»Fall Marco Dürr spaltet Feuerwehr«
Weil er auf dem Weg zu einem Einsatz zu schnell unterwegs war, wurde Feuerwehrmann Marco Dürr bestraft. Für einige Kommandaten der Ortenauer Feuerwehren steht fest: Lieber an die StVO halten, als im Nachhinein Probleme zu bekommen.
»Der nächste Brandtote geht auf Ihre Kappe«, schrieb Berthold Maier jüngst in einem Leserbrief in der Mittelbadischen Presse. Der ehemalige Kommandant der Offenburger Feuerwehr ging dabei auf das Urteil gegen Marco Dürr ein. Der heute 31-Jährige war am 6. Mai 2015 um 14.30 Uhr mit seinem Privatwagen zu einem Feuerwehreinsatz unterwegs, weil die Offenburger Wehr wegen Rauchentwicklung in der Offenburger Lebenshilfe alarmiert worden war.
Pech nur für Dürr, dass er in seinem Privatwagen in der Kinzigstraße mit Tempo 89 geblitzt wurde, 39 km/h zu viel. Eigentlich hätte er dafür zwei Punkte und 80 Euro Bußgeld bekommen. Dagegen zog er vor das Amtsgericht, doch Richterin Eva Weckert erließ ihm nur einen Punkt. Berthold Maier kann das nicht nachvollziehen und redete dem Gericht ins Gewissen.
"Im Kollektiv"
Sein Nachfolger in Offenburg, Peter Schwinn, hat die Direktive der Stadt, wegen des schwebenden Verfahrens keine Auskunft zum Fall Dürr zu geben. Dieser hat Rechtsbeschwerde beim Oberlandesgericht Karlsruhe eingelegt, wie er sagte, nicht aus eigenem Interesse, sondern um bei zukünftigen Einsätzen Rechtssicherheit für seine Kameraden zu schaffen.
Schwinn sagte aber, dass kein Einzelner für das Überleben von Personen in Notsituationen verantwortlich ist. Für einen Einsatz, bei dem 18 Feuerwehrleute benötigt werden, würden etwa 40 alarmiert. »Wir handeln im Kollektiv«, sagte Schwinn.
Dreimal so viele
Ähnlich sieht das der Wolfacher Feuerwehrkommandant Christoph Mayer. »Es werden pro Einsatz immer etwa dreimal so viele Kollegen wie benötigt alarmiert.« Er findet es gut, dass über die knappe Zeit bei der Fahrt zum Einsatz öffentlich berichtet wird: »Das Problem ist seit der Grundausbildung allgemein bekannt.« Jungen Kollegen wird daher zu Beginn ihrer Ausbildung gesagt: »Haltet euch an die Straßenverkehrsordnung.«
Dass jemand nach der Alarmierung zu schnell zum Einsatzort fahre, könne sogar unbewusst passieren. »Durch den Adrenalinschock kann es vorkommen, dass man die Geschwindigkeit überschreitet und das gar nicht merkt«, sagt Mayer. Dürrs Geschwindigkeitsübertretung von 39 Stundenkilometern könne er aber nicht nachvollziehen.
"Spaltet Feuerwehrwelt"
Für den Acherner Kommandanten Michael Wegel ist Dürr schlicht zu schnell gefahren. Der Fall sei aber einer, der »die Feuwehrwelt derzeit spaltet«. Die Frage, wie man Ehrenamtliche bestraft, sei kontrovers und nicht einfach zu beantworten. Seinen Kollegen rät Wegel, »mit gegebener Vorsicht« an das Gerätehaus zu fahren. »Man kann vielleicht etwas zu schnell sein, aber es sollte niemand gefährdet werden«, sagte er. Ziel sei es, innerhalb von zehn Minuten nach Alarmierung am Einsatzort zu sein. In Baden-Württemberg sei das aber nicht festgeschrieben.
Auch das Technische Hilfswerk kennt das Problem, ergänzte der Lahrer Ortsbeauftragte Dieter Lehmann: »Wie schnell jemand fährt, liegt immer im Ermessen des Helfers.« Eine Lösung könnte ein Blaulicht für die privaten Autos der Helfer sein – zumindest der Ortsbeauftragten und Kommandanten. Das ist bislang aber einzig im Bundesland Bayern möglich.
Sonderrechte der Feuerwehr
Laut Straßenverkehrsordnung (StVO) Paragraph 35 Absatz 1 stehen Mitgliedern der Bundeswehr, der Bundespolizei, dem Zolldienst, des Katastrophenschutzes und der Polizei Sonderrechte zu. Dasselbe gilt auch für Angehörige der Feuerwehr.
Die dürfen nach einem Alarm mit ihren privaten Autos schneller zur Wache fahren, als es die StVO erlaubt. Allerdings muss eine Gefährdung Dritter ausgeschlossen sein. Sollte es zu einer Geschwindigkeitsübertretung kommen, dürfen andere Verkehrsteilnehmer nicht zu Schaden kommen.
Da die Formulierung aber nicht eindeutig ist, verzichten viele Feuerwehrleute aus Unsicherheit auf die Inanspruchnahme dieser Rechte. So wie das einige Ortenauer Feuerwehrkommandanten raten.