Maghreb-Staaten sind sichere Herkunftsländer
Die Bundesregierung will die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklären. Damit könnten Asylbewerber nach deren Ablehnung schneller abgeschoben werden. In den Ländern ist für manchen Menschen jedoch das Leben sehr schwierig.
Zwei Redakteure, zwei Meinungen: Jeden Samstag stellt die Mittelbadische Presse in der Reihe "Pro & Kontra" zu einem kontroversen Thema zwei Positionen gegenüber. Ausbau der Rheintalbahn oder Nato-Einsätze - diskutiert wird, was polarisiert. An diesem Samstag lesen Sie: Christoph Rigling und Tobias Symanski über die Maghreb-Staaten.
Pro: Jetzt endlich handeln
Von Christoph Rigling
Natürlich bezweifelt niemand, dass es gute Gründe gibt, die Maghreb-Region wegen Perspektivlosigkeit zu verlassen. Aber eine systematische politische Verfolgung oder unmenschliche Behandlung hat dort bisher niemand beweisen können. Die drei nordafrikanischen Staaten Marokko, Tunesien und Algerien sind sichere Herkunftsstaaten.
Die Faktenlage lässt zudem kein anderes Ergebnis zu: Im vergangenen Jahr kamen monatlich knapp über 2000 Menschen aus Marokko, Algerien und Tunesien nach Deutschland. Asyl bekamen von ihnen aber nur 50. Im Mai waren es noch 374 Asylbewerber. Wenn man so will, wird gerade über ein Gesetz für 374 Menschen gestritten. Das ist natürlich Kokolores.
Doch die Spiegelfechterei hat Gründe. Die Abschiebung der abgelehnten Maghreb-Asylbewerber lahmt, weil die Bundesregierung schlampige bis gar keine Rückführungsabkommen ausgehandelt hat. Sind die Länder sicher, werden die Asylbewerber einem Schnellverfahren unterzogen. Und noch was spricht für das Gesetz: Die Parteien müssen Handlungsfähigkeit beweisen. In der Kriminalitätsstatistik sind Zuwanderer aus dem Maghreb stärker vertreten als andere Länder. Und unter den Tätern der Kölner Silvesternacht waren viele Nordafrikaner. Die Politik muss jetzt handeln, jetzt der AfD die Munition aus der Hand nehmen.
Kontra: Sicher unsicher
Von Tobias Symanski
Wenn eines sicher ist, dann, dass die Maghreb-Staaten alles andere als sicher sind. Schwule, Lesben, kritische Journalisten und Internet-Blogger sowie politische Aktivisten werden in den nordafrikanischen Ländern verfolgt und mundtot gemacht. Amnesty International hat in diesen Staaten verschiedene Menschenrechtsverletzungen registriert und sieht Versammlungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und Meinungsfreiheit eingeschränkt. Zudem hat die Organisation zahlreiche Fälle von Folter und anderen groben Misshandlungen dokumentiert.
Wenn Deutschland Algerien, Marokko und Tunesien als sicher einstuft, dann vor allem, um parteitaktische Ziele zu verfolgen. Nach den sexuellen Übergriffen in der Kölner Silversternacht wollte Bundesinnenminister Thomas de Maizière einen Erfolg verbuchen, weil die Attacken vor allem auf das Konto von Nordafrikanern gingen.
Zudem: Die Rückführungsabkommen, die de Maizière im Frühjahr mit den Maghreb-Staaten geschlossen hat, sind schon jetzt für den Mülleimer. Denn die Länder verhalten sich bei der Aufnahme ihrer eigenen Landsleute eher nach Gutsherrenart. Die Abschiebung tausender Flüchtlinge in kurzer Zeit wird zur Farce.
Gut, dass die Abstimmung über die Asylrechtsverschärfung noch einmal vertagt wurde. Das gibt den Entscheidern etwas Zeit zum Nachdenken. Sie sollten sie nutzen.