Die Liberalen auf Profilsuche
Der politische Liberalismus in Deutschland ist nicht tot, aber ob er überlebt, ist noch nicht ausgemacht. Die Zukunft von FDP und AfD beleuchtet unser heutiger Gastautor , der Freiburger Politikwissenschaftler Ulrich Eidt, in seinem exklusiven Beitrag für die Mittelbadische Presse.
Der parteipolitische Liberalismus tut sich schwer in Deutschland. Während die Traditionspartei FDP mühsam mit German Mut und »deutschen Froileins« – so die amerikanischen GIs im Nachkriegsdeutschland –die Rückkehr in die Erfolgsspur versucht, tobt in der nationalliberalen Alternative für Deutschland ein selbstzerstörerischer Machtkampf. In beiden Fällen stehen in der öffentlichen Wahrnehmung die inhaltlichen Positionierungen zu weit im Hintergrund.
Die FDP hat immerhin wieder Achtungserfolge vorzuweisen. In den Stadtstaaten Hamburg und Bremen gelang den beiden liberalen Spitzenkandidatinnen eine erste Trendwende. Doch vor der nächsten Bundestagswahl liegen zunächst die Landtagswahlen in den Flächenstaaten Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Es bleibt abzuwarten, ob auch dort wieder respektable Ergebnisse gelingen.
Diese sind aller Erfahrung nach nur mit einem politisch attraktiven Programmangebot zu erzielen. Und hier war auf dem Parteitag der Liberalen wenig Zukunftsweisendes zu hören. Sicher, es ist das Verdienst des Parteivorsitzenden Christian Lindner – und übrigens auch die Voraussetzung eines Wiedererstarkens –, die Partei trotz der schlechten Ergebnisse der letzten Jahre in der Mitte des politischen Spektrums gehalten und allen populistischen Versuchungen entschieden widerstanden zu haben. Von der politischen Attraktivität der sozialliberalen FDP früherer Zeiten sind die heutigen Liberalen dennoch weit entfernt.
Das bekannte wirtschaftsliberale Credo steht nach wie vor im Vordergrund, die Freiheit des Wirtschaftsindividuums und die Begrenzung der Staatstätigkeit. Wieso dann ausgerechnet mehr bundesstaatlicher Zentralismus die Bildungspolitik verbessern soll und warum die Liberalen die rasant anwachsenden sozialen Ungleichheiten in Deutschland nicht stärker aus einer Perspektive der Gerechtigkeit thematisieren, wird auch durch den – von ihnen jetzt geforderten – womöglich bald legalen Konsum von weichen Drogen nicht verständlicher. Kurzum, das Erscheinungsbild der FDP ist jünger und weiblicher geworden. Die programmatische Neuaufstellung ist noch nicht im selben Ausmaß vorangekommen.
Düster sehen die Zukunftsperspektiven der AfD aus. Der Machtkampf zwischen den nationalliberalen Kräften um Bernd Lucke und den Rechtspopulisten um Frauke Petry ist in voller Schärfe entbrannt. Deren Verhältnis ist wohl unwiderruflich zerrüttet. Der Vorsitzende Lucke wird die politischen Geister am rechten Rand nicht mehr los, die im Osten Deutschlands immerhin zweistellige Wahlerfolge eingefahren haben. Und andererseits wird eine rechtspopulistische AfD ohne die Zugpferde Lucke, Starbatty oder auch Henkel kaum noch bürgerliche Wählerkreise erreichen können.
Politisches Talent und Geschick zeigen sich insbesondere in der Krise. Weder mit professoraler Attitude noch mit einem instrumentellen Verhältnis zum Rechtspopulismus lässt sich auf Dauer eine Partei erfolgreich führen. Es rächt sich nun, dass Lucke rechtslastigen Kreisen so viel Raum überlassen hat. Sie haben die AfD von einer Euro-skeptischen Partei zu einem bunten Sammelbecken konservativer und rechtspopulistischer Kräfte werden lassen, zur parlamentarischen Vertretung der Pegida-Bewegung. Das mag in Teilen Ostdeutschlands für einige Prozentpunkte bei Wahlen reichen. Im Westen hingegen konnte bislang noch keine Partei mit rechtspopulistischem Ausleger längerfristige Erfolge erzielen, zumal mit derart zerstrittenem Personal.
FDP und Union werden sich von der Selbstzerlegung der AfD politische Gewinne versprechen. Diese jedoch werden sich nur einstellen, wenn die dem bisherigen Erfolg der AfD zugrunde liegenden Probleme breiter diskutiert und politisch effektiver angegangen werden. Auch ehemalige Protestwähler wollen und müssen in ihren Anliegen von den Parteien zunächst ernst genommen werden.