Ortenau-Reportage

Männchen-Gesangverein

Florence-Anne Kälble
Lesezeit 5 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
28. April 2016
Bildergalerie ansehen
Guck mal, wer da zwitschert! Die Teilnehmer der Vogelstimmen-Wanderung hörten in wenigen Stunden 30 bis 35 Arten.

(Bild 1/4) Guck mal, wer da zwitschert! Die Teilnehmer der Vogelstimmen-Wanderung hörten in wenigen Stunden 30 bis 35 Arten. ©Peter Heck

Der frühe Vogel fängt den Wurm – das gilt auch für angehende Hobby-Ornithologen. Wer an einer Vogelstimmen-Wanderung teilnimmt, muss früh aus den Federn. 

Sonntag, 7.30 Uhr im Stadtgarten Oberkirch: Es ist etwas Vogelgezwitscher zu hören, die ersten zaghaften Sonnenstrahlen brechen durch die Äste – sie wärmen noch nicht. 30 Leute warten. Die Frühaufsteher sind gegen die Kälte gewappnet: Sie tragen warme Jacken und festes Schuhwerk – vornehmlich Wanderschuhe, genau wie in der Einladung zur Vogelstimmen-Wanderung geschrieben. 

»Ich sehe, dass viele ein Fernglas dabei haben, aber das Teleskop holt die Vögel noch deutlich näher heran«, begrüßt Meinrad Heinrich vom BUND Renchtal die Teilnehmer der Exkursion. In den nächsten vier Stunden wird der Vogelkenner seiner Gruppe die Rufe und Melodien der heimischen Arten näherbringen. Sein Kollege Manfred Weber vom Naturschutzbund (Nabu) Offenburg leitet die zweite Gruppe.

Zu Beginn erläutert der passionierte Hobby-Ornithologe Heinrich die wichtigste Regel für diesen Morgen: Schweigen! Bereits im Stadtgarten sind die ersten Melodien zu hören. »Zwei Buchfinken beim Regenruf«, stellt Heinrich fest. Dies machten die Tiere häufig nach Regenschauern. Ein Teilnehmer möchte wissen, warum es nicht der Gesang des Buchfinken sein kann. Heinrich winkt ab. »Bei seinem Gesang überschlägt sich die Stimme. Das hören wir später bestimmt noch!«

Kaum hat sich die Gruppe in Bewegung gesetzt, ertönt ein »Tschilp, Tschilp«. »Das ist der Haussperling«, sagt Heinrich. Er ist froh, dass die Vögel zu Beginn der Exkursion vereinzelt ihre Stimmen erklingen lassen. Im Chor seien sie weitaus schwieriger herauszuhören. Gerade Anfänger hätten da Probleme. 

Danach traut sich ein Distelfink. Während der Vogelprofi über diese Art spricht, wird die Zuhörerschaft von einem weiteren Trillern abgelenkt. »Das ist der Amsel-Warnruf«, erklärt Heinrich. »Die hat auch vorhin schon auf die Wacholderdrossel gemeckert«, fügt er hinzu und lacht. Vogelpsychologie am Morgen.

Die Teilnehmer laufen aus unterschiedlichen Gründen mit: Eine Frau aus Oberkirch erzählt, dass sie  über ihre Tageszeitung auf die Wanderung aufmerksam wurde. »Ich bin zwar naturinteressiert, aber von Vögeln hab’ ich keine Ahnung«, stellt sie klar. Erika Wortberg aus Oberkirch hingegen hat einen klaren Bildungsauftrag an sich selbst: »Meine Enkelkinder wissen bald mehr als ich. Da dachte ich: Jetzt wird es Zeit! Omi muss sich schlaumachen.«

- Anzeige -

Heinrich erklärt gern und viel – vor allem aber verständlich. Die Gruppe läuft Richtung Reben. Es kommt die Frage auf, in welchen Situationen Vögel eigentlich singen. »Nur zur Territorialverteidigung und zum Locken von Weibchen«, weiß der Experte. »Außerdem«, fügt er hinzu, »singen nur die Männchen«. Einzig beim Rotkehlchen zwitschere auch das Weibchen. 

Weitere Ausnahmen: »Der Specht klopft nur und der Kernbeißer macht ›tsick‹ und ›tsi‹ als Geräusche.« Immer wieder kommt es zu kleineren Pausen, in denen entweder Fragen gestellt oder von Meinrad Heinrich vogelkundliche Aspekte vorgestellt werden. Mit seinem Vogelkunde-Buch zeigt er immer wieder Bilder von den singenden Piepmatzen – sie singen an diesem Morgen oft im Verborgenen. 

