Unglück auf Zeltplatz

Renchen gedenkt am Freitag mit Gottesdienst

chs/maj/sst/fb
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06. August 2015
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(Bild 1/2) Der Zeltplatz nach dem Unglück. ©Bernd Kühnle

Nach dem tödlichen Unglück auf dem Zeltplatz in Neunkirchen, bei dem Ulms Musikvereinschef Martin Busam ums Leben kam und zwei weitere Betreuer schwer verletzt wurden, findet am Freitag ein Gedenkgottesdienst statt. Unterdessen sieht die Gemeinde Neunkirchen keine Veranlassung, den Platz zu sperren.

Schock für 66 Kinder zwischen 9 und 14 Jahren aus der nördlichen Ortenau: Die Teilnehmer einer Ferienfreizeit der  Pfarrgemeinde St. Mauritius in Renchen-Ulm waren am Dienstagmittag gerade erst auf dem Zeltplatz in Neunkirchen (Neckar-Odenwald-Kreis) angekommen, als sich das folgenschwere Unglück ereignete.

Nach ersten Erkenntnissen waren die Betreuer, darunter Musikvereinsvorsitzender Martin Busam, gegen 16.05 Uhr damit beschäftigt, einen 15 Meter hohen Fahnenmast mit Stahlseilen auf dem Gelände zu errichten. Dabei ist es nach Augenzeugenberichten offenbar zu einem "Übersprung" von Strom aus der nahen Hochspannungsleitung gekommen. Laut Polizei sprang ein Lichtbogen auf den  Mast über. Für die Dauer von 0,55 Sekunden wurde der Strom dann entlang des Masts in die Erde abgeleitet.

Der 45-jährige Martin Busam erlitt so schwere Verletzungen, dass er später im Krankenhaus starb. Zwei weitere 20-jährige Betreuer aus Ulm und Stadelhofen wurden mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht. Drei weitere Erwachsene und fünf Kinder befanden sich ebenfalls in ärztlicher Behandlung. Laut Polizeibericht konnten die drei Erwachsenen bereits wieder entlassen werden.

Polizei ermittelt

Die staatsanwaltschaftlichen und kriminalpolizeilichen Ermittlungen zur Unglücksursache laufen derzeit auf Hochtouren. Geprüft wird, ob einem oder mehreren der Betreuer ein Verschulden im Zusammenhang mit dem folgenschweren Unglücksfall zur Last zu legen ist. "Wir müssen versuchen, herauszufinden, ob jemand einen Fehler gemacht hat und für dieses schwere Unglück verantwortlich ist", sagte ein Sprecher der Polizei am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa. Die beiden schwer verletzten Betreuer konnten noch nicht vernommen werden. Das Zeltlager in Neunkirchen, in das die Kinder mit ihren 23 Betreuern erst am Dienstag gezogen war, wurde aufgelöst.

Nach dem Unglück auf dem Gelände, das bereits seit vier Jahrzehnten als Zeltplatz genutzt wird, hat der Bürgermeister von Neunkirchen den umgehenden Rücktransport der 66 Kinder in die Ortenau organisiert. Im Gespräch mit Hitradio Ohr hob er den reibungslosen Ablauf der Rettungsmaßnahmen hervor. Zwei Rettungshubschrauber versorgten die Verletzten vor Ort, ein vierköpfiges Team aus Notfallseelsorgern kümmerte sich noch am Abend in Neunkirchen um die traumatisierten Kinder, die zu diesem Zeitpunkt nichts vom Tod ihres Betreuers wussten.

Busse brachten die Kinder und Jugendlichen zurück nach Ulm, wo Ortsvorsteher Roland Boldt alle Vorbereitungen für ihre Ankunft getroffen hatte. »Ich wurde gegen 18 Uhr informiert und gebeten, dafür zu sorgen, dass bei der Rückkehr eine Notfallseelsorge und das DRK vor Ort in der Ullenburghalle sein sollten«, erklärte Boldt. Dort wurden die Kinder dann auch von ihren Eltern in Empfang genommen.

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Seelsorger vor Ort

Kommentar einer Mutter auf Facebook: »Es war sehr schrecklich. Meine Tochter war dabei. Sie hat alles gesehen und erlebt. Sie hat ein Schocktrauma, sie weint und sagt: Mama, ich gehe nie mehr auf ein Zeltlager,« Der Leiter der Seelsorgeeinheit Renchen-Ulm-Erlach, Pfarrer Albert Lehmann, wurde über den tragischen Vorfall in Neunkirchen kurz vor 17 Uhr von einem Gruppenleiter telefonisch informiert. »Es ist das jährliche Zeltlager der Pfarrgemeinde St. Mauritius, das schon seit vielen Jahren organisiert und durchgeführt wird für Kinder aus der Gemeinde und der näheren Umgebung«, informierte Albert Lehmann, die beiden schwer verletzten 20-jährigen Betreuer stammen nach Auskunft des Pfarrers aus Stadelhofen und Ulm.

