Thema des Tages: Die Spitzenkandidaten

Rülke-Wahlkampf zwischen Kühlkörper und Käsekuchen

Christoph Fischer
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29. Februar 2016
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Hans-Ulrich Rülke ist als Spitzenkandidat oberster Wahlkämpfer der FDP. Seine Wahlkampftour führte ihn auch in die Ortenau, nämlich nach Renchen-Ulm und Oppenau-Ramsbach.  ©Ulrich Marx

In der ersten Folge unserer Serie mit Porträts der Spitzenkandidaten im Land geht es um Hans-Ulrich Rülke von der FDP.

ine Stunde Joggen im Wald vor der Haustür. Elfeinhalb Kilometer. So beginnt üblicherweise der Tag des Hans-Ulrich Rülke. Danach wird geduscht, gefrühstückt, Zeitung gelesen. Doch an diesem Tag muss eine halbe Stunde auf dem Laufband genügen, um munter zu werden. Wahlkampftage sind anstrengende Tage voller Verpflichtungen, und diesmal lässt der Terminkalender nur 30 Minuten Frühsport zu. Zwei Interviews stehen auf dem Programm, in Baden-Baden und Offenburg; dann ein Firmen- und ein Hofbesuch in der Ortenau, schließlich eine Podiumsdiskussion am Abend in Mannheim.

Die FDP sieht sich seit jeher als bester Freund des Mittelstands – ihr baden-württembergischer Spitzenkandidat Rülke macht da keine Ausnahme. Er ärgert sich über von der grün-roten Landesregierung beschlossene »Restriktionen und Regulierungen«, die Baden-Württemberg, »das Hirn Deutschlands«, am Arbeiten hinderten. Beispiel Bildungszeitgesetz: »Es bürdet dem Mittelstand zusätzliche Bürokratie und Kosten auf und geht davon aus, dass man dem Mittelstand dabei helfen muss, die Mitarbeiter zu qualifizieren. Das kann der Mittelstand aber selber.«

Spricht man mit dem 54-jährigen Liberalen über das, was seiner Meinung nach im Argen liegt, dann ist er weit davon entfernt, sich in Rage zu reden. Er sagt klare, prägnante Sätze, spricht ruhig und beherrscht, nicht nur im Presseinterview, sondern auch beim Besuch der Firma Erdrich Umformtechnik in Renchen-Ulm. An diesem Tag ist nicht nur Rülke zu Gast bei den Firmenchefs Nicolas und Georg Erdrich: Die FDP-Kandidaten aus den Wahlkreisen Kehl und Offenburg, Klaus Brodbeck und Silvano Zampolli, sind da, die Vorsitzende der FDP Oberkirch, der Kreisvorsitzende der Partei, außerdem mehrere FDP-Mitarbeiter und Zeitungsreporter. Als zu Beginn ein Medienvertreter fragt, ob man die Reihenfolge der Stationen des Erdrich-Besuchs nicht ändern könnte, sagt Rülke: »Ich glaube, die Führung ist nicht in erster Linie für Sie gedacht!« Klare Ansage des Mannes, der auf keinen Fall eine Koalition mit den Grünen eingehen will.

Als Erstes steht eine Firmenpräsentation per Power Point auf dem Programm. In dem vorgesehenen kleinen Raum gibt es aber zu wenige Stühle für alle Anwesenden, weshalb man in einen größeren »umzieht« – trotz Rülkes mehrmaliger Ansage, er könne auch stehen. 20 Minuten dauert die Präsentation, die teilweise sehr ins technische Detail geht. Es geht um Tiefziehteile, Feinschneidteile, Kühlkörper und so weiter. Rülke erfährt, dass der Automobilzulieferer seinen Umsatz von 2014 auf 2015 um 36 Millionen Euro steigern konnte. 250 Millionen betrug er im vergangenen Jahr. »Was halten Sie eigentlich von Schäubles Erbschaftssteuerplänen?«, fragt der Spitzenkandidat. »Die sind kein Thema – wir haben rechtzeitig übertragen«, antwortet Nicolas Erdrich, der Juniorchef.

»Ich glaube nicht, dass am Automobil- und Zulieferer­standort Baden-Württemberg eine Wirtschaftspolitik sinnvoll ist, die das Auto verteufelt«, sagt Rülke im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse. Genau das wirft er dem grünen Verkehrsminister Winfried Hermann vor. Dieser habe in einem Zeitungsinterview gesagt: Künftig muss sich kein vernünftiger Mensch mehr ein Auto kaufen.

