 seine Prüfung ablegte.

Mit seinem Hobby ist der Geistliche übrigens in bester Gesellschaft; Politiker, Schauspieler, Wirtschaftsbosse und andere Größen funken ebenfalls. Natürlich auch Berühmtheiten aus der Kirche – etwa der polnische Mönch und Märtyrer Maximilian Kolbe (1894–1941, Funker-Identifikation SP3RN), Paul-Émile Léger (1904–1991), Erzbischof von Montreal, TJ1BC, oder der 1936 geborene Erzbischof von Montreal, Roger Mahony, W6QYI.

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