Florian Streif: Der Kult-Keeper von der Badstraße
Mit den großen OFV-Namen wie Fritz Kläger, Ernst Willimowski, Hansi Müller oder Kalla Bente hat er nichts am Hut, und trotzdem gilt Florian Streif (28) an der Badstraße selbst als große Nummer: Er ist dort nach Klaus »Josy« Müller und Oliver Göppert der dritte Kult-Keeper der letzten 30 Jahre. Und das, obwohl er im Moment beim Kehler FV das Tor hütet.
Für einen »Roten« ist das ein No-Go ersten Grades. Aber bei seinen Sympathiewerten spielt selbst das keine Rolle. »Warum ich so beliebt bin? Manchmal weiß ich das auch nicht«, sagt Streif – und lacht.
Wahrscheinlich genau deshalb – und weil er einer der Typen ist, die im Fußball vom Aussterben bedroht sind und gewöhnlich nur in den glorreichen Geschichten von früher vorkommen.
Gäbe es das Wort unbekümmert nicht schon längst, es wäre vermutlich für Florian Streif erfunden worden. Er ist einer, der die Dinge in die Hand nimmt und auf die Leute zugeht. »Die zwischenmenschliche Ebene«, sagt er, »ist unheimlich wichtig. Auch im Geschäft mit meinen Kunden.«
Außerhalb des Strafraums ist er Media-Berater bei Hitradio Ohr und Vertriebsleiter bei Schwarzwaldradio. Ein Marketing-Mann also. Das passt – und hat sich vielleicht weniger zufällig ergeben als vieles andere in seinem bewegten Leben.
»Flori« Streif, wie er in seiner Heimatstadt Berlin genannt wird, kam dort im Jahr des Mauerfalls zur Welt. Dass seine lockere Art damit zusammenhängt, lässt sich aber genetisch nicht nachweisen. Egal. Der kleine Streif nahm’s, wie’s kam. Das Kicken begann er mit fünf Jahren beim FC Brandenburg, einem kleinen Kiez-Verein im Stadtteil Charlottenburg, und landete dort nach kurzer Zeit im Tor.
Später lockte die große Hertha. Mit zwölf ging Streif auf die Poelchau-Oberschule, wo über Hertha und Tennis Borussia zwei Fußball-Klassen eingerichtet waren. Dort trainierte er mit keinem Geringeren als dem heutigen Weltmeister und Bayern-Star Jérôme Boateng. Nachmittags lümmelten sie im Lochow-Bad rum. »Da hat noch keiner damit gerechnet, was aus dem wird«, sagt Streif, der selbst ein paar Jahre später überraschend in Offenburg landete.
Obwohl es da eine Verbindung gibt. Streif senior stammt aus Oberkirch, lebte 35 Jahre in Berlin, wo er seine tschechische Frau kennenlernte, ehe er sich 2006 beruflich nach Appenweier veränderte.
Die A-Jugend des OFV war zu dieser Zeit in die Bundesliga aufgestiegen und suchte bundesweit nach Verstärkungen. Streif jr. folgte dem Vater in die Ortenau, aus »Flori« wurde »Flo« – und die Torwart-Karriere nahm Fahrt auf. Zu den Gegnern gehörten der FC Bayern mit Thomas Müller, der FSV Mainz mit André Schürrle und Trainer Thomas Tuchel sowie der SC Freiburg mit Jugend-Coach Christian Streich. »Eine tolle Saison, da konnte ich mich in den Mittelpunkt spielen«, weiß Streif.
