Niemand braucht die Zeitumstellung
Pro: Glückwunsch, Ziel verfehlt
Von Tobias Symanski
Was haben die armen Bundesbürger bloß gemacht, als noch keiner an der Uhr gedreht hat? Sie sind trotzdem aufgestanden und einfach weiter zur Arbeit gegangen. Egal, ob es draußen dunkel oder halbdunkel war. Wäre das toll, wenn man nicht jedes Jahr am letzten März- und Oktober-Sonntag durchs ganze Haus rennen müsste, um die zig Uhren an den zahlreichen Thermostaten oder der Mikrowelle umzustellen. Irgendwo vergisst man das sicher. Nicht einmal unsere Computersystem sind davor sicher, an dieser Aufgabe zu scheitern.
Hat sich eigentlich mal einer gefragt, warum wir die Zeit umstellen? Wegen der Ölkrise von 1973. Um Energie einzusparen. Leider setzte die westliche Welt erst vier Jahre und Deutschland sogar erst sieben Jahre später entsprechende Verordnungen um. Klar, so eine Zeitumstellung beansprucht viel Zeit im politischen Entscheidungsprozess.
Wie gut, dass wir am Ende kein bisschen Energie einsparen. Entsprechende Untersuchungen belegen sogar den gegenteiligen Effekt: Einsparungen bei der Beleuchtung werden durch einen verstärkten Heizbedarf überkompensiert, sagt das Umweltbundesamt.
Glückwunsch: Ziel verfehlt. Und Gratulation an alle Länder, die die Zeit einfach Zeit sein lassen. Hoffen wir darauf, dass auch die Länder in der EU irgendwann einmal auf den richtigen Trichter kommen.
Kontra: Schluss mit den Klagen
Von Nicolas Sohn
Zunächst einmal: Wir bekommen morgen eine Stunde geschenkt. Was um Himmels Willen wollen Sie denn am frühen Morgen draußen bei diesem dusseligen Herbstwetter machen? Wissen, wie schwarz die Nacht ist? Das Dunkle schlägt doch aufs Gemüt. Gehen Sie am Abend vorher feiern, in die Kneipe oder machen Sie sonstwas. Der Sonntag ist 25 Stunden lang und bietet jede Menge Zeit zum Ausschlafen.
Der Blick auf die Vergangenheit lässt mutmaßen, dass die Deutschen ein Faible fürs Zeitumstellen haben. Weltweit haben sie sogar damit angefangen. Das war 1916. Dann die Wiedereinführung im Zweiten Weltkrieg. 1947, das Land lag in Trümmern, gab es gar eine zusätzliche Hochsommerzeit. Frei nach dem Motto »Zeit ist Kohle«. Zuletzt, 1980, wurde von der winterlichen »Normalzeit« auf Sommerzeit umgestellt. Wohl auch, um während der Energiekrise Öl zu sparen. Insgesamt also vier Mal.
Die älteren unter Ihnen haben sich jetzt fast 35 Jahre an diese Stabilität des Wechsels gewöhnt, mental jedenfalls. Denn wenn der Sommer dräut, rechnen sie mit längerer Helligkeit am Abend. Leuten, die jetzt mit Mini-Jetlag nach der Umstellung kommen, rufe ich zu: Das ist doch Pillepalle! In zwei, drei Tagen ist das ausgestanden. Im Gegenzug haben Sie nach Feierabend mehr Zeit zum Grillen oder draußen Bier Trinken. Deshalb ein klares Nein an Gedanken, die sich ums Abschaffen drehen.
Zeitumstellung
Zweimal im Jahr wird in Deutschland und mehr als 60 weiteren Staaten die Uhr umgestellt.. Mit der Einführung der Sommerzeit 1980 sollte nach der Ölkrise das Tageslicht ein Stunde länger genutzt und damit Energie gespart werden. Die deutsche Energiewirtschaft kann dennoch keine messbare Sparwirkung durch das Drehen am Zeiger erkennen. Seit 1996 stellen alle EU-Länder die Uhren am letzten Sonntag im Oktober eine Stunde zurück und im März wieder vor - diesmal ist es der 26. Oktober.