Innovativ im Dunkeln
Efringen-Kirchen. Dereinst, in ferner, heute noch nicht absehbarer Zukunft werden die ICE mit Tempo 250 durch den Katzenbergtunnel sausen. 2 Minuten und 15 Sekunden wird die Passage durch den 9385 Meter langen Tunnel dann dauern. Die Reisezeit von Freiburg nach Basel wird sich um 16 Minuten verkürzen, und die Hochgeschwindigkeitszüge der Bahn werden dann mutmaßlich auch im Halbstundentakt verkehren. In diesem Jahrzehnt dürfte das allerdings alles nicht mehr eintreten.
Vom 9. Dezember an wird die Reise von Freiburg nach Basel 4 bis 6 Minuten schneller. Die Züge müssen sich dann nicht mehr die kurvige Strecke am Berghang zwischen Schliengen (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) und Efringen-Kirchen (Kreis Lörrach) entlangquälen. Der neue Tunnel macht’s möglich – auch wenn es vorerst wie auf dem Rest der Strecke zwischen Offenburg und Basel bei Tempo 160 bleibt. Michael Breßmer, der Sprecher der DB Projektbau, nennt den Katzenberg »den modernsten Tunnel, den die Bahn im Moment realisiert«. 520 Millionen Euro wird das Projekt am Ende gekostet haben.
»Bautechnisch sind wir fertig«
Um den Tunnel an die Bestandsstrecke anbinden zu können, entstanden nördlich und südlich unterschiedlich lange Teilstücke der Neubaustrecke. Insgesamt werden so knapp 18 Kilometer Strecke neu in Betrieb genommen werden. »Bautechnisch sind wir fertig«, sagte Heiko Siebenschuh, Projektteamleiter für den Abschnitt südlich des Tunnels.
Die Gleise liegen, die Oberleitungen sind bis auf kurze Stücke an den Tunnelausgängen installiert. Wie Siebenschuh und sein für den Tunnel zuständiger Kollege Thomas Ziegler bestätigten, werden derzeit im Tunnel die Steuerung für die Löschwasseranlage sowie die Einrichtungen für die Telekommunikationseinrichtungen eingebaut. Nächsten Samstag wird dann der Tunnel gescannt, danach prüft ein Gleismesszug den korrekten Einbau der Schienen. Später folgen erste Abnahmefahrten, bei denen etwa die Oberleitungen gecheckt werden.
Tempo 230 statt 280
Ist das alles okay, starten wahrscheinlich im August die sogenannten Hochtastfahrten. Nach den Schilderungen der Bahnvertreter arbeitet sich ein speziell nur für diesen Zweck ausgerüsteter ICE peu à peu an die Geschwindigkeitsobergrenze heran. Die wird bei 250 Stundenkilometern liegen; der Testzug muss 10 Prozent Tempo mehr testen, also eigentlich mit bis zu 280 Sachen durch den Katzenberg rasen. Das aber wird jetzt erst mal nicht klappen: Die Anlaufstrecken sind zu kurz. Vermutlich wird es der Test-ICE im Tunnel auf 230 km/h bringen, und das reicht, um den für den Moment vorgesehenen Regelbetrieb mit Geschwindigkeiten bis 160 km/h freigegeben zu kriegen.
Zur Einweihungsparty – wahrscheinlich in den Tagen vor dem Fahrplanwechsel – wird neben Bahnvorstandschef Rüdiger Grube auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) erwartet. Der hat offenbar endlich seine Zusage gegeben – aus Bahnkreisen war in den letzten Wochen immer wieder zu hören gewesen, Ramsauer zögere eine Zusage hinaus. Ramsauer wäre der erste Bundesverkehrsminister, der dem Katzenbergtunnel die Ehre erweist. Beim Anbohren der ersten Röhre im Mai 2005 war kein offizieller Vertreter des Bundesverkehrsministeriums zugegen, ebenso wenig beim Durchstich im Oktober 2007. Da hatten sich wenigstens die beiden Tunnelpatinnen zur Baustelle bemüht – Marion Caspers-Merk (SPD), Ex-Staatssekretärin und MdB aus dem Wahlkreis Lörrach, und Inken Oettinger, damalige Gattin des damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU).
Der Katzenbergtunnel zeichnet sich durch eine Vielzahl von Innovationen aus. Dazu zählt die sogenannte Feste Fahrbahn, die aus vorgefertigten Betonfertigteilen besteht und das gewohnte Gleisschotterbett ersetzt. Ebenso wurden bei der Aufhängung der Oberleitungen neue Wege beschritten. Und auch die Brandschutztüren in den 19 Querstollen zwischen beiden Tunnelröhren sind neu: Die mechanisch selbst schließenden Pendeltüren sind 2 Meter breit, blau leuchtende Schilder weisen den Weg zu den Fluchtwegen – Blau statt wie bisher Grün sei jetzt vorgeschrieben, hieß es, damit die Lokführer nicht Gefahr laufen, das Licht mit dem von Signalen zu verwechseln.