Renchens Bürgermeister Bernd Siefermann war geschockt: »Ich bin sehr traurig und auch sprachlos. Wenn man sich überlegt, dass es ein fröhliches Zeltlager werden sollte, das dann so tragisch am  ersten Tag mit einem tödlichen Unfall eines Betreuers endet, dann ist das unfassbar.« Schlimm sei, so Bernd Siefermann, dass alle Kinder das Unglück beim traditionellen hissen der Flagge mitbekommen hätten. Glücklicherweise seien sie körperlich unverletzt, »doch was seelisch bleibt, das kann man noch nicht sehen.« Er habe bei der Ankunft den Kindern empfohlen, dass sie das Erlebte zusammen mit den Eltern und Freunden aufarbeiten und über das schlimme Erlebnis sprechen sollten.

Trauer um Martin Busam

Das Mitgefühl des Stadtoberhauptes gilt der Familie von Martin Busam, seiner Frau und dem Kind: »Wir verlieren mit ihm einen wunderbaren Menschen, der sich für das Allgemeinwohl, insbesondere im Bereich der Blasmusik, aber auch für die Jugendförderung allgemein, eingesetzt hat.« Den verletzten Betreuern, von denen einer am Mittwochabend noch operiert wurde, wünschte Bernd Siefermann eine schnelle Genesung. Der Bürgermeister danke allen, die am Unfallort selbst, aber auch am Mittwochabend in der Ullenburghalle Ulm mitgeholfen hatten, die Gruppe der Pfarrgemeinde zu betreuen. Den verletzten Betreuern aus Ulm und Stadelhofen, von denen einer am Mittwochabend noch operiert wurde, wünschte Bernd Siefermann eine schnelle Genesung.

Renchens Bürgermeister dankte im Gespräch mit unserer Zeitung allen, die am Unfallort selbst, aber auch am Mittwochabend in der Ullenburghalle Ulm mitgeholfen hatten, die Gruppe der Pfarrgemeinde zu betreuen. »Den Notfallseelsorgern, den Kräften des DRK, der Polizei, mit der ich ständig in Konakt war, Pfarrer Albert Lehmann, den Helfern der Pfarrgemeinde und Ortsvorsteher Roland Boldt, der kräftig mitorganisierte, so dass es möglich war in der Ullenburghalle die Gruppe zu empfangen, versorgen und zu betreuen«.

Auch in dem 1800-Seelen-Ort Neunkirchen ist man nach dem Unglück geschockt. Am Ort des schrecklichen Geschehens deutet mittlerweile nichts mehr auf den tödlichen Zwischenfall hin. Die Zelte sind abgebaut, wurden von Rettungskräften und Organisatoren in die Ortenau gebracht. Trotz des Zwischenfalls will die Gemeinde den Zeltplatz aber nicht generell sperren. Das bekräftigte Bürgermeister Wolfgang Schirk auf Anfrage von Hitradio Ohr. "Wir werden die künftigen Nutzer aber darauf ansprechen, dass sich dieses Unglück hier ereignet hat." Zur Platzierung des Zeltplatzes direkt unter der Hochspannungsleitung sagte er: "Man hat sich damals mit allen Beteiligten, auch dem Energieversorger, Gedanken gemacht, ob der Platz geeignet ist - ist ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das ohne Probleme möglich ist."

Hintergrund

Angehörige und Kinder stehen unter Schock

Kommentar einer Mutter auf Facebook: »Es war sehr schrecklich. Meine Tochter war dabei. Sie hat alles gesehen und erlebt. Sie hat ein Schocktrauma, sie weint und sagt: Mama, ich gehe nie mehr auf ein Zeltlager.« Im Gespräch mit Hitradio Ohr berichtete sie: »Meine 14-jährige Tochter hat einen Schock. Ihr geht es nicht gut.« Ihre Tochter sei Augenzeuge des schrecklichen Vorfalls geworden und sie müsse nun mit ihr einen Kinderpsychologen aufsuchen. »Sie hat alles gesehen, hat mir am Dienstagabend nach der Rückkehr alles erzählt. Es sei schrecklich gewesen. Sie weinte fürchterlich, sie hat einen Schock«, sagte die Mutter, die von dem Unglück erst sehr spät erfuhr, weil sie ihr Handy nicht eingeschaltet hatte. »Der Papa hat es in den Nachrichten gehört, ich per Anrufbeantworter, als ein Betreuer angerufen hatte«, erzählt die Mutter, die gegen 22 Uhr am Dienstagabend ihre Tochter in der Ullenburghalle Ulm in die Arme schließen konnte.

Und die 14-jährige Tochter hatte Glück im Unglück – einen Schutzengel. Wie einige andere Kinder des Zeltlagers auch. »Sie und andere haben auch den Mast gehalten, ihn dann aber schnell wieder losgelassen, als er zuckte und zu brennen begann. Alle sind dann Richtung Wald gerannt.« 

Die Mutter bestätigte auch, dass die Kinder nach der Rückkehr in Ulm in der Ullenburghalle von einem Seelsorgeteam und DRK-Helfern betreut wurden. Kinder und Eltern seien nicht ihrem Schicksal überlassen worden.
Den tödlich verunglückten Martin Busam habe sie jedoch persönlich nicht gekannt, nur durch zwei Telefongespräche. »Es ist ganz schrecklich«, sagte die Mutter, »er wurde erst vor wenigen Wochen Vater.«

O-Ton von Pfarrer Lehmann bei Hitradio Ohr.
O-Ton von Bürgermeister Wolfgang Schirk bei Hitradio Ohr.

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