So kickten einst die Karlsruher
Vor 125 Jahren wurde am Großherzoglichen Lyzeum der Stadt Karlsruhe, dem heutigen Bismarck-Gymnasium, deutsche Fußball-Geschichte geschrieben. Heute wird Deutschlands ältester Fußballfilm erstmals um 18 Uhr im Stadtmuseum im Prinz-Max-Palais präsentiert.
Fußball-Pionier Walther Bensemann, der spätere Gründer und Chefredakteur des Fußball-Magazins »Kicker«, Mitbegründer zahlreicher Fußballvereine und auch des DFB, war wenige Wochen zuvor mit seinen Eltern von der Schweiz nach Karlsruhe umgezogen. In Montreux hatte er zuvor die Bekanntschaft mit der »englischen Krankheit«, dem Fußball-Spiel, gemacht und nun brachte er diese »Krankheit« mit nach Karlsruhe. Kaum in der badischen Residenz angekommen, ließ Bensemann sich aus der Schweiz einen Fußball kommen, blies ihn auf und die Geschichte nahm ihren Lauf. »In der 10-Uhr-Pause musste bereits ein Fenster des Gymnasiums daran glauben«, schrieb er später in einer Festschrift.
Die Schüler wurden vom Direktor des Lyzeums postwendend auf den heute noch so genannten Engländerplatz verbannt, wo wenige Wochen später von den Pennälern der Karlsruher Footballclub, der erste Fußballverein Süddeutschlands, gegründet wurde. Weitere Vereinsgründungen folgten und knapp 21 Jahre später standen sich im Karlsruher Stadion an der Telegrafenkaserne mit dem Karlsruher FV und dem damals amtierenden Deutschen Meister Phönix Karlsruhe, einem Vorgängerverein des KSC, zwei Vereine aus der Fächerstadt im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft gegenüber.
Bis zu 8000 Zuschauer sollen es gewesen sein, die den 2:1-Sieg des KFV sahen, der wenige Tage später durch ein 1:0 gegen Holstein Kiel auch Deutscher Meister wurde. Karlsruhe wurde seinem Ruf als deutsche Fußballhochburg einmal mehr gerecht. So wundert es nicht, dass die ersten Bewegtbilder von einem Fußballspiel sehr wahrscheinlich in Karlsruhe gefertigt wurden. Der aus Karlsruhe stammende Journalist Thomas Staisch entdeckte bei Recherchen Anfang des Jahres im British-Film-Institute einen Film, der zweifelsfrei Szenen aus dem damaligen Spiel zeigt. Knapp drei Minuten lang ist der Streifen, der damals in Kinos gezeigt wurde und von dem nach aufwendigen Verhandlungen jetzt eine digitale Kopie dem Stadtarchiv Karlsruhe übergeben wurde.
Heute wird das historische Dokument erstmals um 18 Uhr im Stadtmuseum im Prinz-Max-Palais präsentiert. Auf den erstaunlich gut erhaltenen Aufnahmen sind knapp drei Minuten lang Szenen aus einer Partie zu sehen, die so ziemlich das Beste bot, was Fußballdeutschland damals zu bieten hatte. Auf beiden Seiten standen mehrere Nationalspieler, in den Reihen des KFV mit Gottfried Fuchs und Julius »Juller« Hirsch auch zwei Fußballer aus jüdischen Familien, die traurige Berühmtheit erlangen sollten. Die Namen von Hirsch und Fuchs, wurden im Dritten Reich komplett aus den Annalen des Deutschen Fußballs getilgt.
Hirsch wurde 1943 nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort sehr wahrscheinlich auch ermordet. Fuchs entging den Nazi-Gräueln nur durch Emigration über die Schweiz und Frankreich nach Kanada, wo er 1972 verstarb. Seit 2005 verleiht der DB den Julius-Hirsch-Preis, der besonderen Einsatz für Toleranz, Menschenwürde und gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus würdigt.