Serie "Treffen der Generationen"

»Ich will wissen, wie alles weitergeht«

Victoria Hof
Lesezeit 5 Minuten
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30. Oktober 2014

»Die Zeit verfliegt nur so«: Maria Repka-Serra ©Ulrich Marx

Was bewegt uns? Was erwarten wir vom Leben? Und welche Momente lassen uns nicht mehr los? Für eine Serie hat die Mittelbadische Presse mit Menschen aller Generationen gesprochen: Sie alle suchen das Glück und trotzen dem Schicksal. In der dritten Folge kommt Maria Repka-Serra (80) zu Wort.

Grüß Gott!«. Maria Repka-Serra hat uns schon erwartet. Die 80-Jährige sitzt gemeinsam mit anderen Bewohnern des Marienhauses am Tisch. Auf dem Balkon blickt sie später ernst in die Kamera. Doch ein Kompliment des Fotografen entlockt ihr schließlich ein Lächeln. »Wenn man ein bisschen dick ist, hat man weniger Falten«, sagt sie. Ein sympathischer Allgäuer Akzent ist unüberhörbar.

Ich habe 35 Jahre lang eine große Gaststätte mit drei Kegelbahnen geführt und immer hart gearbeitet. Um mich selbst und um meine Gesundheit konnte ich mich nicht kümmern. Dazu war keine Zeit, man war so in seinem Trott. Ich habe zu wenig auf meine Ernährung geachtet. Das bereue ich. Denn jetzt bin ich zuckerkrank, und man musste mir das Bein abnehmen. Die Krankheit ist heimtückisch, sie schleicht sich an. Meine größte Angst ist, dass ich mein zweites Bein auch verliere.
Aber es geht mir gut hier. Ich weiß nicht, warum immer schlecht über Senioren- und Pflegeheime gesprochen wird. Hier bin ich nicht alleine. Wenn ich bei meinen Kindern leben würde, wäre ich tagsüber oft allein. Und abends sollen die Kinder ja auch ihr eigenes Leben führen. Hier können sie mich besuchen, aus freien Stücken, und sie tun es oft. Mein Sohn hat mir ein Handy gekauft. »Wenn etwas ist, Mama, rufe mich an«, hat er gesagt. Er kommt sofort, wenn ich ihn brauche. Ich liebe meine Kinder, meine Enkel und meine Urenkel von ganzem Herzen. Und ich habe den großen Wunsch, dass ich noch ein paar Jahre leben darf. Ich möchte meine beiden Urenkel so gerne aufwachsen sehen. Ich kann noch lange genug gestorben sein.

»Sie haben ja gar nichts zu trinken!«, stellt Maria Repka-Serra fest. Ich winke ab. »Doch, ich besorge etwas!«. Energisch bewegt sie den Rollstuhl in Richtung Küche. Mit zwei Gläsern und Mineralwasser kommt sie zurück.

So wie ich zu anderen bin, kommt es zurück. Es liegt immer an einem selbst, ob man freundliche Menschen um sich hat. Mir geht es nur gut, weil ich zufrieden bin. Manchmal fehlt mir hier im Heim zwar ein Gesprächspartner, es gibt nur eine Frau, mit der ich reden kann. Fast alle anderen sind dement. Aber ich gleiche das mit Lesen aus. Früher hatte ich gar keine Zeit, um zu lesen. Zum Glück machen meine Augen noch mit. Am liebsten lese ich historische Romane. »Die Medici« und so etwas.
Man denkt vielleicht, man kommt um vor Langweile in so einer Einrichtung. Aber die Zeit verfliegt nur so. Einmal pro Woche kommt eine Dame, die mich in die Stadt begleitet. Dort erledige ich dann Dinge und gehe auf die Bank. Aber öfter brauche ich die Stadt nicht. Neunzig Prozent meiner Zeit verbringe ich im Sommer auf dem Balkon. Dort geht es mir gut.

Repka-Serra beschreibt sich selbst  als zufrieden. Tatsächlich lernt man sie als bescheiden, fast demütig kennen. Kurz füllen sich ihre Augen mit Tränen als das Gespräch auf ihre Ehe kommt. Ihr Blick schweift ab. Dann schluckt sie, lächelt, erzählt. Das Leben hat sie stark gemacht.

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Schicksalschläge härten ab. Ich habe zwei Ehemänner verloren, aber nicht gejammert. Leider habe ich nicht alles erreicht, was ich mir gewünscht habe. Ich wollte immer eine Pension im Allgäu eröffnen, aber dazu hat mir nach dem Tod meines Mannes die Kraft gefehlt. Ich weiß nicht, ob ich ein schönes Leben hatte. Meine Kindheit war nicht schön. Denn ich habe unter meiner dominanten Schwester gelitten und die Ehe meiner Eltern war nicht gut. Mein Berufsleben war geprägt von viel Arbeit. »Lehrjahre sind keine Herrenjahre«, hat meine Mutter gesagt, als ich am ersten Abend meiner Lehre geweint habe. Das habe ich mir gemerkt und nie wieder gejammert. Immer habe ich gearbeitet, ohne Urlaub. Und die Kinder sind in der Wirtschaft aufgewachsen, haben im Hof gespielt. Wir hatten ja keine Wahl, es gab keine Krippen, kein Kindergeld, keine Elternzeit. Der Vorteil war, dass ich immer da war, wenn die Kinder mich gebraucht haben. Meine Kinder sind mir das Wichtigste. Eines habe ich gelernt: Nur wenn Kinder in den ersten Jahren Liebe erfahren, können sie Liebe später auch weitergeben.

Hat man mit 80 noch Pläne? Maria Repka-Serra muss nicht lange überlegen.

Ich will unbedingt wissen, wie alles weitergeht. Früher war Amerika weit weg – und heute fliegen wir auf den Mond. Die Welt ist spannend. Im Fernsehen schaue ich gerne Günther Jauch an und die Nachrichten. Auch ohne Zeitung könnte ich nicht leben. Was mich aber wundert: Die jungen Leute hocken nur da und spielen an ihren Handys herum. Ich verstehe nicht, warum sie sich nicht lieber unterhalten. Manchmal finde ich das ungezogen. Ich telefoniere auch manchmal mit meinem Handy. Aber bei den großen Familienfeiern unterhalte ich mich lieber.

 

Die gesamte Zeitungsseite mit weiteren Infos finden Sie rechts oben als pdf-Datei.
Alle Folgen zur Serie finden Sie untenstehend unter dem Schlagwort »Generationen«.

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