Interview

Tierfilmer Kieling im Interview: »Selber auch mal rausgehen«

Cornelia Wystrichowski
Lesezeit 4 Minuten
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17. März 2017
Andreas Kieling, mit schwarzer Mütze und Handy in der Hand, sitzt im Wasser. Ein Affe schaut ihm über die Schulter.

(Bild 1/4) Andreas Kieling, mit schwarzer Mütze und Handy in der Hand, sitzt im Wasser. Ein Affe schaut ihm über die Schulter. ©ZDF und Andreas Kieling

Er ist Deutschlands bekanntester Tierfilmer: Andreas Kieling. Der Naturfotograf spricht im Interview mit der Mittelbadischen Presse über seinen Arbeitsalltag und die Angst bei den Dreharbeiten. Die Doku »Kielings wilde Welt« aus der Reihe »Terra X« läuft morgen und am 26. März um 19.30 Uhr im ZDF. 

Herr Kieling, Sie arbeiten seit mehr als 25 Jahren als Tierfilmer. Welches waren Ihre Highlights in all den Jahren?
Andreas Kieling: Ich war in Alaska der erste, der eine Eisbärenpaarung gefilmt hat, und bin als erster mit einem wilden Grizzlybären in einem Gletschersee getaucht und habe den unter Wasser gefilmt. Es hat fast drei Monate gedauert, um den Bären im See an meine Nähe zu gewöhnen. Ich war auch der erste Kameramann, der einen richtigen Wildschweinkampf gefilmt hat. Beide dieser Keiler wogen etwa 150 Kilo und sind aufeinander losgegangen, und ich musste ganz nah dran sein, weil da so viele Büsche waren. Es hat vier Jahre gedauert, bis ich die Szene im Kasten hatte. 

Haben Sie denn niemals Angst?
Kieling: Doch, selbstverständlich. Das wäre ja schlimm, wenn ich keinen Respekt und keine Angst hätte. Dann würde ich gar nicht mehr leben. 

Wenn Sie nicht auf Reisen sind, leben Sie auf einem Bauernhof in der Eifel. Mit Tieren?
Kieling: Wir haben nur eine Katze, einen Hund und ein paar Hühner. Das ist ein klassischer Nebenerwerbs-Bauernhof in einem ganz kleinen Ort in der Hocheifel. Ich baue Braugerste an, und wir haben ein paar Hackfrüchte, also Rüben und Kartoffeln. 

Als Tierfilmer kommen Sie in der ganzen Welt herum. Wo kann man als Otto Normalverbraucher schöne Naturerlebnisse haben?
Kieling: Das ist ganz einfach. Man muss nur mal wieder vor die Stadt fahren, aber nicht auf dem Motorrad mit 180 durch blühende Rapsfelder – das ist kein Naturerlebnis. Nein, man muss in die Heide, das Mittelgebirge oder den nächsten zusammenhängenden Wald, das Mobiltelefon ausschalten, eine Stunde ruhig dasitzen, was viele Menschen gar nicht mehr können, und in die Natur reinhören. Wenn Sie Glück haben, sehen Sie eine Eidechse oder es kommt ein Fuchs vorbei oder ein Reh. Natur will gefühlt werden. Es reicht nicht, dass man nur »Terra X« schaut und sagt: ›Das ist aber schön, was der junge Mann da dreht.‹ Man muss auch mal selber rausgehen.

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Sie mussten vor nicht allzu langer Zeit wegen eines Gehirntumors operiert werden und waren schon kurz danach wieder mit der Kamera auf Achse. Brauchten Sie gar keine Auszeit?
Kieling: Ich sollte zwar eine Reha machen, wo man wieder vernünftig sprechen, zählen und sich bewegen lernt. Ich habe mich aber lieber nach Nordgriechenland fahren lassen und habe an einem See an der bulgarischen Grenze Krauskopfpelikane gefilmt. Ich bin beseelt und glücklich davon zurückgekommen und habe mich besser erholt als in einer Reha-Klinik. Man kann das werten, wie man will, aber die Tierfilmerei und die Naturfotografie sind mein Lebenselixier.

Wie hat Ihre Karriere als Naturfilmer überhaupt begonnen?
Kieling: Mein erstes Foto habe ich gemacht, als ich fünf oder sechs war. Da habe ich mein Meerschweinchen Hansi fotografiert, das Bild habe ich heute noch. Mit 17, 18 Jahren fuhr ich zur See und hatte eine Schmalfilmkamera dabei, damit habe ich Tiere, Menschen und exotische Orte gefilmt. Irgendwann war mir klar, dass ich mich filmisch weiterentwickeln will. 1991 habe ich mir meine erste professionelle 16-Millimeter-Kamera gekauft. Ich bin nach Alaska gereist und im Kanu 3500 Kilometer den Yukon runtergefahren – mit meiner damaligen Freundin und meinem Hund. Wir haben alles ordentlich gefilmt, allerdings ohne Auftrag. Aber ich habe an mich geglaubt und habe mein ganzes Geld da rein investiert.

Und hinterher haben Sie das Material einfach dem Fernsehen angeboten?
Kieling: Der WDR fand das Material unglaublich und hat zweimal 45 Minuten für »Länder, Menschen, Abenteuer« daraus gemacht. Das war mein Einstieg in die professionelle Filmerwelt, danach bin ich relativ schnell zum ZDF gekommen. Ich sah die Möglichkeit, von meinen Filmen leben zu können, und dem bin ich treu geblieben. 

Müssen die Aufnahmen fürs Fernsehen heute immer perfekter und spektakulärer sein?
Kieling: Nö, für mich gilt das gar nicht. Ich bin immer noch derjenige geblieben, der mit dem Stativ über der Schulter durch die Gegend läuft und versucht, den Tieren möglichst nahe zu kommen. Ich bin nicht der hochtechnisierte Tierfilmer – ich filme keine Tiere aus dem Hubschrauber, und ich muss keine Mikrokamera in den Enddarm des Elefanten einführen, um zu zeigen, wie die Welt da drin aussieht. Mich interessiert der Elefant als Ganzes. 

Zur Person

Tierfilmer Andreas Kieling

Andreas Kieling kam 1959 im thüringischen Gotha zur Welt und floh als Teenager aus der DDR in den Westen. Er fuhr einige Jahre zur See, arbeitete als Forstexperte und durchquerte Grönland zu Fuß. 1991 machte der Abenteurer aus seiner Leidenschaft für Natur, Fotografie und Reisen einen Beruf, mit einer Reportage vom Yukon in Alaska wurde Kieling über Nacht populär. Andreas Kieling ist verheiratet und hat zwei Söhne. Wenn er nicht auf Reisen ist, lebt er mit seiner Familie auf einem Bauernhof in der Eifel. Der Naturfilmer hat mehrere Bücher veröffentlicht und erhielt 2015 für seine Arbeit das Bundesverdienstkreuz.

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