Heidelberg belohnt Abmeldung von Pkws mit Bus-Jahreskarte
Die Stadt Heidelberg versüßt ihren Einwohnern den Umstieg auf Bus und Bahn: Wer das eigene Auto abmeldet, bekommt eine ÖPNV-Jahreskarte geschenkt. Seit Anfang 2016 haben 65 Heidelberger das Angebot wahrgenommen.
Heidelberg. Wer Michael Wendel besucht, ahnt bereits, dass er umgestiegen ist. Vor der Tür des Passivhauses parken zwei Fahrräder; im Flur liegt der Helm auf dem Tisch. Mehrere Monate lebt der 35-Jährige bereits ohne Auto. Seine Frau und die beiden Kinder (drei und fünf Jahre) kommen ebenfalls ohne Verbrennungsmotor zurecht. »Wir probieren es einfach mal aus«, sagt Wendel, der die Entscheidung bislang nicht bereut.
Die Stadt Heidelberg hat es der Familie leicht gemacht. Seit Anfang 2016 schenkt die Gemeinde ihren Bürgern ein Jahresticket für den Rhein-Neckar-Raum im Wert von 960 Euro – aber nur, wenn sie ihr Auto freiwillig abmelden und dies auch nachweisen. Der Gemeinderat hatte das Förderprogramm Ende 2015 einstimmig (mit drei Enthaltungen) beschlossen. Das Ziel: mehr Menschen zur Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel animieren.
»Schon länger überlegt«
»Wir hatten schon länger überlegt, ob wir unser Auto noch brauchen«, sagt Wendel. »Es stand die meiste Zeit ungenutzt herum, weil wir viele Erledigungen sowieso mit dem Fahrrad machen.« Wendel ist erwerbsgeminderter Rentner, seit er 2010 in einen schweren Autounfall bei Glatteis verwickelt wurde. Am meisten genutzt habe daher seine Frau das Auto, vor allem für den Weg zur Arbeit. Und heute? »Haben wir zwei Haltestellen direkt um die Ecke. Die Bahn fährt alle zehn Minuten.«
Die Geografie macht die Sache ebenfalls leicht. »Heidelberg ist sehr flach«, sagt Wendel. Und: »Ein paar Meter von unserem Haus entfernt ist eine Carsharing-Station.« Durch den Verkauf ihres Opel Agilas spart die Familie bares Geld: Versicherungen, Steuern, Reparaturen, Benzin. Außerdem vermietet sie ihren Stellplatz.
Die Stadt Heidelberg wiederum stellt 50 000 Euro pro Jahr für das Förderprogramm »Umweltfreundlich mobil« bereit, mit dem außerdem der Kauf umweltfreundlicher Autos bezuschusst wird. Weil dieses Jahr bereits 65 Personen das Angebot genutzt haben, soll im nächsten Doppelhaushalt mehr Geld bereitgestellt werden.
Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) findet das Konzept »Fahrkarte gegen Auto« grundsätzlich gut. Aber: »Die wenigsten Menschen steigen nur aufgrund des Geldes um«, betont VCD-Referent Philipp
Kosok. Das ÖPNV-Angebot müsse eben auch attraktiv sein. Gleichzeitig sollten Städte nicht davor zurückschrecken, dem Pkw-Verkehr auch mal Flächen zu entziehen.
»Vermisse Auto nicht«
Das Angebot nutzen auch viele ältere Menschen, die ihr Auto ohnehin abgeben würden. Von den 65 Heidelbergern, die eine kostenlose Jahreskarte erhalten haben, sind 22 älter als 60 Jahre. So auch Erika Beck. Die 83-Jährige hat ihrem Sohn ihr Auto verkauft. Gerade am Anfang sei es eine »Riesen-Umstellung« gewesen, erzählt Beck. Ein Vierteljahr später hat sich Beck gut mit der neuen Situation arrangiert. »Ich vermisse mein Auto nicht«, sagt die Seniorin. Inzwischen besuche sie ihre Kinder im Nachbarort sogar öfter als früher.
Offenburg als Positiv-Beispiel
Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) bezeichnet das Offenburger Mobilitätskonzept (»Einfach mobil«) als vorbildlich. Zwar gibt es hier keine Tausch-Aktion (Auto gegen Fahrkarte) wie in Heidelberg.
Doch die »Einfach mobil«-Karte sei ebenfalls sehr nützlich. Wer eine solche Karte besitzt, erhält einen Rabatt auf die nextbike-Leihfahrräder und Carsharing-Autos von Stadtmobil. »Das ist ein ganzheitliches Konzept, das unter einer Marke vereint wird«, meint VCD-Referent Philipp Kosok.