Volleyball bleibt mein ständiger Begleiter
Wenn der VC Offenburg am Samstag (19.30 Uhr/Nord-West-Halle) die TG Bad Soden zum Saisonabschluss in der 2. Volleyball-Bundesliga empfängt, ist die Begegnung für Trainerin Tanja Scheuer nicht nur aufgrund der Chance zur Titelverteidigung etwas ganz Besonderes. Nach sieben Jahren sitzt die 42-Jährige, die vor vier Wochen ihr zweites Kind bekam, zum letzten Mal auf der Trainerbank.
Ein lauter Knall, ein stechender Schmerz – Achillessehnenriss! Es war einer dieser Momente, vor denen sich jeder Sportler fürchtet, der am 10. Oktober 2009 aus der Volleyball-Spielerin die -Trainerin Tanja Scheuer gemacht hat. »Wir hatten besprochen, dass ich eine Verletzung vortäuschen soll, wenn ich nicht gut spiele, um mich als Libera auswechseln zu dürfen. Doch dass es ernst war, hat nur Peter kapiert«, erinnert sich Tanja Scheuer noch heute daran, wie sie das Herren-1-Urgestein Peter Zimmermann aus der Nord-West-Halle trug. »Das war der Moment, wo ich gemerkt habe, dass es reicht. Ich wollte mich nicht noch einmal zurückkämpfen.«
Seinerzeit hatte der VC Offenburg unter dem damaligen Trainer und heutigen Präsidenten Fritz Scheuer gerade den Sprung in die 2. Liga und ein halbes Jahr später den Klassenerhalt geschafft.
Plan des Präsidenten
»Ich war damals VCO-Libera und Co-Trainerin unter Fritz. Sein Plan war ohnehin, mich früher oder später als Cheftrainerin zu installieren«, so Tanja Scheuer, die vor ihrem Umzug zum heutigen Ehemann Florian 2008 nach Freiburg unter ihrem Mädchennamen Tanja Busch bereits neun Jahre als Spielerin und Jugendtrainerin in Speyer tätig war und dann im Breisgau die zweite Herrenmannschaft der FT Freiburg betreute.
»Da ich nah an der Mannschaft dran war, war es ein fließender Übergang. Doch ich wollte vieles umkrempeln, das Training war eher Larifari«, erinnert sich Tanja Scheuer an ihren Einstieg ins VCO-Trainergeschäft im Sommer 2010. »Ich bin Perfektionist, werde oft als Taktikfuchs bezeichnet, weil ich immer auf der Suche nach dem Schlüssel zum Erfolg bin«, hat es Tanja Scheuer sieben Jahre später rückblickend wenig überrascht, dass aus dem notorischen Abstiegskandidaten VCO mittlerweile ein Spitzenteam der 2. Bundesliga mit der Meisterschaft 2016 als Krönung geworden ist. »Das war die logische Konsequenz einer stetigen Entwicklung«, bezeichnet Scheuer die Arbeit von 2010 und 2017 im Vergleich als »Quantensprung«, der sich nicht nur in den Bereichen Taktik, Scouting sowie Mental- und Athletiktraining, sondern auch im menschlichen Segment niederschlägt. »Wir sind die Treppe immer eine Stufe weiter nach oben gestiegen.«
Denn Tanja Scheuer hat sich schon immer nicht nur als Volleyballtrainerin verstanden, die persönliche, psychologische und mentale Ebene war Scheuer, die auch nach der Hochzeit 2010 und dem Umzug nach Offenburg 2011 noch bis 2013 als Praxismanagerin und Arzthelferin in Freiburg arbeitete, stets wichtig: »Eine Mannschaft Jahr für Jahr neu zu formieren, ist auch menschlich immer wieder interessant. Ich verstehe das als eine Form der Gemeinschaft, in der jede Auseinandersetzung respektvoll und positiv enden muss.«
Kein Wunder, dass Scheuer einen Teamvertrag mit mannschaftsinternen Regeln einführte und bei Auswärtsfahrten mit Übernachtung gerne das Los über die Zimmereinteilung entscheiden ließ.
Von ihrem Credo, vor allem junge, aber auch ältere Spielerinnen zu entwickeln, ist Tanja Scheuer auch mit den ersten Verpflichtungen ausländischer Spielerinnen im Jahr 2013 nicht abgerückt: »Die Ausländerinnen sind nicht dazu da, um für uns die Spiele zu gewinnen, sondern um unsere deutschen Spielerinnen noch besser zu machen.« In einer Jahr für Jahr stärker werdenden 2. Bundesliga sei ihre Mannschaft auch an den Gegnerinnen gewachsen.
