Marc Lerandy will OFV mittelfristig in Oberliga etablieren
Keine Frage: Der Offenburger FV ist die Entdeckung dieser Saison im mittelbadischen Fußball. Auch wenn der Traditionsverein von der Badstraße hinter den Oberligisten SV Oberachern und Kehler FV nur die dritte Geige spielt, ist er eine Etage tiefer wieder die Nummer eins. Mit acht Punkten und 28 Toren Vorsprung geht der OFV in die Winterpause der Verbandsliga. Überall, wo man nach Gründen für den Aufschwung fragt, fällt der Satz: »Mit dem Trainer passt es.« Marc Lerandy (34), Vater von der Karibikinsel Martinique, Mutter aus Lahr, war zu Besuch in der Sportredaktion der Mittelbadischen Presse und zog sein ganz persönliches Fazit der Vorrunde.
Wie lange sind Sie eigentlich an den OFV gebunden?
Lerandy: Von beiden Seiten her hatten wir das zunächst auf ein Jahr begrenzt.
Das heißt, es ist noch gar nicht sicher, ob Sie die begonnene Erfolgsgeschichte fortschreiben?
Lerandy: Wir sind in Gesprächen, was eine Weiterführung der Zusammenarbeit angeht. Die Tendenz ist schon, dass ich über das Jahr hinaus noch da sein werde. Ich fühle mich sehr wohl. Und für mich war klar, dass es keine kurzfristige Zusammenarbeit wird.
Aber zurück zum Anfang: Es ist vermutlich noch besser gelaufen, als Sie es sich vorstellen konnten?
Lerandy: Als ich kam, war die Mannschaft am Boden und ich stand am Anfang meiner Trainer-Karriere. Angedacht war also, die Mannschaft aufzubauen und mittelfristig was in Gang zu bringen. Dass es gleich so gut läuft, hat auch mich überrascht.
Wie kam’s?
Lerandy: Die Jungs ziehen toll mit und akzeptieren, was ich vorgebe. Diese gute Vorrunde war nicht so geplant. Wie’s gelaufen ist, spricht aber für die Jungs und die Arbeit, die drumherum gemacht wird. Meine Jungs haben richtig Bock auf geilen Fußball.
Acht Punkte Vorsprung: Spielt der OFV in der falschen Liga, wie manche behaupten?
Lerandy: Nein. Die Mannschaft muss sich erst an die neue Spielphilosophie gewöhnen. Ob das eine Liga höher auch gelingen würde, weiß ich nicht. In der Verbandsliga aber können wir das gut entwickeln. Wir wollen ein Team aufbauen, das sich mittelfristig in der Oberliga etablieren kann.
Hatten Sie auch die Möglichkeit auf dem Schirm, sich am OFV die Finger zu verbrennen?
Lerandy: Ich persönlich nicht. In meinem Umfeld kam schon die eine oder andere Stimme, dass der OFV ein heißes Eisen sei. Doch als Spieler habe ich beim 1. FC Saarbrücken auch eine wahnsinnige Herausforderung angenommen. Ich liebe so etwas. Der OFV ist für mich eine Herzensangelegenheit. Das soll er für uns alle werden. Wenn ich vor dem Training über die Plätze laufe, wo die Jugendspieler trainieren, geht mir das Herz auf, mit wieviel Spaß und Freude da trainiert wird. Die Jugendtrainer machen sehr gute Arbeit.
Und wer hat Sie mit dem »Virus« OFV infiziert?
Lerandy: Aus der Ferne habe ich zunächst mitbekommen, dass die Schlagzeilen über meinen ehemaligen Jugendverein OFV nicht immer die Positivsten waren. Das gefiel mir nicht. In Bahlingen hat mich dann Adi Vollmer angesteckt. Er hätte dort einen Vertrag für die Regionalliga bekommen, sagt aber, es gebe für ihn nichts Größeres, als ins OFV-Stadion einzulaufen. Das ist Leidenschaft für einen Verein, die man heutzutage nicht mehr allzuoft antrifft. Und als es konkret wurde, waren die Gespräche mit dem neuen OFV-Sportvorstand Michael Wagner ausschlaggebend, weil er meine Philosophie teilte. Mein Bruder Alex, der die B-Jugend erfolgreich trainiert, war natürlich auch ein wichtiger Ansprechpartner.
Ist die Dreierkette in der Abwehr, die eine Überzahl im Mittelfeld schafft, der Schlüssel zum Erfolg?
Lerandy: Ich habe mich nicht alleine, sondern zusammen mit der Mannschaft für diese Dreierkette entschieden. Die Jungs müssen daran glauben und dieses System verstehen. Deswegen funktioniert das momentan so gut. Aber der entscheidende Schlüssel zum Erfolg ist diese Variante nicht.
Was dann?
Lerandy: Die Basissteine, die wir gesetzt haben. So Dinge wie dass ich den Jungs erklärt habe, was es bedeutet, für diesen Verein zu spielen, dass man das leben muss. Das gepaart mit Leidenschaft im Training, unbedingtem Siegeswillen, Bodenständigkeit, Herzblut – alles zusammen ist der Schlüssel zum Erfolg. Auch dass ich keine Arroganz sehe bei den Jungs. Kein Gegner wird unterschätzt, sondern alle werden ernst genommen.
Wer sind für Sie die Entdeckungen der Vorrunde?