Da! Zwei Vögel sitzen auf einem Baum. Die Gruppe stoppt, die  Ferngläser werden gezückt, scharf gestellt: Die beiden Tiere können in ihrer ganzen Pracht bewundert werden. Eine Rabenkrähe und eine Amsel. Heinrich baut das Teleskop auf und erklärt, dass man anhand von Schnabelfarbe und Gefieder eindeutig ausmachen könne, dass es sich um ein Amsel-Männchen handelt. »Man erkennt es auch an dem feinen hohen ›Ziiiiih‹-Geräusch, das es macht.«
In Reih und Glied schauen alle durchs große Teleskop. Viele »Aahhhs« und »Ooohs« sind zu vernehmen. Manfred Sutterer aus Kappelrodeck ist so begeistert von der Optik, dass er seiner Frau mit einem glückseligen Grinsen zuraunt: »Das ist d-a-s Gerät für mich!«

Auf dem Weg Richtung Schauenburg erfahren die Vogel-Interessierten, dass ein Feldsperling an seinem Ohrfleck gut zu erkennen ist, dass der Hausrotschwanz der erste Vogel ist, der morgens weit vor Sonnenaufgang mit seinem Gesang startet, und dass die Elster »schackert«. Heinrich macht das Geräusch nach: »Ijä-ijä-ijä«. Die Mönchsgrasmücke hingegen unterscheide zwischen dem Warnruf »tschak-tschak« und Gesang. »Erst murmeln sie, dann kommt der melodische Überschlag.« Am leichtesten zu erkennen sei der Zilpzalp: Er singt seinen Namen und baut dazwischen immer wieder ein ›Trrrp‹ ein. »Den sollten Sie sich merken«, schwört der Hobby-Ornithologe die Gruppe ein. Der Vogel sei leicht herauszuhören. 

Bevor es in den Wald geht, zeigt Heinrich, was sein Vogelkundebuch noch alles kann: Es hat Hightech eingebaut. Mit einem elektronischen Stift können bestimmte Felder angetippt werden – und schon erklingt die Stimme des ausgewählten Vogels. Der Vogelkundler warnt jedoch vor Schabernack: »Die Tiere reagieren – und singen bis zur Erschöpfung.« Wenn es darauf ankomme, würden sie ihr Revier verlieren, weil sie ausgepowert seien. 
Aber auch Heinrich hat den Schalk im Nacken sitzen: Auf Bitten einiger Damen lässt er eine Nachtigall erklingen. Danach erklärt er grinsend, dass sich sein Kollege vom Nabu jetzt bestimmt wundere, »warum am helllichten Tag ein nachtaktiver Vogel singt«. 

Auf dem Weg durch den Wald bis zur Schauenburg zählt Heinrich auf, dass die Gruppe auf der Exkursion schon rund 30 bis 35 Arten zu sehen beziehungsweise zu hören bekommen hatte. Deutschlandweit gebe es rund 250 brütende Vogelarten, weltweit seien es zwischen 8000 bis 10 000. »Die Zahl der Singvögel hat sich in den vergangenen 40 Jahren halbiert«, beklagt der Vogelkundler. Der Grund sei die intensiv gewordene Landwirtschaft. Sein Appell: Auch Privathaushalte können ihren Teil zum Artenerhalt beitragen, indem eine bewusstere Gartengestaltung gewählt wird.

Begleitet von einem hoch über den Köpfen kreisenden Mäusebussard endet die Exkursion auf der Schauenburg. Ehrfürchtig flüstert einer der Teilnehmer in die Runde: »Der ist so groß wie eine halbe Ente!« Und nach dem alle den Vogel intensiv durchs Teleskop bewundert haben, entbrennt eine Diskussion über die Bestimmung von Greifvögeln. »Kein einfaches Unterfangen«, wirft Heinrich ein – und schon beginnt er, die Unterscheidungsmerkmale aufzuzählen ... 
 

