Toter Wolf schreckt die Ortenau auf
Ist der Wolf zurück in der Ortenau? Das legt der Fund eines überfahrenen Tiers am Rand der A5 bei Lahr nahe. Die Behörden leiten vorsorglich ein landesweites Aktionsprogramm ein. Tierschützer freuen sich darüber, dass die Raubtiere durch den Schwarzwald streifen könnten – doch die Schäfer sind entsetzt.
Der Wolf ist offenbar in die Ortenau zurückgekehrt: Am vergangenen Montag haben Arbeiter der Straßenmeisterei am späten Nachmittag einen Tierkadaver am Rand der Autobahn A5 südwestlich von Lahr gefunden. »Äußerlich spricht alles dafür, dass es sich um einen Wolf handelt«, sagte der Wildbiologe Micha Herdtfelder von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) Baden-Württemberg im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse.
Das überfahrene Tier sei männlich und habe die Größe eines Schäferhundes. Das spreche dafür, dass es sich um ein Jungtier handelt. Wie lange der mutmaßliche Wolf vor seinem Tod in der Ortenau unterwegs war, ist unklar. »Womöglich war er schon wochenlang unbemerkt in Baden-Württemberg«, sagte Herdtfelder.
Jetzt sind die Behörden am Zug. Ein Leitfaden des Landes legt genau fest, wie bei der Sichtung eines Wolfs vorzugehen ist. Beim Fund eines toten Tiers wird der Wildtierbeauftragte der betroffenen Landkreise oder – wie im Fall des Funds an der A5 – die FVA informiert. Deren Experten stellen den Kadaver sicher und nehmen eine erste Bestimmung der Tierart vor.
Erhärtet sich der Verdacht, dass es sich um einen Wolf handelt, startet eine Reihe von Untersuchungen. So wurden Kadaver von der A5 an das Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin abgegeben, wo Art, Alter und Gesundheitszustand bestimmt werden.
Noch wichtiger ist laut Herdtfelder die genetische Untersuchung. »Durch die Analyse können wir feststellen, woher genau das Tier stammt«, sagte Herdtfelder. »Wir rechnen bis Ende übernächster Woche mit einem endgültigen Ergebnis.« Sollte es sich definitiv um einen Wolf handeln, tritt eine Koordinationsgruppe zusammen, in der neben den zuständigen Naturschutzbehörden auch Naturschutz-, Jagd- und Landnutzerverbände vertreten sind.
»Nachtaktiv und scheu«
Wie die Mittelbadische Presse berichtete, erwarten Experten schon länger die Rückkehr des Wolfs in die Ortenau. Sowohl im Elsass und in der Schweiz als auch in Nord- und Ostdeutschland ist das Raubtier mittlerweile beheimatet (siehe Hintergrund). Der bislang letzte Wolf in Baden wurde 1882 im Hotzenwald geschossen.
»Mit dem Fund nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass Wölfe in die Ortenau einwandern«, erklärte Matthias Saecker, Wildtierbeauftragter im Ortenaukreis. Gefahren für Menschen sieht er nicht. Der Wolf sei ein nachtaktives und scheues Tier. »Sie würden sich in den höheren Lagen des Schwarzwalds ansiedeln.«
Tierschützer freuen sich über den möglichen Rückkehrer. »Ich kann den Tag, an dem ich im Schwarzwald den ersten wilden Wolf sehe, kaum erwarten«, sagte Rüdiger Schmiedel vom Wolf- und Bärenpark Schwarzwald. Er forderte, die Bevölkerung mit dem Thema zu konfrontieren. »Wer jetzt anfängt, sich auf den Wolf vorzubereiten, hat weniger Ärger, wenn er tatsächlich da ist.«
Schäfer sind entsetzt
Die Schäfer sehen das naturgemäß anders. »Ich hätte nicht gedacht, dass der Wolf so schnell kommt«, sagte Reinhard Bischler, der in Gengenbach 350 Schafe hält. Er wisse nicht, wie er seine Herde schützen soll. Abwehrzäune seien als Gegenmaßnahme unzureichend, Hirtenschutzhunde zu teuer und kompliziert in der Haltung. Dabei seien Schafe essentiell zur Offenhaltung der Flächen im Kinzigtal.
Wölfe breiten sich weiter aus
Lange war der Wolf in Deutschland ausgerottet. Mittlerweile leben wieder rund 30 Rudel, vier Paare und vier Einzeltiere in bislang 38 Territorien in Deutschland. Damit sind bundesweit vermutlich etwa 300 freilebende Tiere unterwegs. Dazu kommen die in den vergangenen Wochen geborenen Welpen – im Schnitt fünf pro Rudel. Die meisten Wölfe ziehen durch Sachsen und Brandenburg.In Europa leben nach Angaben des World Wide Fund for Nature (WWF) mehr als 10 000 Wölfe, auch im Elsass und der Schweiz. Die Tiere sind in Deutschland geschützt und dürfen nicht gejagt werden