Ortenau

Wird den Gewinnspiel-Piraten jetzt das Handwerk gelegt?

Jürgen Rohn
Lesezeit 5 Minuten
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24. September 2004
Millionen von Menschen fallen trotz aller Warnungen immer wieder auf dubiose Gewinnspiel-Zusagen herein. Eine kompliziert verschachtelte Branche verdient sich eine goldene Nase mit dem Geschäft. Doch jetzt gibt es unverkennbare Anzeichen dafür, dass die Justiz ernst macht.
Offenburg/Oberkirch. Weil eine ganze Reihe von Dienstleistungsfirmen der Telekommunikationsbranche und des Versandgeschäfts in der Ortenau beheimatet ist, landen immer mehr Zivilverfahren vor den Ortenauer Gerichten. In den Zivilkammern des Landgerichts häufen sich in diesen Wochen die Prozesse. In allen Fällen wollen »Opfer« dieser Branche ihre zugesagten Gewinne einklagen. Es geht immer um die übliche Masche: Entweder haben die Verbraucher Waren bestellt, um den angekündigten Gewinn zu erhalten. Oder aber sie mussten sich über eine teure 0190er-Nummer melden und wurden mit 1,86 Euro pro Minute abkassiert. Vom Gewinn - meist lukrative Geldbeträge - sehen die über den Tisch gezogenen »glücklichen Gewinner« nichts. Wer ist Versender? Bereits am 2. September hat das Amtsgericht Oberkirch ein solches Verfahren (Aktenzeichen 1C230/3) mit einem viel beachteten Urteil abgeschlossen, das allerdings noch nicht rechtskräftig ist, weil die verurteilte Firma in die Berufung gegangen ist. Auch dieses Verfahren wird damit beim Offenburger Landgericht landen. Beklagt war die Renchener Firma »Mailbase Direct-Marketing GmbH« (Geschäftsführer Dirk Oberle). Wie üblich in diesen Fällen argumentierte auch die Renchener Firma, sie sei nicht Versender der Gewinnzusagen gewesen, sondern die Firmen »Classee B.V«. und »Bellador B.V.« in den Niederlanden. In Renchen sei man lediglich als Dienstleister für diese Firmen tätig geworden. Mit diesem Argument sind bundesweit schon viele Klagen erfolgreich abgeschmettert worden. Nicht so in Oberkirch. Der Oberkircher Amtsrichter nämlich interpretierte den Paragraphen 661 a BGB so, dass Absender auch derjenige sei, »der die tatsächliche Versendung der Mitteilung in Kenntnis ihres Inhalts durch einen Dritten veranlasst oder gebilligt hat«. Des Weiteren kam das Gericht zu der Überzeugung, dass zwischen der Firma »Mailbase Direct-Marketing GmbH« sowie Classee B.V. und Bellador B.V. »ganz enge wirtschaftliche Verflechtungen bis zur wirtschaftlichen Identität bestehen«. Strohmänner Diese These des Klägers wurde in Oberkirch in einer Beweisaufnahme untersucht und verfestigt. So wurde festgestellt, dass als Verantwortliche der holländischen Firmen Strohmänner aus Polen und der Schweiz fungierten und dass die angeblichen Versender selbst nicht erkennbar tätig wurden. 4400 Euro plus Zinsen Im Oberkircher Urteil heißt es dazu, dass es »sogar unstreitig« sei, dass die Versendungen »durch eine Firma Direkt-Pool Datenverarbeitung GmbH« erfolgte, die der gleichen Firmengruppe angehört wie die Beklagte, nämlich der »Oberle AG Marketing Solutions«. Diese Verbindung reichte dem Amtsrichter aus, die Renchener Firma zur Ausbezahlung des 2002 versprochenen Gewinns in Höhe von 4400 Euro nebst Zinsen zu verurteilen. Die »Mailbase Direct-Marketing GmbH« hat gegen diesen Spruch Berufung eingelegt. Das Oberkircher Urteil zeigt indes deutlich einen neuen Trend in der Rechtsprechung, nämlich den Versenderbegriff nicht eng, sondern weit auszulegen. Das entspricht einem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 18. Dezember 2003 