Lerandy: Da gibt es ein paar. Ich hätte nicht gedacht, dass Max Chrobok, der noch A-Jugend spielen könnte, eine so herausragende Vorrunde hinlegt. Er ist ein ganz feiner Junge. Auch Louis Beiser-Biegert muss ich erwähnen. Und gestandene Spieler, die noch einen Schritt nach vorne gemacht haben wie Adi Vollmer als Führungsfigur, Marco Petereit, Marco Junker und Nico Schlieter. Die anderen ziehen sich an ihnen hoch. Ich will aber auch die Spieler loben, die nicht so zum Zuge kamen. Jeder hat für sich einen Schritt nach vorne gemacht.
Sie haben als oberstes Ziel die Entwicklung der Mannschaft ausgegeben. Wie weit sind Sie auf einer Skala von eins bis zehn?
Lerandy: Ich sag’ mal, bei »4«. Das dauert seine Zeit. Die Jungs wissen, dass ich viel verlange. Wir gehen step by step.
Und was sind die nächsten Baustellen?
Lerandy: Wir sind schon ziemlich weit in der Entwicklung. Dennoch müssen wir weiter zielstrebig unseren Plan abarbeiten. In Sachen Kreativität, Spielwitz und mannschaftliche Elemente werden wir sehr viel arbeiten, um noch unberechenbarer zu werden.
Ihr Vorbild als Trainer ist der Heidenheimer Erfolgscoach Frank Schmidt. Was können Sie von ihm übernehmen?
Lerandy: Erstmal ist er ein wahnsinniger Fachmann, aber davon gibt’s viele. Seine ruhige Art und wie er die Dinge vermittelt, beeindrucken mich. Er stellt die Mannschaft in den Vordergrund, arbeitet sehr bescheiden und gleichzeitig sehr akribisch. Auch wie er auf Kleinigkeiten Wert legt und auf die Spieler privat eingeht. Dazu seine Loyalität zum Verein – dass er in Heidenheim was aufbauen will trotz der Angebote von anderen Vereinen. Und schließlich seine Loyalität zu den Spielern, die er über die Jahre aus unteren Klassen mit hochgezogen hat. Davor ziehe ich den Hut.
Jetzt bräuchte der OFV nur noch einen Geschäftsführer wie den Heidenheimer Holger Sanwald, dem es gelingt, die regionale Wirtschaft zu aktivieren...
Lerandy: Wieso? Wir haben doch mit Michael Wagner jemanden, der sich sehr gut um den Bereich kümmert. Wir als Mannschaft wollen durch unsere Art, Fußball zu spielen, versuchen, dass sich der eine oder andere Sponsor mit der Leidenschaft und der ehrlichen Arbeit meiner Jungs identifizieren kann. Aber wir als OFV wollen nicht jammern, sondern lieber in Vorleistung gehen mit unserer sportlichen Leistung. Wenn die stimmt, gewinnen die Sponsoren im Laufe der Zeit wieder das Vertrauen.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem neuen Sportvorstand Michael Wagner und Teammanager Heinz Falk?
Lerandy: Heinz ist der Ansprechpartner für die Spieler. Er weiß, an welcher Schraube er drehen muss und wie die ticken. Mit Michael sind es kurze Wege, er hat viele neue, realistische Ideen, hält mir den Rücken frei, und weiß am besten, wie ich denke und was ich zum Arbeiten brauche. Die Kombination aus Falk und Wagner ist sehr hilfreich für mich.
Hegen Sie eigentlich Ambitionen, irgendwann Profi-Trainer zu werden?
Lerandy: Natürlich denkt man darüber nach, aber wirklich beschäftigt habe ich mich damit noch nicht. Das ist eine Sache, die ich am Schluss nicht alleine entscheiden kann. Da spielt auch meine Familie eine Rolle. Sicherlich möchte ich so hoch wie möglich trainieren, und wenn es vor der Haustür wäre, hätte ich erst recht kein Problem damit.
Was kann den OFV noch von der Meisterschaft und der Rückkehr in die Oberliga abhalten?
Lerandy: Die bereits angesprochenen Dinge. Wenn die Jungs am Boden bleiben, sich auf jeden Gegner vorbereiten und ihm mit Respekt entgegentreten, wird es auch in der Rückrunde schwer sein, uns zu schlagen. Wir gehen unseren Weg weiter, ohne auf die Punktezahl zu schauen, werden weiterhin hart arbeiten und uns durch nichts und niemanden ablenken lassen.
Ist Rielasingen der einzige ernsthafte Konkurrent?
Lerandy: Wenn man die Tabelle betrachtet, ja. Die anderen sind schon ziemlich weit weg. Andererseits: Letztes Jahr mit dem Bahlinger SC hatten wir elf Punkte Rückstand auf den SV Spielberg und wären am Ende fast noch direkt aufgestiegen. Was ich damit sagen will: Kuppenheim, Waldkirch und Auggen sind nicht zu unterschätzen. Aber ich bin überzeugt, dass unsere Spieler das richtige Gen in sich haben.
Marc Lerandy
Geboren: 25. November 1981 in Allmannsweier.
Beruf: Automobilkaufmann.
Privat: Lebenspartnerin, zwei Töchter (8 und 3 Jahre).
Hobbys: Familie.
Stationen als Spieler: Spvgg Lahr, Offenburger FV, SC Freiburg (alle Jugend); SC Freiburg II, SV Sandhausen, SV Linx, SC Pfullendorf, VfR Willstätt, 1. FC Saarbrücken, Bahlinger SC.
Größte Erfolge: Zwei U 17-Länderspiele, Aufstieg mit 1. FC Saarbrücken in die 3. Liga, Aufstieg mit Bahlinger SC in die Regionalliga.
Stationen als Trainer: Offenburger FV (seit 1. Juli)