Scharfe Sache: Besuch beim Scherenschleifer
Haushaltsmesser, Friseurscheren, Rasiermesser, Rebwerkzeug: Stimmt die Qualität, bringt Schneidwerkzeugmeister Christoph Sautter in seiner Werkstatt in Lahr alle Klingen wieder scharf. Er pflegt ein scharfes Handwerk.
Aktuell haben die Rebscheren Hochsaison. Die mit den roten Griffen, die schon ein bisschen abgewetzt sind, dafür aber individuell bequem in der Hand liegen. Die mit der Feder. Bei der Gartenarbeit oder im Rebberg sind sie stumpf geworden – und Christoph Sautter soll es jetzt wieder richten.
Schneidwerkzeugmeister heißt es heute. Bei Sautters in Lahr ist der Beruf Familien-tradition, seit vier Generationen dreht sich in ihrer Werkstatt alles um Messer, Scheren und Schärfe. Schon als Kind hielt sich Christoph Sautter bei seinem Vater in der Werkstatt auf, und der berufliche Werdegang zeichnete sich rasch ab: »Ich war der Ältere.«
Die Maschinen sind die gleichen wie damals, denn an der Technik hat sich nichts verändert: »Messer zu schleifen ist und bleibt Handarbeit«, sagt der Profi. Was nicht bedeutet, dass es keine Spezialmaschinen gibt. Etwa, um die Kufen von Schlittschuhen zu schleifen, hat Sautter ein extra Gerät. Da werden die Kufen eingespannt und geschärft, damit man anschließend wieder wie Katarina Witt Pirouetten drehen kann.
Meterlange Messer
Die meterlangen Messer für Industriemaschinen kommen dagegen in einen Edelstahlbottich: Sie werden in zwei Graden abgeschliffen, damit sie wieder mühelos Kartonage oder Papier zuschneiden können. Sobald die Messer geschärft sind, werden diese wieder in ihre Holzkisten verpackt: Sie schützen das Blatt beim Transport.
Hauptsächlich sind es aber Scheren und Messer, die zu Sautters in die Werkstatt gebracht werden. »Für die Wellenschliffe der Messer gibt es entsprechend gewellte Schleifsteine, damit sie die Form behalten«, erzählt Sautter.
Als nächstes wartet das Scherenbrett auf ihn. Ob das Aufbewahrungsbrett eine hauseigene Erfindung ist, kann Sautter nicht sagen; aber es hat sich bewährt. 20 Scheren finden darauf Platz. An deren Griffen ist mit Paketschnur eine Marke befestigt, mal rund, mal eckig. »Der Kunde hat das Gegenstück dazu«, sagt Sautter. Er beginnt, die Scheren aufzuschrauben. Oft reicht der Schraubendreher, aber es gibt auch hartnäckige Fälle. Diese nimmt er in den Zwingstock. Die Schrauben und Gegenstücke, die gelöst werden, kommen in die Mulde auf dem Scherenbrett, die beiden Scherenblätter legt er dazu.
Stickscheren, Haushaltsscheren, Stoffscheren, Friseurscheren – gleich werden sie wieder wie neu sein. Das ist im Sinne der Nachhaltigkeit, früher war es an der Tagesordnung, und auch heutzutage bringen die Kunden ihre Schneidware in die Messerschleiferei. »Günstiger als neu zu kaufen ist es allemal.«
Stahl schlägt richtig Funken
Sautter schaltet den Schleifstein an, das Geräusch der Rotation übertönt das Radio, das in der weitläufigen Werkstatt für Unterhaltung sorgt. Sobald er das Scherenblatt ansetzt, sprühen die Funken wie bei einer Wunderkerze. Wie viele, ist ausschließlich vom Material abhängig. »Stahl hat mehr Kohlenstoff, da funkelt es mächtig«, sagt der Schneidwerkzeugmechaniker. Bei Edelstahl falle der Funkenflug dagegen etwas geringer aus. Doch er hat keinen Sinn für den Sternenregen, er konzentriert sich auf das Schneidblatt: Da noch ein bisschen, hier noch ein wenig fester drücken – er schaut prüfend. Eine Flasche mit Wasser steht bereit. Aber sie ist nicht für den Menschen, der arbeitet, sondern fürs Metall. Einige der Maschinen haben die Wasserversorgung integriert.
Sautter greift nun nach einem kleinen Lederlappen, um seine Finger vor der Hitze zu schützen. Der Griff werde selten warm, doch das Scherenblatt erhitze sich stark, weiß der Fachmann. »Ich muss aber mit beiden Händen festhalten«, erklärt er. Die Kraft der Rotation erfordert dies – es würde ihm die Schere sonst im wahrsten Sinne des Wortes um die Ohren hauen. Um präzise weiterarbeiten zu können, braucht Sautter den kleinen Lappen, der gleichzeitig Schnitte abhält.
Besonderes Augenmerk legt der Profi auf das Gelenk der Schere. Dort runden sich manchmal die Ecken ab. »Dann hakt es beim Schneiden.« Am liebsten verwendet er deshalb seinen Schleifstein mit der geraden Kante am Rand. »Damit kann ich es wieder korrigieren.«
Noch bevor er selbst testet, ob die Scherenblätter auch richtig scharf geworden sind, zeigt sie die Qualität seiner Arbeit: Beim Polieren lässt das Polierrad Haare – skalpiert vom frisch geschliffenen Scherenteil. Für Sautter ist es jedes Mal eine Freude, wenn alles wieder wie neu aussieht: Im frisch aufbereiteten Metall spiegeln sich die Leuchten, die über der Maschine angebracht sind.
Jetzt geht es zur Werkbank zurück. Das Radio ist wieder zu hören, aber Sautter konzentriert sich auf die kleinen Unterlagsscheiben: »Damit läuft die Schere besser.« Er sucht die passende aus, montiert sie zwischen die Schrauben. Zum Schluss ist nochmal Präzision gefragt. Ein Minitröpfchen Öl soll von einem Metallstab an die passende Stelle appliziert werden. So, dass das Gelenk dann leicht läuft, es aber nicht ans Schneidgut gelangt. »Es muss unbedingt harzfrei sein«, sagt er.
Nein, ernstlich verletzt hat er sich noch nie. Natürlich bleiben Ritzer nicht aus, wenn man mit frisch geschliffenen Klingen hantiert. Doch während der Laie meint, die Schärfe einer Klinge prüfen zu können, indem er quer zum Blatt darüber fährt, geht Sautter beim Test kein Risiko ein: Er hat seine eigene Methode. Er nimmt alte Stoffstücke undsetzt die Schere an. »Sie muss bis zur Spitze vorn schneiden.« Schnipp, schnapp. Sautter ist zufrieden.