Interview der Mittelbadischen Presse

»Früher haben sich die Leute mehr getraut«

Cornelia Wystrichowski
Lesezeit 5 Minuten
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26. Juli 2014

Sandra Maischberger. ©ARD

Sie gehört zu den erfahrensten Talkprofis im deutschen Fernsehen, jetzt bekommt Sandra Maischberger mit »Ich stelle mich« ein neues Projekt. Die Mittelbadische Presse sprach mit ihr darüber.

Frau Maischberger, es gibt schon viele Gesprächssendungen im Fernsehen. Wieso steuern Sie jetzt noch eine zusätzliche bei?
Sandra Maischberger: Das, was wir da tun, gibt es so noch nicht. Es ist wirklich selten im deutschen Fernsehen, dass ein einzelner Gast 60 Minuten Zeit bekommt, um vorgestellt zu werden. Und die Sendung ist sehr abwechslungsreich: Es passieren Dinge, die für den Gast überraschend sind, es kommen Freunde dazu, es kommen Gegner dazu.
Heiner Lauterbach, Günter Wallraff, Sahra Wagenknecht und Wolfgang Bosbach: Nach welchen Kriterien haben Sie die Gäste ausgewählt?
Maischberger: Wir waren auf der Suche nach Menschen, die etwas zu erzählen haben, und deren Leben vielleicht auch Brüche hat, wie bei Heiner Lauterbach etwa.
Hat er bei der Aufzeichnung der Sendung denn auch offen über diese Brüche gesprochen?
Maischberger: Wir haben einen alten Freund von ihm eingeladen, von dem er nicht wusste, dass er kommt – jemand, der ihn in der wilden Zeit seines Lebens begleitet hat. Das steigert die Auskunftsfreude ungemein, wenn da jemand sitzt und selber aus seiner Warte von den gemeinsamen Sauftouren erzählt und von der Zeit, wo man morgens aufwachte und nicht wusste, wo man war. 
Kommen auf Ihre Gäste auch fiese Aktionen zu? »Ich stelle mich« ist ja die Neuauflage eines TV-Klassikers mit WDR-Urgestein Claus Hinrich Casdorff, der seinen Gästen Aufgaben stellte. Der damalige Bahnchef Heinz Dürr etwa scheiterte, als er sich am Bahnhof ein Fami-lienticket lösen sollte.
Maischberger: Fies sind die Aufgaben nicht – sie müssen mit der Persönlichkeit zu tun haben. Um ein Beispiel zu nennen: Es gibt viele Seiten an Günter Wallraff, die man kennt. Was viele nicht wissen ist seine beinahe manische Passion fürs Tischtennis, er entwickelt darin einen unglaublichen Ehrgeiz. Er hat eine Platte zu Hause, und selbst wenn er Menschen wie Wolf Biermann oder Salman Rushdie bei sich beherbergte oder versteckte, mussten die mit ihm Tischtennis spielen. Wir haben ihm den ehemaligen Profi und aktuellen Bundestrainer Jörg Roßkopf als Gegner hingestellt, gegen den musste er sich beweisen. Für seine 71 Jahre ist er unglaublich sportlich.
Haben Sie auch mit ihm Tischtennis gespielt?
Maischberger: Nein, dazu reichte die Zeit dann doch nicht. Aber es war schön, Wallraff in einer völlig anderen und auch für den Zuschauer ungewohnten Art zu erleben. Weil Sie mich vorhin fragten, ob ein solches Format nötig ist: Ich habe von Menschen, die ich zu kennen glaubte, Seiten gesehen, die mich überrascht haben. Das ist glaube ich das Beste, was man von einer solchen Sendung sagen kann.
Sie führen schon seit vielen Jahren Fernseh-interviews. Macht es Ihnen eigentlich immer noch Spaß?
Maischberger: Als es losging mit »Ich stelle mich«, hatten mein Team und ich gerade die aktuelle Staffel »Menschen bei Maischberger« beendet und ich ging mehr oder weniger auf dem Zahnfleisch. Wir sollten eigentlich in die Sommerpause gehen und haben dann mal eben noch diese vier Folgen gestemmt. Alle waren wirklich erledigt, aber allen hat es richtig viel Spaß gemacht, auch mir.
Fühlen Sie im Privatleben auch anderen Leuten dauernd auf den Zahn, ist das Fragenstellen eine Berufskrankheit geworden?
Maischberger: Nein, ich habe einen kleinen Sohn, der stellt mir Fragen, er hat mich diesbezüglich abgelöst.
Was hat sich geändert, seit Sie in den 80ern als TV-Talkerin angefangen haben?
Maischberger: Ganz viel. Um ein Beispiel zu nennen: Als ich damals angefangen habe, gab es sehr viele exzentrische Persönlichkeiten, und überhaupt fühlten sich Fernsehsendungen oft an wie ein Experiment. Die Menschen sind mehr aus sich herausgegangen, sie haben sich mehr getraut, sie haben sich offener gestritten.
Und heute?
Maischberger: Es ist einerseits eine große Zurückhaltung da, weil man weiß, dass jede Aussage in den Social Media und im Internet immer weitergespielt wird, manchmal auf die Spitze getrieben wird, obwohl man es gar nicht so spitz gemeint hat. Also es ist sehr viel schwieriger geworden, frische Debatten zu führen oder jemanden zu finden, der frei von der Leber weg von sich erzählt, ohne Angst, dass es zu privat wird. Außerdem gibt es mehr Gesprächssendungen als zu der Zeit, als ich anfing. Damals hat man sich abends nach der Sendung auch mal mit den Gästen zusammengesetzt und den ganzen Abend bis tief in die Nacht gefeiert und gegessen. Das hat sich geändert, weil viele Gäste lieber nach Hause gehen, gerade Leute wie die politischen Gäste, die es gewohnt sind, häufig im Fernsehen zu sein.
Inzwischen hat sogar die ARD gemerkt, dass es zu viele Talkshows gibt: Einem Gerücht zufolge soll die Zahl der Gesprächsformate im Ersten von fünf auf drei pro Woche sinken. Reinhold Beckmann hört Ende des Jahres freiwillig auf. Wie sicher ist »Menschen bei Maischberger«?
Maischberger: Das Gerücht kenne ich nicht. Es gab in der Tat den Willen, die Zahl der Talkshows zu reduzieren – von fünf auf vier. Das ist passiert, und jetzt ist es auch gut.
Am 26. August kehrt »Menschen bei Maischberger« aus der Pause zurück. Planen Sie Änderungen am Konzept?
Maischberger: Ja, wir werden ein bisschen an dem Format schrauben. Wir behaupten uns in der jetzigen Backform schon sehr lange und sehr erfolgreich, dennoch muss man zwischendurch immer mal schauen, ob man kleine Änderungen vornimmt. Aber da sind wir gerade im Diskussionsprozess und noch weit entfernt von Entscheidungen.

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