Rückblick

Duravit wird 200: Mit einfachem Tischgeschirr fing alles an

Tobias Symanski
Lesezeit 5 Minuten
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22. Mai 2017

(Bild 1/5) Das Marketing war schon damals ungewöhnlich: Um potenziellen Käufern die Vorzüge einer Toilette aus Steingut näherzubringen, führten Mitarbeiter des Hornberger Unternehmens einen ungewöhnlichen Belastungstest durch. © Duravit

Toiletten und Waschtische, Bade- und Duschwannen, Handtuchhalter und Spiegelschränke – das Hornberger Unternehmen Duravit hat heute so ziemlich alles im Programm, was man für die Ausrüstung des Bades braucht. Vor 200 Jahren begann das Unternehmen ganz bescheiden mit der Herstellung von Tischgeschirr.

Ein richtiges Badezimmer, das nur für Körperhygiene und den Toilettengang da ist, war für die meisten Menschen in Europa lange unvorstellbar. Das Geschäft wurde einfach draußen im Plumpsklo verrichtet, zum Waschen musste eine Schüssel ausreichen. Selbst in Großstädten hatten nur die wenigsten Wohnungen zum Ende des 19. Jahrhunderts eine echte Nasszelle. Der Zuber stand in der Küchenecke, und wenn davor ein Vorhang oder eine Schiebetür war, sprach man bereits von einem »Frankfurter Bad«.

Als der heutige Badausrüster Duravit im Jahr 1817 mit seiner Manufaktur begann, gab es also noch keinen Sanitärmarkt. Damals produzierte die von Georg Friedrich Horn gegründete Steingut-Fabrik Hornberg noch Tischgeschirr. 25 Jahre später kamen die ersten Sanitärprodukte hinzu, denn nach und nach setzte sich die Erkenntnis durch, dass eine gewisse Hygiene der Gesundheit des Menschen zuträglich ist.

»In den ersten 150 Jahren standen für das Unternehmen vor allem Qualität und Präzision in der Keramikproduktion im Fokus«, sagt Frank Richter, der heutige Vorstandsvorsitzende von Duravit. Der vorherrschende Werkstoff war damals Steingut, das im 18. Jahrhundert in England erfunden wurde. Was die Steingut-Fabrik für die Produktion in Hornberg brauchte, waren die damals klassischen Standortfaktoren des Schwarzwaldes: Kaolin, Holz zum Befeuern der Öfen und natürlich Wasser.
Das Badezimmer wie wir es heute kennen, enstand erst in den 1950er-Jahren – mit Badeofen, Waschbecken und Badewanne. Zu diesem Zeitpunkt erfolgte auch die Abkehr vom Hartsteingut, Duravit stellte die Produktion ab 1950 auf Porzellan um und gab sich zehn Jahre später den heutigen Firmennahmen.

Noch in den 1980ern wurden einfach nur WCs und Waschbecken verkauft. 

Wenn man von der Entwicklung des Unternehmens in den vergangenen Jahrzehnten spricht, kommt man an einem Namen nicht vorbei: Franz Kook, der Amtsvorgänger des heutigen Unternehmenschefs Frank Richter. Unter Kooks Regie entwickelte sich Duravit vom sanitären Einzelteilhersteller zum Lifestyle-Einrichter. Noch in den 1980ern wurden einfach nur WCs und Waschbecken für die gezielt klein gehaltene Nasszelle verkauft, heute sind es ausgefeilte Badkonzepte, denen ein wesentlich größerer Teil des Wohnbereichs gewidmet wird. Und Duravit hat mit seinen Design-Vorschlägen einen gewichtigen Teil dazu beigetragen.

Kook war stets klar, dass dies der einzige Weg ist, um das Unternehmen aus Hornberg in eine gesicherte Zukunft zu führen. »Wenn man in das enge Schwarzwaldtal blickt, wird einem sofort klar, dass Duravit mit industrieller Massenfertigung nicht hätte bestehen können«, hatte Kook einmal in einem Interview gesagt. »Es gibt weltweit unglaublich viele Hersteller von Keramik. In diesem großen Haifischbecken sind wir nur ein relativ kleiner Fisch. Deswegen müssen wir uns über Produktdifferenzierung von der Konkurrenz absetzen«, lautete seine Schlussfolgerung.

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Bereits Mitte der 1980er-Jahre ging Duravit gemeinsam mit dem Produktdesigner Dieter Sieger einen mutigen Schritt. Sieger schuf für die Hornberger die erste Designserie für das Bad mit dem Namen »Giamo«. »Ich wollte unbedingt eine Serie entwickeln, die außergewöhnlich ist, die sich von allem anderen, was auf dem internationalen Markt war, unterscheidet«, sagt Sieger heute rückblickend.

