Wasim Kinefss: Vom Flüchtling zum katholischen Mesmer
Wasim Kinefss vereint viele Identitäten in sich: Syrer, Christ, ehemaliger Flüchtling – und Deutscher. Der 47-Jährige arbeitet heute als Mesmer in der Weingartenkirche in Zell-Weierbach. An Ostern erinnert er sich an die katholischen Bräuche in seiner Heimat.
Die Karwoche muss für Wasim Kinefss die Hölle sein, zumindest was das Arbeitsaufkommen anbelangt. Der 47-Jährige gebürtige Syrer und ehemalige Flüchtling ist Mesmer in der Weingartenkirche in Zell-Weierbach. Er hat alle Hände voll zu tun, denn gerade laufen die letzten Vorbereitungen für den Gründonnerstags-Gottesdienst. Kinefss blickt aus der Tür zur Sakristei im Chorraum, läuft mit federnden Schritten vorbei am Altar, und setzt sich in eine der vorderen Kirchenbänke.
»Seit heute Morgen, sieben Uhr, bin ich in der Kirche«, erzählt er. »Ich habe für die Fußwaschung zwölf Handtücher bereitgelegt, eine Kanne und eine Schale.« Das Ritual soll daran erinnern, dass Jesus während des letzten Abendmahls seinen Jüngern die Füße gewaschen hat. »Später muss ich noch die Stühle vor den Altar stellen.«
Seit sieben Jahren versieht Kinefss die Funktion des Mesmers in der Kirche mit Blick auf die Weinberge. Wenn der Priester im Gottesdienst der wichtigste Akteur ist, so ist der Mesmer Regisseur und Bühnenbildner in einem. Sorgsam platziert der 47-Jährige Kerzen und Tücher, das grüne Polohemd dabei akkurat in die Hose gesteckt. Doch sein Weg bis hierher war nicht selbstverständlich, und erst recht nicht leicht.
»Katholisch bis heute«
»Ich bin in einem Dorf bei Damaskus geboren«, erzählt er. Ein Dorf, dessen Bewohner allesamt Katholiken gewesen seien. In Syrien ist das kein Einzelfall, zehn Prozent der Bevölkerung sind Christen, die sich aus einem Gemisch verschiedener Konfessionen und Traditionen zusammensetzen. 1997 floh Kinefss nach Deutschland. Der Grund sei »privat« gewesen, mehr will er nicht sagen. In seinem Heimatdorf lebe noch seine Mutter. »Katholisch sind dort bis heute alle, trotz des Kriegs, aber von dem haben sie bislang nicht viel mitbekommen, auch ich nicht, als ich 2016 dort zu Besuch war. Man hört ihn nur aus der Ferne.«
Die Erinnerungen, die Kinefss an die Karwoche und Ostern in Damaskus hat, ähneln in vielem den deutschen Gewohnheiten, der einheitlichen Liturgie der katholischen – »weltumspannenden« – Kirche sei Dank: Fußwaschung an Gründonnerstag, Osterfeuer am Karsamstag, Festgottesdienste an den Ostertagen – all das werde von Katholiken auch in Syrien gefeiert. Aber es gibt sie, die kleinen Unterschiede.
In die Kirche, erzählt Kinefss, gehen zu Ostern geschlossen alle Christen. Besonders an Gründonnerstag. Da sei es Brauch, insgesamt sieben Pfarreien zu besuchen. »Damit erinnern die Gläubigen an die sieben Stationen Jesu auf dem Kreuzweg.« Steht keine weitere katholische Kirche in der Nähe, gehe man eben zu den Orthodoxen oder Protestanten. Alles kein Problem, sagt Kinefss. Schwierigkeiten habe es auch mit den muslimischen Nachbarn nicht gegeben. »Vor dem Krieg, standen Kirchen neben Moscheen, wir kamen miteinander aus.«
Zwiebeln zum Eierfärben
Karsamstag ist in Syrien der Zeitpunkt, an dem Eier gefärbt werden. »Früher, in meinem Heimatdorf, hat man dafür Zwiebelschalen verwendet, es gab keine künstlichen Farbstoffe. Die Eier wurden hellbraun«, erinnert sich der 47-Jährige. Am Ostersonntag komme die Familie zusammen: Großeltern, Eltern und Enkel. Essen spielt dabei eine wichtige Rolle. »Es gibt Reis, darauf Nüsse, grüne Bohnen und Rinderhackfleisch. Oder gebratene Hühnchen, gefüllt mit Reis.«
All das sind Erinnerungen, die lange zurückliegen. Damals, nach der Flucht, musste Kinefss kämpfen, damit sein Asylantrag anerkannt wurde. Seither hat sich sein Leben gewandelt. Er hat in Deutschland geheiratet, wurde Vater von vier Kindern, alle gehen in Offenburg aufs Gymnasium. »Ich fühle mich als Deutscher«, sagt er. Und wie zum Beweis greift der 47-Jährige zur Geldbörse, zieht seinen deutschen Ausweis heraus – und strahlt.