Rechtspopulismus
Dossier: 

Radikale Christen drücken der AfD ihren Stempel auf

Marc Mudrak
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27. September 2016
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Seit der Gründung der AfD spielen evangelikale Kreise in ihr eine große Rolle – sie prägen Programm und Personal der Rechtspopulisten.

Seit der Gründung der AfD spielen evangelikale Kreise in ihr eine große Rolle – sie prägen Programm und Personal der Rechtspopulisten. ©dpa

Mit der AfD ist Religionspolitik auf die politische Agenda zurückgekehrt – nicht nur durch die Ablehnung des Islam. Vor allem evangelikale Christen, aber auch konservative Katholiken spielen nach Recherchen der Mittelbadischen Presse eine wachsende Rolle in der Partei.

Es ist paradox. Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) hat sich auf die Fahnen geschrieben, das »christliche Abendland« zu verteidigen – sucht man in ihrem Grundsatzprogramm nach dem Begriff »Christ«, wird man aber nur vier Mal fündig. Mit dem Kampf für angeblich christliche Werte erzielte die AfD zudem ihre besten Wahlergebnisse ausgerechnet in jenen Bundesländern, in denen die Mehrheit konfessionsfrei ist, etwa in Mecklenburg-Vorpommern. Wie religiös sind die Rechtspopulisten also?

Einer der überzeugten Christen in der AfD ist Heinrich Fiechtner. Der 55-jährige sitzt für den Wahlkreis Göppingen im baden-württembergischen Landtag. Er ist Pietist, betet vor politischen Entscheidungen, und sagt: »Die AfD hat aufgrund ihrer Wertebetonung von allen Parteien die größten Schnittmengen mit Christen.« Das gelte besonders für evangelikale und pietistische sowie charismatische Gruppierungen, aber auch für konservativere Katholiken. »Wenn solche Menschen unser Programm lesen, sehen sie, wie groß die Schnittmengen sind.«

Ähnlich äußert sich Rainer Balzer – Ex-CDU-Mitglied und gläubiger Katholik. Der 57-Jährige sitzt für den Wahlkreis Bruchsal im Stuttgarter Landtag. »Spezifisch christlich ist die AfD nicht«, sagt er. »In religiösen Fragen sind wir freiheitlich. Aber das christliche Fundament ist da, das merkt man bei Themen wie  Familie, Abtreibung, Multikulti-Ideologie und Gender.«

"Speerspitze der konservativ-christlichen Radikalisierung"

Schnittmengen zwischen konservativ-christlichen Milieus und der AfD erkennt auch der Göttinger Politikwissenschaftler Michael Lühmann (hier im Interview mit der Mittelbadischen Presse). Mehr noch: In einer Studie für die Heinrich-Böll-Stiftung attestiert er den Rechtspopulisten, diese seien »aufs engste verwoben mit evangelikalen Organisationen und Netzwerken.« Im Zentrum dieser Netzwerke fänden sich die AfD-Europaabgeordnete Beatrix von Storch und deren Mann, Sven von Storch, laut Lühmann eine der »Speerspitzen der konservativ-christlichen Radikalisierung der AfD nach dem Vorbild der Tea-Party-Bewegung«. 

Die streng Gläubigen in der AfD haben sich in zwei Arbeitskreisen zusammengefunden: der Bundesvereinigung »Christen in der AfD« und dem »Pforzheimer Kreis«. Mit den Medien sprechen sie ungern – Anfragen der Mittelbadischen Presse ließen die Gruppen unbeantwortet. Welche Programmatik sie verfolgen, macht jedoch ein Blick in die Grundsatzerklärung des »Pforzheimer Kreises« deutlich. Eines seiner wichtigsten Anliegen ist die »gegenseitige Stärkung im Glauben«. Gewettert wird gegen Abtreibung und Präimplantationsdiagnostik bei ungeborenen Kindern. Die Gruppe verteidigt die christliche Ehe aus Mann und Frau, die Homoehe lehnt sie ab.

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Allzu offen wird in der AfD über Glauben jedoch nicht gesprochen. Der Einfluss christlicher Strömungen macht sich vor allem über die Themensetzung bemerkbar. »Innerparteilich spielt Religion keine Rolle«, sagt der Göppinger Landtagsabgeordnete Fiechtner, auch er ist Mitglied im Pforzheimer Kreis. »Viele Mitglieder sind Nicht-Christen und säkular geprägt. Dass gläubige Mitglieder bei der Beurteilung von Lebensrechts- oder Familienfragen auf entsprechende Gedankengänge kommen, ist unausweichlich.«

Gemeinsamkeit: Feindbild Islam

Dabei kommt es zwischen Säkularen und Christen in der AfD durchaus zu Konflikten, etwa was die Bewertung von Homosexualität anbelangt. Überdeckt werden diese Spannungen durch das gemeinsame Feindbild des Islams, der die heterogene Partei auch an anderen Stellen zusammenhält. »Bei Veranstaltungen oder Infoständen sprechen nur sehr wenig Menschen spezifisch religiöse Themen an«, sagt der Bruchsaler Abgeordnete Balzer. »Umso mehr reden sie über den Islam – vom verweigerten Handschlag mit Frauen bis zum Minarett.«

AfD-Politiker wie Fiechtner und Balzer fürchten die Ausbreitung des Islam, unterstellen ihm Missionierung. Und die erwarten sie auch von den christlichen Kirchen – so entsteht Konkurrenzdenken. »Ich vermisse bei der Kirche, dass sie ihren Auftrag der Verkündigung des Glaubens richtig ausführt«, sagt Balzer. 

Zwischen den Vertretern der Kirchen und der AfD herrscht derweil Eiszeit. Nach den jüngsten Wahlerfolgen hat die katholische Kirche vor aufkeimendem Nationalismus in Deutschland gewarnt. »Das Wiederbeleben dieses starken nationalen Redens macht mir große Sorge«, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, laut der Nachrichtenagentur dpa. Auf protestantischer Seite heißt es: »Die Evangelische Kirche in Deutschland ist regelmäßig im Austausch mit Politikern und wird die Auseinandersetzung mit der AfD suchen, wo sie geboten ist.«

Streit mit Großkirchen

Derlei Äußerungen ärgern die rechten Christen. »Mich hat die Positionierung der Bischöfe gegen die AfD mehr als irritiert«, sagt der Katholik Balzer. »Dass der Kölner Erzbischof meint, auf einem Flüchtlingsboot einen Gottesdienst abhalten zu müssen, fand ich reichlich daneben.« Die Großkirchen seien in vielen Fragen politisiert, meint auch der Göppinger Abgeordnete Fiechtner. »Ich fände es bekömmlicher für die Großkirchen, wenn sie stärker auf sich gestellt und nicht von staatlichen Finanzströmen abhängig wären.«

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