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Fukushima und Tschernobyl: Die vergessenen Katastrophen

Stefan Vetter
Lesezeit 3 Minuten
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17. Februar 2016
Es ist noch nicht vorbei: Die Auswirkungen der Atomkatastrophe in Japan sind noch lange nicht alle erforscht. Auf dem Foto trägt ein vermummter Arbeiter in Fukushima verstrahlte Erde ab.

Es ist noch nicht vorbei: Die Auswirkungen der Atomkatastrophe in Japan sind noch lange nicht alle erforscht. Auf dem Foto trägt ein vermummter Arbeiter in Fukushima verstrahlte Erde ab. ©dpa

Vor 30 Jahren ereignete sich die Atomkatastrophe in Tschernobyl. Vor fünf Jahren kam es zum Super-Gau im japanischen Fukushima. Die gesundheitlichen Folgen beider Katastrophen dauern an.

Laut einem aktuellen Bericht der internationalen Ärzteorganisation zur Verhütung eines Atomkrieges (IPPNW) dauern die gesundheitlichen Folgen der Atom-Katastrophen bis heute an. Nachfolgend die wichtigsten Erkenntnisse der Untersuchung im Überblick:

Was ist das Haupt­ergebnis?
Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass schon sehr kleine Strahlendosen zu deutlich höheren Risiken für Krebs, Herzkreislauferkrankungen, Säuglingssterblichkeit sowie Fehlbildungen bei Neugeborenen führen. Die Verfasser der Studie weisen allerdings darauf hin, dass eine umfassende Analyse der gesundheitlichen Folgeschäden von Tschernobyl durch politische Geheimniskrämerei und Verharmlosung in der früheren Sowjetunion erschwert wird. Und auch in Japan setze »die mit der Atomindustrie eng verflochtene Regierung alles daran, die Akte Fukushima so schnell wie möglich zu schließen«, heißt es in dem Bericht.

Wie ist die Situation in Japan?
Täglich fließen immer noch rund 300 Tonnen radioaktives Abwasser ins Meer. Seit Beginn der Katastrophe sind es mehr als 500 000 Tonnen. In der Präfektur Fukushima kam es zu einem besorgniserregenden Anstieg der Neuerkrankungen an Schilddrüsenkrebs bei Kindern. Bislang wurden 115 Fälle bestätigt. Weitere 50 Kinder mit Krebsverdacht warten auf eine Operation. Andere Folgeschäden als Schilddrüsenkrebs bei Kindern hat die japanische Regierung laut IPPNW-Bericht ausgeschlossen. Deshalb gibt es auch kein Register, in dem die Bevölkerungsgruppen regelmäßigen Gesundheitschecks unterzogen werden.

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Mit welchen Folgen ist langfristig zu rechnen?
Die Experten rechnen für ganz Japan im Laufe der nächsten Jahrzehnte mit knapp 10 000 zusätzlichen Krebsfällen. Das ist allerdings eher ein optimistisches Szenario. »Nutzt man andere Daten und realistischere Risikofaktoren, kommt man auf deutlich höhere Zahlen, etwa bis zu 66 000 zusätzlichen Krebsfällen, davon zirka die Hälfte mit tödlichem Verlauf«, so die IPPNW-Prognose.

Wie wirkt Tschernobyl nach?
Auch 30 Jahre später sind immer noch Millionen Menschen von der Reaktorkatastrophe betroffen. Allein 350 000 Menschen wurden damals aus einer 30-Kilometer-Zone und weiteren sehr stark verseuchten Regionen evakuiert. Von den mehr als 830 000 Aufräum­arbeitern sind bislang mindestens 112 000 gestorben. Vor allem an Schlaganfall, Herzinfarkt und Krebs. Neben einem rasanten Anstieg der Schilddrüsenkrebserkrankungen bei Kindern wurde eine Häufung weiterer Krebsarten wie Brustkrebs und Leukämie registriert.

Wie steht es um die Geburten?
Jede Veränderung in der jeweiligen Geburtenhäufigkeit von Mädchen und Jungen ist ein Indikator für mögliche Belastungen der Mütter. Strahlungen können zu Zellschäden führen und so das Geschlechterverhältnis beeinflussen. Laut Bericht entspricht die Lücke zwischen 1987 und 2011 in ganz Europa rechnerisch etwa 500 000 weniger Mädchen. Davon etwa 23 000 in Deutschland. Noch heute würden pro Jahr in Europa rechnerisch 20 000 Mädchen weniger geboren als vor der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl, heißt es in der Untersuchung.

Welche Schlüsse zieht die IPPNW?
»Die Gesundheitsrisiken müssen von unabhängigen Wissenschaftlern untersucht werden, und jeder Verdacht auf Beeinflussung durch die Atomindustrie und ihre politischen Unterstützer muss ausgeschlossen sein«, forderte die IPPNW-Europa-Vorsitzende Angelika Claußen. Auch seien umfangreiche Studien nötig, um Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und zukünftige Generationen vor den Folgen ionisierender Strahlung besser zu schützen.

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