Geothermie ist eine vernünftige Technik
Zwei Redakteure, zwei Meinungen: Jeden Samstag stellt die Mittelbadische Presse in der Reihe "Pro & Kontra" zu einem kontroversen Thema zwei Positionen gegenüber. Ausbau der Rheintalbahn oder Nato-Einsätze - diskutiert wird, was polarisiert. An diesem Samstag lesen Sie: Christoph Rigling und Andreas Richter zum Thema Geothermie
Pro: Saubere Energie
Von Christoph Rigling
Wenn es nach Mahnern und Pessimisten geht, würde die Menschheit heute noch auf den Bäumen sitzen und die Zeit mit Jammern vertrödeln. Und als die erste Dampflok von Nürnberg nach Fürth tuckerte, mutmaßten viele, dass in dem Dampfross nur der Teufel stecken konnte. Technischer Fortschritt wird immer mit Argwohn betrachtet, weil die Menschen auf Neues nur bedingt Lust haben. Bei der Geothermie kommt hinzu, dass in Staufen, Landau und Lochwiller bei den Bohrungen grobe Schnitzer passiert sind. Aber deshalb die Geothermie in Bausch und Bogen als Teufelswerk hinzustellen, geht gar nicht.
Denn die Vorteile dieser Energiegewinnung liegen auf der Hand: Erdwärme ist nicht endlich wie Öl und Gas. Abhängigkeit wie von Sonne und Wind gibt es auch nicht. Der Ausstoß von Treibhausgasen ist bei Tiefengeothermie minimal. In Verbindung mit regenerativ gewonnenem Strom lassen sich mit elektrisch betriebenen Wärmepumpen Haushalte ökologisch sauber heizen. Und dass Geothermie funktioniert, zeigen zig Beispiele. Beispielsweise wird die Millionenstadt München bis 2040 ihre Fernwärmeversorgung überwiegend mit Erdwärme betreiben.
Also: Geothermie ist eine vernünftige Technik. Die Kinderkrankheiten, die in Staufen, Landau und Lochwiller auftraten, sind technisch beherrschbar. Das zeigen auch die bisherigen Erfolge.
Kontra: Vorsicht ist geboten
Von Andreas Richter
Ob oberflächennahe Geothermie und Tiefengeothermie bei uns eine Zukunft haben? Keine Ahnung. Was aber diese Energiegewinnungsarten vorzuweisen haben, ist neben der Ablehnung in breiten Bevölkerungsschichten die Fragwürdigkeit einer vielfach nicht ausgereiften Technik. Nicht alles, was der Mensch kann – in diesem Fall tiefe Löcher bohren –, ist zwangsläufig eine tolle Sache.
Blicken wir nach Staufen: Dort hebt sich dank Bohrungen und dem Eindringen von Wasser in eine Gipsschicht die Erde und die Häuser brechen auseinander. Blicken wir nach Riehen: Dort bebt die Erde, weil dicke Bohrer tief drinnen im Untergrund irgendwas vermurkst haben.
Nun wollen uns die Profiteure der Geothermie – und die, die es werden wollen – weismachen, die Technik sei sicher, sie müsse nur richtig angewandt werden. Augenwischerei ist das! Was ist denn richtig, was verkehrt? Keiner weiß es, allenfalls tastet man sich gerade an klare wissenschaftliche Belege heran. Was wir derzeit mit der Geothermie tun, ist genau so, als ob wir das Formel-1-Auto, das 370 Sachen fährt, erfunden hätten, aber noch keine Vorstellung hätten, wie es geht, wieder auf Null abzubremsen.
Geothermie ist nichts für dichtbesiedelte Regionen. Wer Großes plant – und das wäre die Lösung der Energiefrage zweifelsohne –, läuft auch Gefahr, große Fehler zu begehen. Also Vorsicht bitte!