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Rülke findet auch, die Landesregierung tue zu wenig für die digitale Infrastruktur. Während sich Georg Erdrich aber gegenüber den FDP-Politikern mit der Internet-Breitbandversorgung zufrieden zeigt, hapert es seiner Meinung nach an der Infrastruktur, sprich beim Straßen- und Brückenbau. Die Führung durch die Firmengebäude (Produktionshallen, Lager, Büroräume, Ausbildungswerkstatt) dauert eine Stunde. Es geht kreuz und quer durch das Erdrich-Reich, rauf und runter, runter und rauf. Während Vater und Sohn die Produktionsvorgänge erläutern – teilweise müssen sie sehr laut reden, denn manche Maschinen machen gehörigen Lärm–, hat Rülke meistens mindestens eine Hand in der Hosentasche. 

Der beurlaubte Gymnasiallehrer (Deutsch, Politik und Geschichte), ist bei seinem Besuch in Renchen und Oppenau zurückhaltend, ernst, fast kühl. Er lächelt nicht viel, hat gleichzeitig eine große körperliche Präsenz, denn er ist größer als fast alle Umstehenden. Er drängt sich nicht in den Vordergrund, eine Ansprache hält er nicht, er ist hauptsächlich interessierter Zuhörer. Brodbeck und Zampolli stellen mehr Fragen. »Ein beeindruckendes Lebenswerk, Herr Erdrich!«, lobt Rülke gegen Ende des Besuchs.

Als FDP-Kreisvorsitzender Johannes Huber über das geplante Freihandelsabkommen TTIP, besonders über die Schiedsgerichte, herzieht, geht Rülke dazwischen: »Langsam! Noch ist nichts entschieden.« Während Huber und Zampolli in der Diskussion TTIP-kritisch bleiben und Brodbeck »die Amerikaner nicht verteufeln« will, meint Rülke: »Das Entscheidende ist, dass das Europaparlament und die Parlamente der einzelnen EU-Staaten zustimmen müssen.«

90 Minuten später sitzt Rülke an einer langen Kuchentafel, Brodbeck zu seiner Linken, Zampolli zur Rechten. Fast 20 Personen essen Donauwelle, Kirschstreusel, Käsekuchen und Nussstollen. Das Wohnzimmer der Familie Roth auf dem Mattenhof in Oppenau-Ramsbach ist voll. Anwesend sind hauptsächlich Land- und Forstwirte im Alter von 40 bis 70 Jahren. Nur Rülke und Brodbeck tragen Anzug und Krawatte. Man diskutiert über die Sorgen und Nöte der Hofbesitzer. Diese beklagen die überbordende Bürokratie und rennen damit bei Rülke offene Türen ein. Der FDP-Mann sagt, das Grünlandumbruchverbot müsse weg, es greife ins Eigentumsrecht ein – auch da sind er und die Landwirte einer Meinung. 

Der Fraktionschef hätte gerne das alte Landesjagdgesetz zurück, die Änderungen durch Grün-Rot sind ihm ein Dorn im Auge. An die Anwesenden gerichtet sagt er zudem: »Beim Mindestlohn sind wir uns wohl einig: Er ist kein Problem in der Metall- und Elektroindustrie, aber der allgemeine flächendeckende Mindestlohn ist Quatsch! Da wurde Flexibilität kaputtgemacht.«
Um 17.15 Uhr müssen Rülke und sein junger Mitarbeiter aufbrechen. Es wartet mal wieder eine Podiumsdiskussion mit den anderen Spitzenkandidaten, diesmal in Mannheim. Die Diskussionen der Land- und Forstwirte gehen in Einzelgruppen noch lange weiter.

Zur Person

Hans-Ulrich Rülke

Geboren am 3. Oktober 1961 in Tuttlingen, machte Hans-Ulrich Rülke in Singen das Abitur. Er studierte in Konstanz Deutsch, Politik, Geschichte und Soziologie. 1991 folgte die Promotion. Thema der Doktorarbeit: »Gottesbild und Poetik bei Klopstock.« 1993 trat Rülke eine Stelle als Gymnasiallehrer in Pforzheim an. Von 2001 an war er fünf Jahre lang Fachberater für Politik und Wirtschaft beim Oberschulamt Karlsruhe. Im März 2006 wurde Rülke Landtagsabgeordneter für die FDP, 2009 Fraktionsvorsitzender. In der Fraktion ist er finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher. Er sitzt auch im Pforzheimer Gemeinderat und ist stellvertretender Vorsitzender der FDP Baden-Württemberg. 

Der 54-Jährige ist evangelisch, verheiratet und hat drei Söhne (14, 12 und 6 Jahre alt). Seinem Hobby Tennis kann Rülke nach eigenen Angaben aus Zeitgründen nur noch drei- bis fünfmal im Jahr nachgehen. Auch zum Bücherlesen fehlt meist die Muße. »Zuletzt habe ich die Churchill-Biografie gelesen, die der Londoner Bürgermeister Boris Johnson geschrieben hat«, so Rülke. Das 2014 erschienene Buch trägt den Titel »Der Churchill-Faktor – Wie ein Mann Geschichte schrieb«.caf

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