Das Highlight Meisterschaft im Vorjahr war für Tanja Scheuer auch eine Art Bestätigung ihrer langfristig aufgebauten Arbeit. »Ich wollte immer mal ein Team auf ein hohes Level führen, das ist mir mit dieser Mannschaft gelungen«, so Scheuer, der der Titel weniger wichtig ist als die emotionalen Erinnerungen an diesen 2. April 2016, an dem der VCO mit rund 100 mitgereisten Fans nach dem 3:1-Erfolg in Neuwied den größten Erfolg in der 32-jährigen Vereinsgeschichte feiern durfte.
Doch in den sieben Jahren erlebte Tanja Scheuer nicht nur Höhen. Von Dezember 2013 bis März 2014 litt die heute 42-Jährige unter einer schweren Depression und war phasenweise sogar in stationärer Behandlung. »Ich hatte körperliche Beschwerden, aber vor allem ein Gefühl der Antriebs- und Gefühlslosigkeit. Meine große Leidenschaft Volleyball hat mir überhaupt keinen Spaß mehr gemacht. Das war nicht mehr ich selbst«, hatte Scheuer damals in einem Interview mit der Mittelbadischen Presse die Symptome geschildert.
Aus diesem Tal hat sich die A-Lizenz-Inhaberin in erster Linie mit Hilfe der Familie, aber auch durch den Sport herausgekämpft: »Volleyball war mein ständiger Begleiter und eine Lebenshilfe für mich. Und das wird auch immer so bleiben! Dieser Sport spiegelt das Leben wider, diese Parallele habe ich immer wieder erlebt.«
Angebote abgelehnt
Aus dieser Erfahrung hat Tanja Scheuer gelernt. Nach Töchterchen Leni im Jahr 2011 hat sie am 26. März dieses Jahres Sohn Louis zur Welt gebracht – und will nun die Zeit außerhalb der Sporthalle im Kreis ihrer Familie im neuen Eigenheim in Elgersweier genießen. »Ich bin etwas VCO-müde und freue mich jetzt erstmal auf eine Pause.« Im gleichen Zug gibt sie aber auch zu: »Das Team und das Vermitteln wird mir fehlen. Deshalb glaube ich nicht, dass ich lange Zeit weit weg von der Mannschaft sein werde.« Angebote aus der Schweiz und von Stützpunkten hat sie abgelehnt.
Einen neuen Trainer will der VCO kommende Woche präsentieren, doch auch Tanja Scheuer wird dem Verein, der für sie »Familie« und »Lebensqualität« darstellt, erhalten bleiben. »Ich kann mir gut vorstellen, den Leistungssportbereich im Hintergrund zu betreuen und mich im Marketing einzubringen. Mittelfristig will ich den VCO in der 1. Bundesliga sehen, das wäre der nächste Schritt.«
Doch das ist Zukunftsmusik, in der Gegenwart gilt es nun, sich heute Abend als starker Vizemeister nach einer schwierigen Saison zu verabschieden. Und wer weiß: Vielleicht spielt die Konkurrenz mit und Tanja Scheuer bekommt als Titelverteidigerin sogar noch einen Bilderbuch-Abschied.
Stimmen zum Abschied
Richarda Zorn (Kapitänin der VCO-Zweitliga-Mannschaft):
Tanja bringt viel Herzblut und Leidenschaft mit, ist emotional, ehrgeizig sowie zielstrebig und will dich als Spielerin und Mensch weiterbringen. Sie fordert viel, aber fördert dich genauso sehr, weil sie dir deine Schwächen aufzeigt und kein Blatt vor den Mund nimmt.
Fritz Scheuer (Präsident des VC Offenburg und Schwiegervater):
Tanja ist als Trainerin akribisch, durchsetzungsstark, aber auch empathisch und verständnisvoll im Umgang mit den Spielerinnen. Als Schwiegertochter ist sie ein geliebtes Familienmitglied, das am Tisch in Sachen Volleyball manchmal ausgebremst werden muss.
Lisa Solleder (Dienstälteste Spielerin des VC Offenburg):
Es wird schwer werden, diese Lücke zu füllen. Tanja war immer mit 100 Prozent Herzblut bei der Sache. Sie ist ein sehr ehrgeiziger und disziplinierter Mensch mit sehr großem Volleyballwissen und hat es geschafft, jedes Jahr das Beste aus dem Team herauszuholen.