in einem anderen Fall, das sinngemäß betont, dass es für die Auslegung des Versenderbegriffs darauf ankomme, »wer dem Verbraucher gegenüber aus dessen maßgeblicher Sicht als Versprechender und für die Auskehr des Gewinns verantwortlich Handelnder gegenübertritt«. Die häufig in dieser Branche angewandte Verschleierungstaktik mit Hilfe von Briefkastenfirmen im Ausland wird auf diese Weise von den Gerichten wirkungsvoll unterlaufen. Das dürfte auch das Kernthema einer wahren Flut vergleichbarer Verfahren sein, die derzeit beim Landgericht Offenburg anstehen. Am 14. September begannen vor der Zweiten Offenburger Zivilkammer sechs Verfahren gegen die Offenburger Firma »Mediacom direct GmbH« (MCD). Am kommenden Dienstag wird der Kammervorsitzende verkünden, welche Beweismittel von den Parteien beigebracht werden müssen, damit das Gericht in die Beweisaufnahme eintreten kann. Termine satt bei Gericht Parallel kommen in den nächsten Wochen weitere Verfahren ins Laufen: am 5. Oktober gegen die Offenburger Firma »Top Promotion«, am 29. Oktober, 3. und 19. November weitere Klagen gegen MCD sowie am 25. und 29. Oktober gegen die Schutterwälder »ODD Direct-Dienstleistungen GmbH«. In der Branche löst der Feldzug gegen die Gewinn-Piraterie erkennbare Nervosität aus, zumal auch die Staatsanwaltschaft - die sich derzeit noch bedeckt hält - umfangreich ermittelt. Es wäre keine Überraschung, wenn im Zuge der weiteren Ermittlungen und gerichtlichen Auseinandersetzungen dem ein oder anderen Hintermann eines dubiosen Gewerbes die Maske des Biedermanns vom Gesicht gerissen würde. fs23Wird den Gewinnspiel-Piraten jetzt das Handwerk gelegt? fs11Aufsehen erregendes Urteil des Amtsgerichts Oberkirch / Renchener Firma geht in die Berufung Bei den Zivilprozessen vor der Ortenauer Justiz spielen immer mehr Firmen der Telekommunikationsbranche eine Rolle. Hier eine kleine Übersicht: Die ODD Direct-Dienstleistungen GmbH in Schutterwald ist nach zwei Namens-Metamorphosen aus der 1964 von Hans-Egon Gindorf gegründeten Firma Ompex hervorgegangen. Geschäftsführer der ODD ist Willi Steffen aus Stromberg, Gesellschafter der ODD sind zwei Firmen: die Eurodirect Marketing S.A. in Geispolsheim/Frankreich und die Interwarex AG in Glarus/Schweiz. Diese beiden Firmen gehören zum Imperium von Hans-Egon Gindorf, Yan Dirk Gindorf und Markus Gindorf. Die MCD Telekommunikationsdienstleistungen GmbH hat gesellschaftsrechtlich nichts mit der einstigen Firma Ompex zu tun, ist aber eine Gründung von Gesellschaftern, die zuvor teilweise bei der Ompex beschätigt waren. Gesellschafter der MCD sind zu gleichen Teilen Rolf Heinz Wittmeier, Michael Ludwig Harter und Klaus Ziebold. Michael Harter war bis 5. Juli 2004 Geschäftsführer. Sein Nachfolger ist Thomas Brauner. Die Mailbase Direct-Marketing GmbH in Renchen wird von Geschäftsführer Dirk Oberle geleitet. Die Firma LCV (Lindas Centralversand) in Österreich und Holland, die als Versender von Gewinnbriefen fungiert, wurde von Geschäftsführer Hans Lichtblau (Österreich) vertreten. Post an LCV kommt als unzustellbar zurück. Gesellschafter der LCV ist die Interglobe in der Schweiz. Die Zivilkammer des Offenburger Landgerichts nannte vor zehn Tagen die Namen von Interglobe-Gesellschaftern: Raimund Leber, Rolf Wittmeier, Klaus Ziebold, Michael Harter und Thomas Wolff (Schweiz). Anmerkung der Redaktion: Diese Firmen sind beklagt und/oder Gegenstand von Ermittlungen. Rechtskräftige Urteile gegen sie liegen noch nicht vor.

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