Warum es sinnvoll ist, sich auf HIV testen zu lassen
»Positiv zusammen leben«: Die AIDS-Hilfe Ortenau hat zum Welt-Aids-Tag am 1. Dezember über die Angst sich testen zu lassen gesprochen und das Vorurteil »Durch Flüchtlinge steige die Aidsrate« revidiert.
»Mit HIV komm ich klar. Mit Ablehnung nicht«, lautet der Slogan auf einem Plakat der Kampagne »Positiv zusammen leben« der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Welt-Aids-Tag morgen. »Ein dummer Spruch reicht schon, um einen HIV-Erkrankten einzuschüchtern«, war auch Gerhard Lipps der Beratungsstelle für »sexuell übertragbare Krankheiten und Aids« bei der Pressekonferenz der AIDS-Hilfe Ortenau am Montag überzeugt. Vorurteile müssten in der Gesellschaft immer noch abgebaut werden. Allerdings sei die Situation nicht vergleichbar mit früher.
»Seit 1996 gibt es Medikamente, mit denen HIV-Infizierte auf eine normale Lebenserwartung hoffen können«, erläuterte Lipps. »Wir machen Fortschritte«, merkte auch Ullrich Böttinger, Leiter des Amtes für Soziale und Psychologische Dienste an. Das bedeute: Aids-Patienten und HIV-Infizierte in Deutschland leben länger. Dennoch betonte Lipps, der zu den sieben Gründungsmitgliedern der AIDS-Hilfe, die 1989 gegründet wurde, zählt: »50 Prozent der HIV-Infizierten weltweit haben keinen Zugang zu Medikamenten.«
Laut den geschätzten Zahlen des Robert Koch-Instituts in Berlin haben sich 280 Menschen im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg neu infiziert (Bereits infiziert sind 9 400 Menschen). Deutschlandweit gibt es 85 000 HIV-Infizierte und 3200 neu infizierte. Konkrete Zahlen, wie viele HIV-Infizierte in der Ortenau leben, gebe es hingegen nicht.
Ein großes Problem ist laut Jürgen Schwarz der AIDS-Hilfe Ortenau immer noch die Angst, einen HIV-Test überhaupt zu machen und sich dem Ergebnis zu stellen. »500 Menschen aus der Ortenau haben 2015 einen Test bei der AIDS-Hilfe gemacht«, erzählt er. Drei positive Befunde waren das Ergebnis.
Aufklären und beraten
Auffällig sei, dass die Zahl der HIV-Infektionen in den vergangenen Jahren stagniere. Betroffen sind weit mehr Männer als Frauen. Um präventiv zu arbeiten, will die AIDS-Hilfe Ortenau einmal im Monat HIV-Tests anonym und kostenlos anbieten (siehe Kasten). »Wir müssen aufklären, beraten und die Hemmschwelle verringern«, betonte Lipps und wünscht sich, dass die Zahl der Tester steige, um vorbeugend zu arbeiten.
Zirka 12 600 Menschen in Deutschland wüssten nicht, dass sie mit dem HI-Virus infiziert seien. Das Vorurteil, dass durch Flüchtlinge die Aidsrate in der Ortenau steige, könne Böttinger nicht bestätigen: »Es gibt keine Veränderungen bei den Zahlen.«
HIV sei nicht heilbar, aber mit Mut zu einem Test könnten die Lebenschancen im Falle einer Infektion erhöht werden, waren sich am Montag die Experten alle einig.
Welt-Aids-Tag: Veranstaltungen im Landkreis
Um Vorurteile gegenüber HIV-Infizierten abzubauen, gibt es in der Ortenau bestimmte Aktionen:
1. Dezember, 19 Uhr: Thile Kerkovius, ehemaliger Leiter des Hospizes Maria Frieden in Oberharmersbach, hält einen Vortrag zum Thema »Sterbehilfe und assistierter Suizid – Schlussakt im Lebensmanagement?« in der AIDS-Hilfe, Malergasse 1, Offenburg.
3. Dezember, 22 Uhr: Red-Ribbon-Party (Rote-Schleife-Party) im Gayclub »Tabu«, Hauptstraße 102, Offenbug. An dem Abend gibt es eine Spendenübergabe an die AIDS-Hilfe Offenburg.
7. Dezember, 18 bis 20 Uhr: In Kooperation mit der Beratungsstelle für »sexuell übertragbare Krankheiten und Aids« des Landratsamts führt die AIDS-Hilfe Tests auf HIV, Syphilis und Hepatitis B und C anonym und kostenlos in der Offenburger Malergasse 1 durch. Das Testangebot soll laut Jürgen Schwarz der AIDS-Hilfe in Zukunft einmal im Monat angeboten werden.
Daten und Fakten
• Weltweit leben etwa 36,7 Millionen Menschen mit HIV.
• Pro Jahr kommt es zu ca. 2,1 Millionen Neuinfektionen, davon etwa 240.000 bei Kindern.
• Weltweit haben bislang nur etwa 46 Prozent der Betroffenen Zugang zu den lebensnotwendigen Medikamenten.
• Seit Anfang der 1980er Jahre bis 2013 haben sich etwa 78 Millionen Menschen mit HIV infiziert; 39 Millionen Menschen sind bereits an den Folgen gestorben, 2015 waren es weltweit etwa 1,1 Mio. Menschen.
• Mit fast 70 Prozent aller HIV-Neuinfektionen ist Afrika südlich der Sahara am stärksten betroffen.
• In Ost-Europa und Zentralasien ist die Zahl der Neuinfektionen deutlich gestiegen, 2015 allein um 190.000.
• In Deutschland leben heute rund 85.000 Menschen mit HIV. • Etwa 30.000 Menschen sind bisher in Deutschland an den Folgen von AIDS gestorben.
Quelle: UNAIDS; Robert Koch-Institut