Mit NPD-Mann will niemand etwas zu tun haben
Erstmals seit über vier Jahrzehnten sitzt ein NPD-Mann im Mannheimer Stadtparlament. Doch Bürger und Politiker tun sich schwer, unverkrampft mit der ungewohnten Situation umzugehen.
Mannheim. »Man sollte ihn einfach links liegen lassen«, bemerkt ein junger Polizist, der zum Schutz der Gemeinderatssitzung angerückt ist. Sofort erkennt er den Wortwitz und korrigiert: »Ignorieren heißt es in dem Fall wohl besser.« Einen Rechtsradikalen links liegen lassen klingt unfreiwillig komisch. Aber auch von Ignorieren wollen rund 300 Bürger im Stadthaus nichts wissen und ihn lieber mit Verachtung strafen.
Er, das ist Christian Hehl, mit 3645 Stimmen frisch gewählter Stadtrat und Mitglied der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands. Der 45-Jährige ist – so steht es bei Wikipedia – in rechtsextremen Gruppen engagiert und als Hooligan wegen Landfriedensbruchs, Volksverhetzung und Körperverletzung vorbestraft.
Kurz vor der konstituierenden Sitzung wächst die Schlange vor der Zuschauertribüne. So viel Andrang sind Mannheims Kommunalpolitiker nicht gewohnt. Die 160 Plätze auf der Tribüne werden rasch belegt. »Wenn wichtige Dinge besprochen werden, kommt kein Mensch. Aber bei einem Nazi wird so ein Zirkus gemacht«, ärgert sich eine ältere Dame, während ihre Handtasche gefilzt wird. Insgesamt 40 Polizisten und Staatsschützer rücken an, ebenfalls ein Novum in der Geschichte des Mannheimer Gemeinderates. Doch die Wahl von Hehl bleibt rechtens, auch wenn viele es nicht wahrhaben wollen.
Dass er überhaupt einen Sitz ergattert hat, liegt am neuen Zählverfahren bei Kommunalwahlen, das kleineren Parteien zugutekommt. Darauf weist auch Oberbürgermeister Peter Kurz gebetsmühlenartig hin. Die NPD habe diesmal auch nicht mehr Stimmen bekommen als vor fünf Jahren, relativiert der SPD-Mann immer wieder. Dennoch sieht man Kurz an: Es ist ihm peinlich, dass er in seiner »guten Stube« einen Menschen mit dieser Gesinnung erdulden muss. Und sicher auch deshalb spricht Kurz den Unerwünschten in seiner ersten Rede vor dem neuen Plenum direkt an: »Herr Hehl, sie müssen wissen, dass ein Weltbild, das zur größten Katastrophe unseres Landes geführt hat, auf große Ablehnung stößt.« Der Angesprochene nimmt die Belehrung mit einem Grinsen hin und spricht später ohne Regung die Gelöbnisformel zusammen mit den anderen 47 Stadträten nach.
Nach gut einer Stunde ist die konstituierende Sitzung vorüber. Nun beginnt die Alltagsarbeit des Gremiums. Für Hehl dürften es langweilige fünf Jahre werden, denn niemand will mit ihm sprechen. Ausgrenzen und isolieren lautet das Motto der meisten Kommunalpolitiker. Nur Einzelstadtrat Wolfgang Taubert, sein Banknachbar, dürfte es schwer haben, dem Hünen mit dem Totenkopf-Tattoo am Schädel gänzlich aus dem Weg zu gehen. Doch der ehemalige Christdemokrat sieht das nicht so eng. »Ich glaube nicht, dass er noch zu vielen Sitzungen erscheint«, setzt er auf das Prinzip Hoffnung.