Zalando-Neubau: Scharfe Kritik wegen Niedriglöhnen
Der Online-Modehändler Zalando plant in Lahr ein neues Logistikzentrum. OB Wolfgang G. Müller pries am Montag beim Pressetermin die Vorteile für die Region. Rund 1000 neue Arbeitsplätze sollen entstehen. Die Gewerkschaft Verdi aber moniert niedrige Löhne und eine Politik der befristeten Verträge.
Der Online-Handel boomt. Amazon, Zalando und Co. profitieren vom anhaltenden Trend, Konsumgüter nicht mehr im Ladengeschäft, sondern im Internet zu bestellen. Daher will der Online-Modehändler Zalando im Oktober mit dem Bau eines Logistikzentrums auf einem rund 18,5 Hektar großen Areal am Lahrer Flughafen beginnen. Rund 1000 Arbeitsplätze sollen auf dem ehemaligen Militärgelände der kanadischen Streitkräfte entstehen.
Beim Pressegespräch am Montag ließ Lahrs Oberbürgermeister Wolgang G. Müller die Zeit der zweijährigen Vorbereitung kurz Revue passieren. »Das war ein richtiger Marathon«, sagte das Stadtoberhaupt, das sich von der »Premium-Marke« Zalando und ihrem »exzellenten Werbeauftritt« überzeugt gab.
Der börsennotierte Modehändler, der aktuell mehr als 9000 Mitarbeiter in Deutschland beschäftigt, will das Gelände vom australischen Investor Goodman anmieten. Der lässt zurzeit die Baggerschaufeln auf dem künftigen Zalando-Standort kreisen. Aus dem neuen Zentrum in Lahr sollen dann Kunden in Süddeutschland, Frankreich und in der Schweiz beliefert werden. Der Betriebsstart des bundesweit vierten Zalando-Verteilzentrums ist für Herbst 2016 geplant. Neben der Entstehung neuer Arbeitsplätze sei die Zalando-Ansiedlung Beweis für die Attraktivität des Standorts Lahr sagte OB Müller. Er sprach von einer »positiven Strahlkraft«.
Gemeint sind damit auch die französischen Nachbarn. Trotz anhaltender wirtschaftlicher Vitalität im Südwesten sehen die Akteure durchaus Bedarf an großen Arbeitgebern, die auch Menschen ohne oder mit nur wenig beruflicher Qualifikation Arbeit böten. Jean Marc Willer, Bürgermeister von Erstein und stellvertretender Vorsitzender des deutsch-französischen Zwecksverbands »Vis-à-Vis«, verspricht sich durch Zalando einen Impuls für das Elsass, das mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit zu kämpfen hat – rund 20 Prozent, wie Horst Sahrbacher, Chef der Arbeitsagentur Offenburg, ergänzte. Auf deutscher Seite seien es rund 6500 Jugendliche entlang der Rheinschiene und insgesamt rund 22 000 in Frankreich. Im Stadtgebiet Lahr gibt es nach Auskunft von OB Müller sechs Prozent Arbeitslose und damit deutlich mehr als der Ortenau-Durchschnitt von 3,5 Prozent (August).
Verdi: "Skandalös"
Von den insgesamt 14 von Zalando sondierten Standorten in Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg sei schließlich Lahr übriggeblieben, sagte Herbert Bossinger von der Wirtschaftsfördergemeinschaft »Baden-Württemberg international« (bwi). Als ausschlaggebende Standortfaktoren nannte Bossinger unter anderem die Nähe zur A5, das üppige Geländeangebot am Flughafen und die kurzen Wege im Dreiländereck.
Scharfe Kritik an Zalando übte die Gewerkschaft Verdi. Sprecherin Eva Völpel bemängelte neben einem geringen Lohnniveau vor allem die Praxis der »extrem hohen Befristungsquoten«. Demnach hätten an älteren Verteilzentren rund 50 Prozent und am jüngsten Standort in Mönchengladbach rund 90 Prozent der Arbeitnehmer befristete Verträge von einer Dauer zwischen sechs Monaten und einem Jahr. »Und das ist natürlich skandalös«, sagte Völpel. »Aus Unternehmenssicht ist das gar nicht nötig, denn wir sehen ja, dass Zalando ständig expandiert.«
Auf Nachfrage gab Zalando an, Details zum Standortkonzept erst in den kommenden Monaten zu nennen. »Wie an allen unseren Logistikstandorten werden wir uns auch in Lahr am regionalen Tarifvertrag für die Logistik orientieren«, hieß es aus der Zalando-Zentrale in Berlin.