Gregor Gysi: Die Linke ist »saft- und kraftlos«
Nach den teils miserablen Wahlergebnissen bei den letzten Landtagswahlen macht sich bei den Linken Verunsicherung breit. Es ist unklar, wie die Partei aus der Talsohle herauskommt.
Berlin. Das Wahldebakel vom 13. März steckt der Linkspartei tief in den Knochen. Das wird man auch am Wochenende beim Bundesparteitag in Magdeburg spüren. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg hart an der demoskopischen Wahrnehmungsschwelle gelandet und in Sachsen-Anhalt alle Träume von einem eigenen Ministerpräsidenten geplatzt, das war das Ergebnis. Fast noch schlimmer wog die Tatsache, dass ausgerechnet die AfD kräftig in der linken Wählerschaft wildern konnte. Bei den Arbeitern und Erwerbslosen waren die Rechtspopulisten vielerorts sogar stärkste Kraft geworden.
Seitdem gärt es bei den Linken. Allerdings nicht mit hasserfüllten Flügelkämpfen wie früher. Eher macht sich Verunsicherung und Lethargie breit. »Saft- und kraftlos« sei man geworden, brachte es Ex-Fraktionschef Gregor Gysi jetzt auf den Punkt. Die Kritik zielt in erster Linie auf die Parteispitze. Dabei hatten Katja Kipping und der Co-Vorsitzende Bernd Riexinger kurz nach dem schwarzen Wahlsonntag ein Positionspapier veröffentlicht, um die Linke in die Offensive zu bringen. Gefordert wurde eine »Revolution der Gerechtigkeit«, was sich mit Klassenkampf pur übersetzen ließe. Zudem warnte das Duo davor, als Linke »staatstragend aufzutreten«. Auch gab es Breitseiten gegen SPD und Grüne. Beide Parteien seien »von sozialer Gerechtigkeit derzeit weiter entfernt als je zuvor«.
Beim Realo-Flügel kann man damit wenig anfangen. In Berlin, wo am 18. September gewählt wird, sucht die Linke den Schulterschluss mit der SPD. »Wahlkämpfe gewinnt, wer in der Lage ist, den Menschen Hoffnung auf Veränderung zu geben und nicht, wer die schrillsten Töne anschlägt«, heißt es in der Berliner Landespartei.
Ein offener Schlagabtausch ist in Magdeburg nicht zu erwarten. Für lange Grundsatzdebatten fehlt schlicht die Zeit. Im Mittelpunkt steht die Neuwahl des Parteivorstands. An der Bestätigung des amtierenden Führungsduos herrscht schon mangels ernsthafter Gegenkandidaten kein Zweifel. Wie groß der Rückhalt für Kipping und Riexinger ist, dürfte am Wahlergebnis ablesbar sein. Vor zwei Jahren kamen beide auf 77,3 beziehungsweise 89,7 Prozent der Stimmen.
Zumindest Kipping muss sich auf ein schlechteres Resultat einstellen. Zum einen, weil sie die Frontfrau der ganz linken Linken, Sahra Wagenknecht, in die Nähe der AfD gerückt hatte. Auslöser waren Äußerungen Wagenknechts in der Flüchtlingsdebatte (»Grenzen der Aufnahmebereitschaft«) gewesen, die der Beschlusslage der Partei glatt widersprachen. Und zum anderen, weil Kipping auch bei den Reformern nicht unbedingt als Sympathieträgerin gilt. Ihr vehementes Plädoyer für ein bedingungsloses Grundeinkommen zum Beispiel sorgt dort regelmäßig für Kopfschütteln.
Doch auch dieses Streitthema will die Parteitagsregie unter der Decke halten. So droht am Ende gar Langweile, was der Führung eher recht wäre. Gregor Gysi jedenfalls will dem Vernehmen nach gar nicht erst zum Parteitag kommen.