Weil in der »Ersten« des OFV die zu dieser Zeit unantastbare Ikone Göppert zwischen den Pfosten stand, ging Streif dann zum SV Linx. Dort teilte er sich die Einsätze mit dem viel älteren Boris Maier – und nahm die übermächtige Konkurrenz als spannende Herausforderung wie alles, was ihm so vor die Füße fällt: »Wir haben uns gegenseitig richtig geil hochgezogen.«
Dennoch wechselte er nach einem Jahr nach Stadelhofen. Dort ging’s um die Verbandsliga-Meisterschaft, aber Streif war nur in der Vorrunde die Nummer 1. Seine Ausbildung zum Sport- und Fitness-Kaufmann kostete zu viel Training. »Da hab’ ich abgebaut«, gibt er zu, »und Stadelhofen wollte mich nicht mehr.« Also flatterte der bunte Vogel ins nächste Nest. Ein Kumpel vermittelte ihn zum SC Hofstetten, der sich in die Verbandsliga verirrt hatte. »Dort«, sagt Streif, »stand ich unter Dauerbeschuss und konnte mich empfehlen.«
Dann war die Zeit wieder reif für den OFV – und für den prägendsten Trainer in Streifs Karriere: Arnold Brunner. Der schickte ihn ein halbes Jahr lang in die »Zweite« und warf ihn im ersten Spiel nach der Winterpause beim Tabellenführer VfR Mannheim ins kalte Wasser. »Ich war so nervös, dass ich beim Warmmachen hinterm Tor an den Zaun gepinkelt habe«, erinnert sich Streif. Doch seinen Kasten hielt er sauber, so gut er konnte – und blieb fortan die Nummer eins. Trotz Göppert. Die Saison endete mit dem Klassenerhalt und dem südbadischen Pokalsieg. Streif wurde Kult. »Flo identifiziert sich total mit den Fans. Er quatscht auch privat mit ihnen und ist in unserer Fan-Kneipe unterwegs«, erklärt Kapitän Marco Petereit den Mythos. Die beiden sind Freunde seit der A-Jugend. Vor zwei Jahren hatten sie auf dem Weg in den Mallorca-Urlaub einen schweren Unfall. Totalschaden, unverschuldet und unverletzt. Petereit: »Wir haben ein Taxi auf die Autobahn bestellt und den Flieger noch erreicht.«
So was schweißt zusammen. Dennoch kam es zur Trennung. Im Sommer 2015 hatte Trainer Marc Lerandy den ins Mittelmaß der Verbandsliga abgerutschten OFV übernommen. Es lief wie am Schnürchen. Streif spielte, und Tabellenführer OFV hatte bis zur Winterpause die wenigsten Gegentore. Doch in der Rückrunde wurde er raus- und reinrotiert. Bis es zum Krisengipfel kam. »Lerandy und Sportvorstand Wagner sagten, ich würde Unruhe stiften«, erzählt Streif. Teammanager Heinz Falk und Petereit hielten dagegen. Doch nach der Meisterschaft wurde Streif von Lerandy ausgebootet. Er sei für die Oberliga zu klein.
40 Fans feierten den 1,80-Meter-Keeper in einer Zunsweierer Scheune zum Abschied, und Falk vermittelte ihn trotz aller Rivalität zum Kehler FV. Auch im Rheinstadion war Streif schnell eine Nummer und hatte den Draht zu allen. Doch als es mit Lerandy im Januar an der Badstraße zu Ende ging, haben sie gleich bei ihrem Publikumsliebling angerufen. Streif zögerte zuerst. »Ich hätte länger bleiben können in Kehl. Aber dann war es eine Herzensentscheidung. Eines Morgens wachte ich auf und wusste, ich bin noch nicht fertig mit dem OFV.«
Im Juli kommt er zurück. Dann will er nicht mehr weg: »Den OFV kennt jeder, alle sprechen darüber. Es ist was Besonderes, für diesen Club zu spielen.« Deshalb betrachtet Florian Streif den Offenburger FV als Endstation Sehnsucht: »Hier werde ich irgendwann sagen: Jetzt ist gut. Danach kann ich mir vorstellen, den Verein zu unterstützen – in welcher Funktion auch immer.«
Falk sagt: »Florian Streif ist ein totaler OFV-Mensch.« Und damit ist alles gesagt.