Ortenau

Reichsbürger beschäftigen Ortenauer Behörden und Polizei

Marc Mudrak
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31. März 2017
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©Timo Furtwängler

Reichsbürger halten die Bundesrepublik für eine Firma und bauen Fantasiestaaten auf. Die Bewegung wächst in der Ortenau, ihre Anhänger behindern Ämter und stören vor Gericht. Landratsamt und Große Kreisstädte prüfen jetzt, ob sie bewaffnet sind.

Die sogenannten Reichsbürger treten in der Ortenau immer häufiger in Erscheinung. Das haben Recherchen der Mittelbadischen Presse ergeben. Dem Polizeipräsidium Offenburg sind bislang 53 Reichsbürger im Ortenaukreis, dem Kreis Rastatt und Baden-Baden bekannt. Bei der Staatsanwaltschaft Offenburg sind rund ein Dutzend Reichsbürger in Erscheinung getreten. Polizei und Staatsanwaltschaft erfassen diese Gruppe erst seit 2016. »Grundsätzlich kann aber gesagt werden, dass das Phänomen Reichsbürger in den letzten Jahren zugenommen hat«, erklärt Miriam Kümmerle, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Offenburg.

Damit spiegelt sich in der Ortenau ein allgemeiner Trend wider: Deutschlandweit ist die Reichsbürger-Szene zuletzt erstarkt. Ihre Anhänger halten die Bundesrepublik für illegal und erfinden Staaten, für die sie sich auf das Deutsche Reich berufen. Der baden-württembergische Verfassungsschutz beobachtet die Szene. 

In der Ortenau machen sich Reichsbürger auf verschiedene Arten bemerkbar. So schicken sie etwa massenhaft E-Mails an Behörden, in denen sie die Beamten auffordern, sich ihren Fantasiestaaten zu unterwerfen. Oder sie erklären den Ämtern, warum für sie die Gesetze der Bundesrepublik angeblich nicht gelten. Auch Schulen erhalten solche E-Mails, wie das Regierungspräsidium Freiburg bestätigt.

Zusätzliche Polizisten

Vor Gericht fallen Reichsbürger zunehmend als Störer auf. Bei einem Unfallflucht-prozess vor dem Amtsgericht Achern etwa weigerte sich im Oktober 2016 eine 51-jährige selbsterklärte Reichsbürgerin, Platz zu nehmen, und beschimpfte den Richter. Bei Verhandlungen befinden sich mittlerweile zusätzliche Sitzungspolizisten im Saal und es werden Einlasskontrollen durchgeführt, wie Staatsanwältin Kümmerle erklärt.

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Konfrontiert mit Reichsbürgern sind auch Mitarbeiter von Kommunalverwaltungen. Im Bürgerservice Kehl melden sich ein bis zwei von ihnen im Vierteljahr – mit steigender Tendenz, wie Rathaussprecherin Annette Lipowsky betont. Auch Lahr hat Probleme, vor allem die Bußgeldstelle. »Diese Personenen wehren sich gegen Bußgeldverfahren mit dem Hinweis, dass unsere Rechtsordnung ungültig sei«, erklärt Lucia Vogt vom Rechts- und Ordnungsamt. 50 solcher Vorfälle habe es zuletzt jährlich gegeben. Wie reagiert die Behörde darauf? »Wir lassen uns auf keine langen Diskussionen ein und geben die Fälle nach den üblichen Fristen an das Amtsgericht ab.«

Mit den Medien reden Reichsbürger nicht. So hat etwa der selbsternannte »Bundesstaat Baden«, der sich als Teil des »Staatenbundes Deutsches Reich« sieht, ein Interview mit unserer Zeitung abgelehnt. Ein Teil der Bewegung gilt zudem als gewaltbereit. »Die Erfahrungen zeigen, dass Reichsbürger durchaus im Besitz von Waffen oder Sprengstoff sein können«, erklärt Polizeisprecher Wolfgang Kramer. »Die Durchsuchungen werden daher entsprechend vorbereitet, und in Bedarfsfällen werden auch Spezialkräfte hinzugezogen.«

So geschehen bei einem Fall, wiederum aus Kehl, den Staatsanwältin Kümmerle schildert. Demnach wurde ein Mann zu einer Geldstrafe verurteilt, die er aber nicht bezahlen wollte. Schließlich rückte die Polizei an. »Er ließ die Beamten zunächst nicht ein und verbarrikadierte sich. Weiter filmte er die Beamten bei diesem Einsatz. Die Filmaufnahmen stellte er dann ins Internet für alle zugänglich ein.« Das ist eine Straftat. Als die Beamten später nochmal auftauchten, um das Handy sicherzustellen, waren sie besser vorbereitet. »Da der Mann sich bereits beim ersten Zusammentreffen massiv widersetzte und er im Besitz des kleinen Waffenscheins war, wurde zur Durchsuchung das Sondereinsatzkommando der Polizei hinzugezogen.«

Entwaffnung im Gang

Die Landesregierung will die Aktivisten nun entwaffnen. Nach einem Erlass des Innenministeriums prüfen die Großen Kreisstädte und der Landkreis derzeit, ob Reichsbürger bei den Waffenbehörden erfasst sind, wie Kai Hockenjos, Sprecher des Landratsamts, berichtet. Die Behörden sollen Reichsbürgern keine Waffenscheine mehr ausstellen und bereits erteilte Genehmigungen wenn möglich widerrufen. Beim Landratsamt läuft die Überprüfung noch, aus Oberkirch und Lahr liegen schon Ergebnisse vor: Keine angemeldeten Waffen in Reichsbürger-Hand.

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