Ortenau
Vom Hörsaal auf direktem Weg in den Chefsessel nach Brüssel
Kay Wagner
14. April 2008
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Der Kehler Fachhochschul-Student Florian Domansky leitet seit erstem März das Europabüro der Baden-Württembergischen Kommunen in Brüssel. Dabei muss der gebürtige Schwabe auch noch seine Masterarbeit fertig stellen. Und mit dem Mangel an gutem Brot zurechtkommen.
Brüssel. Was ihm hier aus seiner Heimat fehle? Florian Domansky überlegt kurz. Dann sagt er, halb verschmitzt und fast ein wenig verlegen: »Ich muss schon zugeben: so ein richtig gutes Brot.« Als ob man sich für eine solche Antwort schämen müsste.
Denn es ist ja kein Geheimnis, dass es in Brüssel zwar zarte Schokolade, gute Waffeln und knusprige Pommes Frites mit frischen Muscheln als geschätzte lokale Spezialitäten gibt, es die Brotkultur jedoch kaum mit derjenigen aus deutschen Landen aufnehmen kann.
Aber damit muss der Kehler Student nun zurecht kommen. Hat es sich doch ergeben, dass er im Anschluss an ein Praktikum gleich in Belgiens Hauptstadt geblieben ist. Die Bewerbung auf einen ersten Job war erfolgreich, und so ist Domansky seit erstem März der neue Leiter des Europabüros der Baden-Württembergischen Kommunen bei der EU in Brüssel. Vom Hörsaal direkt in den Chefsessel. Eine Traumkarriere.
Zugegeben: Das Büro besteht hauptsächlich aus ihm selbst. Was jedoch nicht heißt, dass die Verantwortung gering wäre. Immerhin vertritt der junge Mann die Interessen der kommunalen Landesverbände in Baden-Württemberg gegenüber den EU-Einrichtungen in Brüssel. Alles andere als ein Zuckerschlecken.
»Eine Art Zwangsehe«
»Ich vermittele in einer Art Zwangsehe«, sagt Domansky. Denn »wenn man den gegenwärtigen Stellenwert der kommunalen Selbstverwaltung in den EU-Verträgen betrachtet, kann man nicht gerade von einer Beziehung sprechen, die von gegenseitiger Achtung geprägt ist«, fügt er hinzu.
Das Funktionieren der Kommunen, die Belange der Gemeinderäte und Kreistage, die in Deutschland sehr bedeutend in der Verwaltungshierarchie sind, würden in der EU häufig nicht verstanden. Vielen Mitarbeitern bei der EU seien diese Strukturen fremd, weil sie sie aus ihren eigenen Ländern her nicht kennen. »Eins unserer Dauerthemen ist zum Beispiel der Kampf um den Erhalt der interkommunalen Zusammenarbeit, beispielsweise in Form von Zweckverbänden«, erzählt der Jung-Chef im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse. In ausdauernder, täglicher Überzeugungsarbeit versucht Domansky also, in den Brüsseler EU-Büros die Positionen der kommunalen Ebenen aus baden-württembergischer Sicht zu erklären.
Dabei kommt ihm sicherlich zugute, dass er als Student einer badischen Hochschule auch den schwäbischen Teil des Landes gut kennt. In Weilheim an der Teck verbrachte er Kindheit und Jugend. Schon früh interessierte er sich für kommunale Anliegen, ging als Schüler von Haus zu Haus, um dort für die Gemeinde die Wasserzähler abzulesen.
Die Wahl, für sein Studium zum Diplomverwaltungswirt für den gehobenen Verwaltungsdienst seiner Heimat den Rücken gekehrt zu haben, hat Domansky nie bereut. Der »Wilde Westen«, wie er Baden nennt, ist für ihn heute gleichbedeutend mit dem Schritt in ein eigenständiges Leben, dem Kennen- und Schätzenlernen der badisch-elsässischen Küche dem Blick über den Rhein nach Frankreich, dem Miterleben des Entstehungsprozesses eines Eurodistrikts Kehl-Straßburg. Ein Gemisch aus lokalen und internationalen Erfahrungen eben, die er auch während seiner Praktika in Karlsruhe und Ulm, Hermannstadt in Rumänien, Kapstadt in Südafrika und zuletzt eben in Brüssel immer wieder gesucht hat.
Traum-Job gefunden
Deshalb wundert es auch nicht, dass er sich auf seinen jetzigen Posten beworben hat. »Ich habe immer gesagt, dass mein Traum-Job entweder die europäische Ebene mit kommunalen Aufgaben oder die kommunale Ebene mit europäischen Aufgaben verbinden sollte.« Etwas viel besseres als das Europabüro hätte ihm da wohl kaum passieren können.
Allerdings muss der Exil-Ortenauer jetzt eine Doppelbelastung aushalten. Für den Abschluss seines Aufbaustudiengangs Europäisches Verwaltungsmanagement möchte die FH Kehl noch eine Masterarbeit sehen. Eine Herausforderung, der sich Domansky gerne stellt. Und bei der ein kräftigendes Schwarzbrot, das ab und zu im Gepäck der Familie oder der Freundin den Weg nach Brüssel findet, stets eine willkommene Unterstützung ist.