Zoff um die Arbeitslosenstatistik
Sinnvoll oder Schönfärberei? Die Bundesregierung plant für das kommende Jahr eine gesonderte Erfassung von Asylbewerbern in der Arbeitslosenstatistik. Die Opposition sieht das sehr kritisch.
Die Arbeitslosigkeit in Deutschland eilt von einem Rekordtief zum nächsten. »Nur« noch gut 2,6 Millionen Menschen waren im November offiziell ohne Job. Doch das dürfte sich schon bald ändern. Mit rund einer Million Flüchtlingen rechnen Experten allein in diesem Jahr, viele von ihnen im erwerbsfähigen Alter. Wer als Asylsuchender anerkannt wird, hat jedoch auch Anspruch auf Hartz IV und kommt damit in aller Regel in die Arbeitslosenstatistik.
Die Bundesregierung plant nun, diese Gruppe ab Mitte 2016 gesondert in der Arbeitslosenstatistik auszuweisen. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) habe schon frühzeitig darauf gedrängt, den Zugang von Flüchtlingen in den Nürnberger Daten so exakt wie möglich abzubilden, hieß es gestern aus ihrem Ressort zur Begründung. Damit könne man auch »gezielter und wirksamer bei der Integration in den Arbeitsmarkt helfen«.
Gegenwärtig kann die BA die Arbeitslosigkeit unter Asylbewerbern und Flüchtlingen nur vage beziffern. Bei der Datenerfassung stützt sie sich nur auf 15 sogenannte Asylzugangsländer. Das sind Staaten wie Afghanistan, Irak oder Syrien, aus denen in den letzten zehn Jahren die meisten Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Demnach gab es im November rund 161 400 arbeitslose Personen aus diesen Staaten. Das waren 6,1 Prozent von allen Arbeitslosen. Unter den Hartz-IV-Empfängern lag ihre Quote im August allerdings schon bei 24,6 Prozent.
In diesen Zahlen sind jedoch auch Menschen enthalten, die bereits viele Jahre in Deutschland leben und gar nicht mehr als Flüchtlinge gelten. Künftig wird im BA-System deshalb auch der Aufenthaltsstatus sowohl für Neu- und Bestandsfälle berücksichtigt.
Dazu sind umfangreiche technische Vorarbeiten notwendig, die Mitte 2016 abgeschlossen sein sollen. Ab dann können Asylbewerber statistisch gesondert betrachtet werden. Das bedeute aber nicht, die Flüchtlinge aus der Statistik »herauszurechnen«, wurde im Arbeitsministerium versichert. Auch künftig werde es nur eine Arbeitslosenquote geben, die die Gesamtzahl der Arbeitslosen ins Verhältnis zur Gesamtzahl der Beschäftigten setze.
Bei den Gewerkschaften stieß das Vorhaben auf Wohlwollen. »Es ist sinnvoll, Gruppen, die eine besondere Aufmerksamkeit erfordern, in der Statistik abzubilden«, meinte DGB-Vorstand Annelie Buntenbach. Dagegen wollte die Opposition dem Frieden nicht trauen: Eine Was-wäre-wenn-Statistik, die die Arbeitslosenzahl mal mit, mal ohne Flüchtlinge ausweist, sei gefährliche Augenwischerei, sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, auf Anfrage.
Auch die Linken befürchten Schlimmes: »Flüchtlinge bei der offiziellen Arbeitslosenstatistik herauszurechnen, verschleiert zusätzlich das tatsächliche Ausmaß der Arbeitslosigkeit und befördert die bestehende Intransparenz«, sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken, Sabine Zimmermann, unserer Zeitung.