Die Stimmungspartei FDP im Hoch
Die Freie Demokratische Partei (FDP) gehörte bis 2013 ununterbrochen dem Deutschen Bundestag an. In diesem Jahr stehen die Chancen für das bundespolitische Comeback der Partei gut. Die Mittelbadische Presse blickt auf das Auf und Ab der Liberalen in ihrer Geschichte zurück.
Eines der größten Probleme der FDP ist, dass sie über kein großes Reservoir an Stammwählern verfügt, die ihr ein politisches Überleben bei Wahlen garantiert. Selbst bei ihrem größten Erfolg (Bundestagswahl 2009: 14,6 Prozent) konnte sie nur 27 Prozent der Selbständigen von sich überzeugen. »Die FDP ist eine Stimmungspartei«, fasste es der Politikwissenschaftler Ulrich Eith gegenüber der Mittelbadischen Presse zusammen. »Unter ihrem Parteivorsitzenden Christian Lindner ist sie zu neuem Leben erwacht. Lindner ist der zentrale Motor, auch in NRW war der Wahlkampf eine One-Man-Show. Er versteht es mit seinem jugendlichen Elan, Unkonventionalität und Erneuerung zu verkörpern.«
Kanzlerkandidat
Jugendlich-dynamisch war auch das Vehikel, mit dem die ehemalige FDP-Lichtgestalt Guido Westerwelle 2001 die Partei zu erneuern begann. Die Liberalen fanden sich 1998 zum ersten Mal seit 1969 in der Opposition wieder – Rot-Grün regierte. Die FDP galt als Anhängsel und Mehrheitsbeschaffer der CDU. Westerwelle hingegen setzte nach der Wahlniederlage wieder mehr auf Eigenständigkeit, orientierte sich programmatisch am Thema Steuersenkung und trat 2002 sogar als Kanzlerkandidat auf. 18 Prozent der Stimmen waren das Ziel.
Außer Hohn und Spott gab es jedoch nichts zu ernten. Die FDP scheiterte krachend, und seit dieser Zeit hing Westerwelle ein Hauch von Größenwahn an, selbst dann, als er der FDP wieder ein seriöseres Erscheinungsbild und eine klare Koalitionsaussage zugunsten der Union gab. Die Folge dieser Strategie waren zwei gewonnene Bundestagswahlen und letztlich 2009 mit 14,6 Prozent das Comeback in der Bundesregierung mit der Union.
Danach begann der selbstverschuldete Abstieg der FDP. In den Koalitionsverhandlungen mit der Union konnte die FDP die von ihr anvisierten Steuersenkungen und eine Reform des Steuersystems nur vorbehaltlich der Finanzierbarkeit dieser Maßnahmen durchsetzen. Dieses naive politische Verhalten führte angesichts der Nachwirkungen der Finanz- und Staatsschuldenkrise zu einem Dauerstreit unter den Koalitionsparteien. Die Steuerreform blieb aus. Einzig Hoteliers profitierten von einer Senkung des Mehrwertsteuersatzes.
Außenminister Westerwelle konnte sich in seinem Amt nicht profilieren, und ein Machtkampf in der Partei begann. Die FDP verlor dramatisch an Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit. 2013 dann die Quittung bei der Bundestagswahl – 4,8 Prozent bedeuteten den Gang in die außerparlamentarische Opposition.
Letztlich erholt sich die FDP heute noch von dieser desaströsen Regierungszeit. In Ostdeutschland sind die Liberalen in keinem Landtag vertreten. Selbst im bisher so erfolgreich verlaufenen Jahr 2017 schafften sie es nicht, im Saarland die Fünf-Prozent-Hürde zu bezwingen. Einzig in Rheinland-Pfalz gibt es eine Regierungsbeteiligung. Wie lassen sich dann die Wahlerfolge von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein erklären? Hier sind sogar Regierungsbeteiligungen möglich.
»Profitiert haben die Liberalen vom Wahlkalender«, erklärte Politikwissenschaftler Eith in der Mittelbadischen Presse. »Die vergangenen beiden Landtagswahlen fanden genau in den beiden Bundesländern mit den prominentesten Liberalen statt – mit Christian Lindner und Wolfgang Kubicki.« Und schon habe es in der Öffentlichkeit den Anschein, dass es mit der FDP wieder bergauf gehe. »Wäre die Wahl in Sachsen-Anhalt gewesen, sähe die Welt der FDP in der Außenwirkung ganz anders aus«, war sich Eith sicher.
Repolitisierung
Kein Wunder, dass viele in der FDP auf die Euphoriebremse treten und davor warnen, die Liberalen bereits im Bundestag zu sehen. Ein Blick auf die Saarlandwahl hat gezeigt, wie schwer es den kleinen nicht populistischen Parteien fällt, Profil zu gewinnen. Der Politikwissenschaftler Robert Vehrkamp vom Programm »Zukunft der Demokratie« der Bertelsmann-Stiftung hat eine starke Repolitisierung festgestellt, die sich vor allem in Richtung der beiden großen Volksparteien bewegt. SPD und CDU stehen wieder mehr im Mittelpunkt des politischen Diskurses. Programmatisch und personell grenzen sich beide Parteien wieder etwas stärker voneinander ab als in den vergangenen Jahren. Vehrkamp: »Da tun sich die nicht-populistischen kleinen Parteien im Moment sehr schwer und leiden darunter.«
Flügelkämpfe
In unruhigen Zeiten die Position im Parteiensystem zu finden und neu zu justieren, gehörte schon immer zu einer Spezialität der FDP. 1948 erblickte die Partei das Licht der Welt. Mit der Gründung der liberalen Partei sollte die Spaltung des deutschen Liberalismus überwunden werden. Das misslang jedoch. Nationalliberale und Liberaldemokraten standen sich wie in der Kaiserzeit und Weimarer Republik auch in der Bundesrepublik gegenüber. Diese Ambivalenz in der Partei machte ihr es jedoch zu Beginn der Bundesrepublik möglich, in gesellschaftspolitischen Fragen eher mit der SPD zu kooperieren und in wirtschaftspolitischen Fragen die Nähe zur CDU zu suchen. Der Einfluss der kleinen Partei war so enorm.
Mit der Bildung der sozial-liberalen Koalition 1969 verabschiedete sich der nationalliberale Flügel. Er konnte mir der Annäherung an den Ostblock nichts anfagen. Allerdings wurde der durch einen marktliberalen Flügel unter Otto Graf Lambsdorff abgelöst, der 1982 die Rückkehr zur CDU wieder einläutete. So blieb die FDP bis in die 1980er-Jahre im Parteiensystem ihrer Rolle als Zünglein an der Waage treu.