Weitere Artikel aus der Kategorie: Ortenau

vor 29 Minuten
Haslach im Kinzigtal
In Haslach-Bollenbach hat es am Freitagmorgen auf einem Schwarzwaldhof gebrannt. Die Bewohner wurden gegen 2 Uhr aus dem Schlaf gerissen und konnten sich und einen Teil der Tiere noch in Sicherheit bringen.
Schon 2020 hatte die Familie Mack das Schloss Ollwiller samt dazugehörigem Weingut gekauft. Unweit davon empfängt das ehemalige Restaurant Meyer unter neuem Namen bald die ersten Gäste. 
vor 44 Minuten
Ortenau
Noch in diesem Frühjahr soll in Hartmannswiller das Restaurant "Amitié - La Cuisine du Château" die ersten Gäste empfangen. Auch die benachbarte Domaine Ollwiller gehört der Familie Mack.
Am Karfreitag wird Fisch serviert. 
vor 1 Stunde
Ortenau
Wo kann am Karfreitag, 29. April, nach beliebter Tradition Fisch gegessen werden? In der Ortenau haben die Vereine einige Veranstaltungen geplant. Hier gibt es eine Übersicht. 
vor 2 Stunden
Ortenau
In welcher Gemeinde der Ortenau lebt es sich am besten? Das will die Mittelbadische Presse mit dem großen Ortenau-Check herausfinden. Wie Sie abstimmen können, lesen Sie hier:
vor 15 Stunden
Reportage
Konrad Stiefvater ist als Schamane tätig und vollführt regelmäßig Rituale etwa für Dankbarkeit. Auch die schamanische Reinigung von Häusern gehört zu seinen Tätigkeiten. Ein Mal im Jahr ist er dafür im Hotel Rebstock in Durbach.
vor 18 Stunden
Ortenau
13 Fahrzeuge waren am Donnerstag involviert: Auf der A5 Richtung Basel hat es zwischen Achern und der Raststätte Renchtal West eine Massenkarambolage gegeben.
Bei Unfällen auf der Autobahn sind im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Offenburg 2023 zwei Menschen ums Leben gekommen.
vor 18 Stunden
Ortenau
Die Unfallstatistik des Polizeipräsidiums Offenburg zeigt: Obwohl die Zahl der Verkehrsunfälle zunimmt, sterben weniger Menschen auf der Straße. Sorgen bereitet die Cannabis-Legalisierung.
27.03.2024
Ortenau
Als Feuerteufel hat ein 22-Jähriger den Kehler Ortsteil Neumühl im Sommer 2023 in Angst und Schrecken versetzt. Nun muss er deshalb drei Jahre und fünf Monate ins Gefängnis.
In Summe 2500 Polizisten suchten im Juli 2020 in den Wäldern rund um Oppenau nach Yves R., nachdem dieser vier Polizisten entwaffnet hatte.⇒ Foto: Sven Kohls/dpa
27.03.2024
Ortenau
Drei Jahre und neun Monate nach seiner Festnahme steht die Entlassung von Yves R. kurz bevor. Eine vorzeitige Freilassung des Oppenauer Geiselnehmers hatte die Staatsanwaltschaft abgelehnt.
Gegen illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit waren Beamten des Hauptzollamts Lörrach in der Ortenau im Einsatz.
27.03.2024
Gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung ist der Zoll in zahlreichen Betrieben der Ortenau am Freitagabend vorgegangen. Dabei wurden mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet.
27.03.2024
Lahr
Zu einem Vorfall mit sexuellem Hintergrund ist es am Dienstagnachmittag im Bereich des Rathauses in Lahr.
Will wieder Glanzlichter setzen: der Kehler Ostermarkt mit dem "Chaos" (Foto vom Vorjahr). 
27.03.2024
Ortenau
Seit 71 Jahren gibt es den Markt, der wieder von Ostersamstag, 30. März, 13 Uhr, bis Sonntag, 7. April, mit 35 Fahrgeschäften, Spiel- und Imbissbuden Jung und Alt auf den Läger einlädt.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • HYDRO liefert etwa Dreibockheber für die Flugzeugwartung. 
    26.03.2024
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl fustionieren
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl schließen sich zusammen. Mit diesem Schritt befinden sich die Kompetenzen in den Bereichen Ground Support Equipment (GSE) und Aircraft- & Engine Tooling unter einem Dach.
  • Alle Beauty-Dienstleistungen bietet die Kosmetik Lounge in Offenburg unter einem Dach.
    26.03.2024
    Kosmetik Lounge Offenburg: Da steckt alles unter einem Dach
    Mit einer pfiffigen Geschäftsidee lässt Elena Plett in Offenburg aufhorchen. Die staatlich geprüfte Kosmetikerin denkt "outside the box" und hat in ihrer Kosmetik Lounge ein außergewöhnliches Geschäftsmodell gestartet.
  • Konfetti, Flitter und Feuerwerk beschließen die große Preisverleihung im Forum-Kino in Offenburg. Die SHORTS feiern 2024 ihr 25. Jubiläum. 
    26.03.2024
    25 Jahre SHORTS – 25 Jahre Bühne für künftige Filmemacher
    Vom kleinen Screening in 25 Jahren zum gewachsenen Filmfestival: Die SHORTS der Hochschule Offenburg feiern Jubiläum. Von 9. bis 12. April dreht sich im Forum-Kino Offenburg alles um die Werke junger Filmemacher. Am 13. April wird das Jubiläum im "Kesselhaus" gefeiert.
  • Das LIBERTY-Team startet am Mittwoch, 27. März, in die Afterwork-Party-Saison. 2024 finden die Veranstaltungen in Kooperation mit reiff medien statt. 
    22.03.2024
    Businessaustausch jetzt in Kooperation mit reiff medien
    Das Offenburger LIBERTY startet mit Power in die Eventsaison: Am Mittwoch, 27. März, steigt die erste XXL-Afterwork-Party mit einem neuen Kooperationspartner. Das LIBERTY lädt zusammen mit reiff medien zum zwanglosen Feierabend-Businessaustausch ein.