Mutig war die Entscheidung vor allem deshalb, weil die Serien-Entwicklung ein Millionen-Budget verschlang. »Das war damals für das kleine Unternehmen schon ein gewaltiger Schritt nach vorne. Aber Duravit hat bei allem mitgezogen«, sagt Sieger. »Giamo« wurde 1987 der Öffentlichkeit präsentiert und war der Durchbruch für das  mittelständische Unternehmen. Sieger: »Von da an begann der Siegeszug von Duravit, wir haben danach eine Serie nach der anderen gemacht.« Diese Initialzündung sorgte dafür, dass das regional ausgerichtete Unternehmen sich immer mehr zum Global Player entwickelte.

Das erste vollständige Design­bad folgte dann 1994 mit Philippe Starck, der auch für den Schiltacher Armaturenhersteller Hansgrohe regelmäßig tätig wurde. Es war eine weitere Revolution in der Sanitärbranche. Die Zusammenarbeit mit den kreativen Köpfen aus der Branche ist für Duravit heute ein Selbstverständlichkeit. Doch Design-Übertreibungen verbieten sich die Hornberger von vornherein:  »Wir sind modern, aber nicht modisch, wir sind immer zeitlos und eher reduziert als opulent«, sagt Unternehmenschef Richter.

Die Unternehmerfamilie Greinert gibt Duravit langfristige Sicherheit.

Heute arbeiten für Duravit knapp 5000 Menschen, das Unternehmen hat elf Produktionsstandorte und 31 Vertriebsorganisationen, die rund um den Globus verteilt sind. Der Umsatz summierte sich im vergangenen Jahr auf 450 Millionen Euro.
Dass es mit dem Hornberger Unternehmen immer weiter aufwärts ging, ist auch dem langfristigen Engagement der Eigentümer zu verdanken. Die Unternehmerfamilie Greinert – sie hält 75 Prozent der Anteile – gilt als Konstante hinter der erfolgreichen Marke. Zwar treten die Greinerts nicht in der operativen Führung des Unternehmens auf, sie übernahmen aber im Hintergrund stets Verantwortung für die Geschicke des Schwarzwälder Badausstatters.

Jutta Greinert, die der Unternehmerdynastie Röchling entstammt, und ihr Mann Klaus Greinert waren seit 1988 – mit dem Wechsel der Rechtsform von Duravit in eine Aktiengesellschaft – im Aufsichtsrat engagiert und begleiteten viele wegweisende Entscheidungen mit. Derzeit ist Sohn Gregor Greinert Aufsichtsratsvorsitzender des Unternehmens.

Hintergrund

Meilensteine in der 200-jährigen Duravit-Geschichte

1817: Die Keimzelle von Duravit, die Steingut-Fabrik Hornberg, wird im Mai gegründet.
1842: Neben der Herstellung von Tischgeschirr wird die Produktpalette um Nachtgeschirre erweitert.
1912: Die Fertigung von Steingut-Geschirr wird eingestellt.
1956: Die Produktion ist vollständig von Steingut auf Porzellan umgestellt.
1960: Das Unternehmen wird in Duravit umbenannt
1977: Start der Badmöbelproduktion.
1982: Start der Accessoires-Produktion, beispielsweise Seifenspender und Seifenschalen.
1984: Übernahme der Aktienmehrheit am französischen Unternehmens Céramique de Bisch­willer, seit 1991 eine 100-prozentige Duravit-Tochter
1988: Duravit wechselt die Rechtsform: Aus einer GmbH wird eine Aktiengesellschaft.
1994: Eröffnung einer neuen Keramikproduktion in Meißen.
1999: In Kairo startet die Produktion von Sanitärkeramik.
2001: Duralog Duravit Logistik errichtet in Achern ihr neues Zentrallager, und in der Türkei nimmt Duravit Turkey die Produktion auf.
2002: Duravit Egypt nimmt ein zweites Werk für Wannen- und Wellnessprodukte in Betrieb.
2004: Das von Philippe Starck entworfene Design Center in Hornberg öffnet seine Türen.
2005: Im chinesischen Chongjing geht die Produktion ans Netz.
2008: Duravit übernimmt eine Mehrheitsbeteiligung am tunesischen Hersteller Manufacture Tunisienne des Céramiques (MTC).
2010: Einweihung des Keramikwerks im indischen Tarapur.
2011: Das Werk in Shanghai geht in Betrieb.
2012: Frank Richter übernimmt den Duravit-Chefposten zum 1. Januar von Franz Kook.
2014: Am Standort Meißen öffnet das Duravit Technology Center.

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