Kreisrat übt sich in Pragmatismus statt Populismus
Der Ortenauer Kreisrat hat die »Gesamtstrategie Zuwanderung beschlossen«. Für die soziale Betreuung der Flüchtlinge sollen zehn zusätzliche Stellen geschaffen werden.
Das Thema Zuwanderung ist hochemotional. Es wäre für die im Kreistag vertretenen Fraktionen bei der Beratung der »Gesamtstrategie Zuwanderung« ein Leichtes gewesen, mit Populismus zu punkten. Stattdessen fiel die Zustimmung zu dem mehr als 100 Seiten langen Strategiepapier groß aus.
Sehen die Chancen
Klaus Muttach, Vorsitzender der CDU-Fraktion, machte deutlich: »Wir verkennen die Risiken nicht und ignorieren die Lasten nicht. Wir sehen aber auch die Chancen.« Solange sich die Menschen auf dem Boden der Verfassung bewegten, seien sie eine Bereicherung, stellte er klar. Ähnlich äußerten sich die Vorsitzenden der anderen Fraktionen.
Vor einem Jahr hatte die Arbeit an dem Strategiepapier begonnen. Damals kamen rund 800 Flüchtlinge pro Monat in die Ortenau, für die der Landkreis Plätze in der vorläufigen Unterbringung zur Verfügung stellen musste. Das Bild hat sich mittlerweile gewandelt: Im Oktober waren es 48 Flüchtlinge, so Scherer. Für November seien nur 31 Personen angekündigt. 4551 Plätze gibt es in der vorläufigen Unterbringung in der Ortenau. 3231 davon sind noch belegt.
Aufgabe der Städte
Der Landkreis löst gerade viele der vorläufigen Unterkünfte auf. »Rund 2000 Personen werden die Kommunen im Rahmen der Anschlussunterbringung aufnehmen müssen«, kündigte der Landrat an. Nach 24 Monaten haben die Flüchtlinge Anspruch auf eine Wohnung. Das ist dann Aufgabe der Städte und Gemeinden.
Sensibel vorgehen
Sowohl Jürgen Nowak, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, als auch Alfred Baum, sein Kollege von den Grünen, forderten den Kreis auf, dabei sensibel vorzugehen und bestehende Bindungen der Bewohner zu berücksichtigen. Scherer versprach darauf zu achten. »Wenn wir kleine Einheiten abstoßen, dann bieten wir sie den Kommunen für die Anschlussunterbringung an.«
Zu den Aufgaben der Städte und Gemeinden in der Anschlussunterbringung gehört eigentlich auch die Betreuung der Flüchtlinge. Trotzdem hat der Kreistag mit der Verabschiedung des Zuwanderungspapiers zehn neue Stellen beschlossen. Die neuen Mitarbeiter werden für die soziale Betreuung der Flüchtlinge zuständig sein. Rund 700 000 Euro wird das den Kreis pro Jahr kosten.
Sinnvoll, aber teuer
Er halte die Betreuung für sinnvoll, man müsse allerdings fragen, wer dafür aufkommen solle, sagte Scherer in seiner Rede. »Für die Integration der Menschen in der Anschlussunterbringung erhalten die Städte und Gemeinden nach dem Willen der Landesregierung anders als die Kreise eine Pauschale von 1125 Euro pro Jahr und Flüchtling.« Finanziert werde das mit landesweit 90 Millionen Euro aus dem 160 Millionen umfassenden Integrationsförderprogramm.
Nowak hatte gefragt, ob es nicht möglich sei, die Stellen angesichts zurückgehender Flüchtlingszahlen mit bereits vorhandenen Mitarbeitern zu besetzen. Das gehe nicht, beschied ihm Scherer. Der Grund: Der Landkreis hat zwar im vergangenen Jahr viele Mitarbeiter für die Flüchtlingsbetreuung eingestellt, aber erst jetzt die vom Gesetzgeber eigentlich vorgesehene Quote von einem Betreuer auf 110 Flüchtlinge erreicht.
600 Flüchtlinge im Blick
Das Zentrum zur beruflichen Integration von Flüchtlingen (ZIF) habe 600 Flüchtlinge im Blick, sagte Landrat Frank Scherer bei der aktuellen Sitzung des Kreisrats. Das seien Menschen, bei denen man davon ausgehe, dass sie bleiben, und in denen man gute Voraussetzungen und die Motivation dafür sehe, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Auch bei diesen Menschen rechnet Scherer damit, dass es fünf bis sechs Jahre dauert, ehe sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Sie müssten erst das erforderliche Sprachniveau erreichen und häufig auch noch eine komplette Berufsausbildung durchlaufen.