Brexit: Börsenabsturz, Cameron tritt zurück
Großbritannien steht vor einem EU-Austritt. Nach Auszählung aller Stimmbezirke siegte die «Leave»-Kampagne mit mehr als einer Million Stimmen Vorsprung. Premier David Cameron kündigte seinen Rücktritt an.
Nach dem überraschenden Votum der Briten, aus der Europäischen Union austreten zu wollen, hat Premierminister Cameron Konsequenzen gezogen. Er werde noch drei Monate im Amt bleiben, sagte Cameron am Morgen. Austrittsverhandlungen mit der EU sollten anschließend mit einem neuen Premierminister beginnen. «Das Land braucht ein neue Führung», sagte der konservative Politiker.
Nach Auszählung der Wahlkreise liegt das Brexit-Lager mit rund 52 zu 48 Prozent der Stimmen vorn. Mehrere TV-Sender waren bereits in den frühen Morgenstunden in ihren Analysen davon ausgegangen, dass das Brexit-Lager die Abstimmung gewinnt.
Nigel Farage, Chef der EU-kritischen Partei UKIP hatte sich im Laufe der Nacht immer siegessicherer gezeigt.
I now dare to dream that the dawn is coming up on an independent United Kingdom.
— Nigel Farage (@Nigel_Farage) 24. Juni 2016
In der nordostenglischen Stadt Sunderland stimmten 61 Prozent für einen Ausstieg aus der EU, lediglich 39 Prozent für einen Verbleib - der Erfolg des Brexit-Lagers fiel dort erheblich klarer aus als erwartet. Bereits nach Auszahlung von acht der 382 Wahlbezirke hatte das Lager der Austritts-Anhänger knapp in Führung gelegen. Nach einem ersten Anstieg fiel das Pfund auf den internationalen Finanzmärkten auf den tiefsten Stand seit 1985. Auch in Asien verloren die Börsen, der Goldpreis stieg auf den höchsten Wert seit mehreren Monaten.
Das Institut YouGov hatte in ersten Wähler-Nachbefragungen nur Minuten nach Schließung der Wahllokale eine Mehrheit von 52 Prozent für den Verbleib in der Gemeinschaft ermittelt. Lediglich 48 Prozent hätten für den Brexit votiert. Das Institut Ipsos Mori kam gar zu einem Ergebnis von 54:46 Prozent. Doch die Zahlen entsprechen nicht klassischen Wahlprognosen, sie gelten als weniger verlässlich.
In der Labour-Hochburg Newcastle behielten die EU-Befürworter zwar die Oberhand - doch hier fiel das Ergebnis weitaus knapper als erwartet aus. Rund 51 Prozent votierten hier für Drinbleiben, 49 Prozent für Rausgehen.
Hinweis an alle London Touristen: Ihr Shopping Trip wurde übernacht deutlich preiswerter! #Brexit #EURef pic.twitter.com/e1nMN58XIP
— Christian Sievers (@CHSievers) 24. Juni 2016
Zunächst hatte er Chef der EU-feindlichen Partei Ukip, Nigel Farage, seine Anhänger bereits auf eine Niederlage eingestimmt. Er gehe davon aus, dass das «Remain»-Lager knapp gewinne, sagte er kurz nach Schließung der Wahllokale. Wenig später meinte er aber, er habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben: «Ich gebe mich nicht geschlagen.»
84 konservative Abgeordnete, die pro Brexit sind, forderten nach Angaben eines Parlamentariers Premierminister David Cameron zum Verbleib im Amt aufgefordert. Cameron hatte sich vehement für ein Drinbleiben ausgesprochen. Er solle in jedem Fall weiterhin Premier bleiben, wie auch immer das Referendum ausfalle, heißt es in dem Brief, den der konservative Abgeordnete Robert Syms auf Twitter veröffentlichte. Unter den Abgeordneten, die den Brief unterzeichnet haben, ist auch Boris Johnson, Camerons ärgster Gegenspieler im Wahlkampf.
Umfragen hatten bis zuletzt ein enges Rennen vorhergesagt, die Wettquoten standen am Donnerstag aber gegen den Brexit. 46,5 Millionen Wähler hatten sich registriert, viele von ihnen waren bis zuletzt unentschlossen.
Bis in den frühen Morgen werden hier in #Romford die Stimmen ausgezählt.#Brexit #LeaveEU #Remain @Bild pic.twitter.com/4r7TX1SPV4
— Daniel Biskup (@DanielBiskup) 24. Juni 2016
Ein Brexit würde die EU in die wohl schwerste Krise ihrer Geschichte stürzen. Viele europäische Politiker hatten die Briten vor einem Austritt gewarnt. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) und andere Institutionen sagten wirtschaftliche Turbulenzen im Falle eines Brexit voraus.
EU-Politiker befürchten, dass ein Brexit Austrittswünsche in anderen Ländern beflügeln würde.
Die Außenminister der sechs Gründungsmitglieder der Europäischen Union haben für Samstag eine Krisensitzung in Berlin anberaumt, um über die Folgen des Brexit-Referendums zu beraten. An dem Treffen in der Villa Borsig, dem Gästehaus des Auswärtigen Amts, nehmen nach Angaben aus diplomatischen Kreisen Deutschland, Frankreich, Italien und die Benelux-Staaten teil. Gastgeber ist Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. In den vergangenen Monaten hatte es bereits zwei ähnliche Treffen gegeben. Die sechs Staaten hatten 1957 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet, die Vorläuferorganisation der EU.
Cameron bedankte sich bereits bei allen Pro-EU-Wählern. «Dank an alle, die dafür gestimmt haben, dass Großbritannien stärker, sicherer und besser in Europa bleibt», schrieb er auf Twitter. Auch Johnson dankte per Twitter seinen Unterstützern.
Der US-amerikanische Whistleblower und Anti-Überwachungsaktivist Edward Snowden meldete sich ebenfalls via Twitter zu Wort:
No matter the outcome, #Brexit polls demonstrate how quickly half of any population can be convinced to vote against itself. Quite a lesson.
— Edward Snowden (@Snowden) 23. Juni 2016
Auch in der Region kommentierten die User den "Brexit" in den sozialen Netzwerken.
Ab jetzt bin ich gegen Volksentscheide. Was für ein Schock. Ich fasse es nicht. #Brexit
— Larissa Hinz (@larissa_hinz) 24. Juni 2016
Wahnsinn... #Brexit
— (((Hendrik Epe))) (@HendrikEpe) 24. Juni 2016
Müssen die Engländet jetzt bei der EM abreisen? Egal, müssen Sie nach dem nächsten Spiel ja sowieso... #brexit #em2016 – nachdenklich
— martin völker (@mgirardelli) 24. Juni 2016
Aktuelle Wahlergebnisse auf der Webseite der BBC.