Keine Chance für den Knall
Die »Sonic-Boom«-Bauwerke an den Tunnelportalen sind ebenfalls eine Neuheit in Europa. Erstmals entstanden hier sogenannte Haubenbauwerke, die durch leere Kammern neben oder über der Strecke die Luft der Druckwelle aufnehmen und nach oben ableiten. So wird der Tunnelknall bei der Ausfahrt des Hochgeschwindigkeitszuges aus dem Tunnel verhindert.
Auch außerhalb des Tunnels gibt es Besonderheiten. Kurz hinter dem Südportal befindet sich die mit knapp 1,7 Kilometer längste Tensar-Wand Europas – ein begrünte Steilwand, die den Flächenverbrauch zwischen tiefliegenden Bahngleisen und dem Umland reduziert. In der Ortsdurchfahrt von Eimeldingen schließlich wurde ein neuartiges Erschütterungsschutzsystem eingebaut. Es ist ein Betontrog mit Dämpfmatten, in dem Schotterbett und Gleise liegen und der auf einer Länge von 440 Metern die Erschütterungen in der Umgebung deutlich reduzieren soll.
Der Katzenbergtunnel im Detail
Feste Fahrbahn
Die Gleise im Katzenbergtunnel liegen nicht auf Schotter, sondern direkt in einem Bett aus Beton und Stahl. Diese Betonfertigteile – amtlich heißen sie Gleistragplatten – wurden von der bayerischen Firma Max Bögl Rail GmbH gefertigt. 3600 jeweils 6,5 Meter lange und 8,8 Tonnen schwere Fertigteile wurden mit einer Passgenauigkeit von 2 Millimetern im Werk Neumarkt gefertigt, keine Platte gleicht dabei der anderen. Beim Einbau im Tunnel habe jedes Teil haargenau gepasst, sagte ein Firmenvertreter jetzt in Efringen-Kirchen, und nannte das eine »großartige Vermessungsleistung«.
Nach dem Einbau der Festen-Fahrbahn-Teile kam eine weitere Neuerung zum Einsatz. Kleine abnehmbare Betonelemente dienen quasi als Verblendung für die Gleisstränge; Einbuchtungen in den Fertigteilen lassen Platz für die Schienenköpfe. »Sägezahnlösung« nennt man das. Mit diesen kleinen Betonteilen wird eine durchgehende Befahrbarkeit des Tunnels für Rettungsfahrzeuge erreicht, zudem bieten die kleinen Betonplatten den Vorteil, dass sie bei Instandhaltungsarbeiten an den Schienen leicht herauszunehmen sind. Thomas Ziegler, Projektteamleiter der DB Projekbau, sagte: »Sägezahn gibt’s noch nirgendwo.«
Sonic-Boom-Bauwerke
Tunnelröhren haben den Nachteil, dass sich bei der Einfahrt eine Zuges mit hoher Geschwindigkeit in den Tunnel eine Druckwelle vor dem Zug aufstaut, die quasi durch den Tunnel geschoben wird. Bei dem Austritt der Druckwelle aus dem Tunnel kann es zu einem explosionsartigen Knall kommen, der Fahrgäste im Zug und Anwohner an der Strecke immens stört. Diesen physikalischen Knalleffekt nennt man Sonic Boom.
Beide Portale am Katzenbergtunnel wurden europaweit erstmalig mit Sonic-Boom-Bauwerken ausgerüstet, deren große Öffnungen in den Betonwand-elementen dafür sorgen, dass sich die Druckwellen ausbreiten und nach oben entweichen können. Am Südportal entweicht die Luft in die Nachbarröhre, am Nordportal dank des sogenannten Haubenbauwerks nach oben.
Rettungsplätze
Rettungsplätze für Notdienstfahrzeuge im Unglücksfall sind an den Tunnelein- und -ausgängen gesetzlich vorgeschrieben. Sie müssen 2500 Quadratmeter groß sein. Im Norden des Katzenbergtunnels befindet sich der Rettungsplatz unmittelbar am Portal. Im Süden liegt der Rettungsplatz aufgrund der Geländestruktur rund 450 vom Portal entfernt, weswegen die Feste Fahrbahn hier bis zum Rettungsplatz verlegt wurde. Über die Feste Fahrbahn haben Rettungsfahrzeuge unmittelbar Zugang zum Tunnel. Im Fall eines Unfalls im Tunnel könnten die Zugpassagiere über die Querschläge, die alle 500 Meter angeordnet sind, in die Nachbarröhre fliehen, die gleichzeitig als Zufahrtsweg für die Rettungskräfte dienen würde. Spezielle technische Noteinrichtungen sorgen dann dafür, dass der Strom in den Oberleitungen abgeschaltet wird und die Notbeleuchtung im Tunnel angeht.
Stichwort: Der Tunnel im Überblick
Der Katzenbergtunnel im Überblick:
Länge: 9385 mBergmännische Bauweise: 8984 mAbstand der Röhren: ca. 26 mVerbindungsstollen: 19Tiefster Tunnelpunkt: 250,5 m ü. NNHöchster Tunnelpunkt: 269,4 m ü. NNRöhrendurchmesser: 6,75 mTunnelaushub: 1,8 Mio. m3*Minimale Überdeckung: 25 mMaximale Überdeckung: 110 m
* Masse entspricht ca. 135.000 Lkw-Ladungen = 1350 km Länge = Luftlinie Hamburg – Rom
Quelle: DB Projektbau