Brüssel

Stoibers Plädoyer für Europa

Katharina Strobel
Lesezeit 3 Minuten
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15. Oktober 2014

Edmund Stoiber (CSU) ©Stephan Hund/Archiv

Jeder in Brüssel weiß es, aber niemand spricht es öffentlich aus – bis gestern: »Die Mitgliedsstaaten müssen endlich in die Pflicht genommen werden. Sie sind für einen Großteil der EU-Regularien verantwortlich. Viele der Auswüchse entstehen in ihren nächtlichen Sitzungen. Zudem verursachen sie bei der Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht einen wesentlichen Anteil der bemängelten Bürokratie«, sagte Edmund Stoiber (CSU), Chef der EU-Arbeitsgruppe zum Bürokratieabbau, bei der Übergabe seines Anti-Bürokratie-Abschlussberichts an Noch-EU-Kommissionschef José Manuel Barroso.

Dass die Europäische Union allein die Prügel beziehe, damit solle nun Schluss sein, meinte Stoiber. »Die Idee der EU ist zu kostbar«, sagte er. Nicht an mangelnde Transparenz und überbordende Bürokratie sollten die Menschen denken, wenn es um die EU geht, sondern an den Frieden und Wohlstand, die sie ihnen gebracht hat. Den Anstieg des Akzeptanzverlustes der EU und die wachsende EU-Skepsis sieht Stoiber in Brüssels schlechtem Image als intransparentem Bürokratiemonster begründet.

Sieben Jahre lang kämpfte sich der CSU-Ehrenvorsitzende mithilfe seiner sogenannten High Level Group, einer 15-köpfigen Arbeitsgruppe (bestehend aus Ökonomen, Unternehmensberatern und Verbandschefs), in 54 Sitzungen durch den Brüsseler Bürokratie-Dschungel. Das Ziel: Verwaltungsaufwand und damit Geld sparen. Tatsächlich steht und fällt für Stoiber mit diesem Punkt jedoch nichts Geringeres als die Zukunft des europäischen Staatenbundes. 

»Früher, in den 80er-Jahren, war man der Auffassung, je mehr die EU regele, desto europäischer werde sie«, erinnerte Stoiber, »heute wissen wir, dass keinem damit geholfen ist, wenn sich die Brüsseler Gesetzgebung in die kleinsten Details unseres Alltags einmischt.«

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Seine Arbeitsgruppe erarbeitete konkrete Vorschläge, von denen einige – wie die Akzeptanz elektronischer Mehrwertsteuer-Rechnungen beim Finanzamt – bereits zu Einsparungen geführt haben. Aber Stoiber ließ keinen Zweifel daran, dass das nicht reiche. Er sprach von einem Bewusstseinswandel, der sich von Brüssel bis in die Hauptstädte vollziehen müsse: Nicht alles, was geregelt werden könne, müsse geregelt werden.

»Schizophrenie« machte Stoiber aus: die Forderung der Bürger nach neuen Regeln und Sicherheit durch den Staat einerseits und die Klagen über die zunehmende Bürokratie andererseits. »Ich glaube, tendenziell wird es mehr Regeln in unserer Welt geben.« Wie damit künftig umgegangen wird, sei noch unklar. Stoiber forderte den Einsatz eines unabhängigen Organs, das künftig Bürokratiechecks durchführe und die Kosten von Gesetzen und deren Umsetzung benenne, bevor sie bestätigt seien.

Der scheidende EU-Kommissionspräsident Barroso warnte jedoch vor der Einführung einer weiteren bürokratischen Behörde, die das ohnehin schon komplizierte Brüsseler Verfahren noch undurchsichtiger machen würde. Bis dazu eine Entscheidung fällt, hat die neue Kommission mit dem designierten Kommissionsvize, dem Niederländer Frans Timmermans, eine Art obersten Regulierungswut-Wächter. Sollten Timmermans bestimmte Gesetze überflüssig erscheinen, kann er ein Veto einlegen.

Einen »Beitrag zur Akzeptanz der EU und zur Wirtschaftlichkeit« nannte Stoiber seine gestrige Ansprache. Sie hallt nach als ein glühendes Plädoyer für ein transparentes Europa, in dem Mitgliedsstaaten für ihre Politik zur Verantwortung gezogen werden.

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