Wirtschaft

Koehler macht Bensheim dicht

Sabine Schwendemann
Lesezeit 4 Minuten
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28. Juni 2006
Die in Oberkirch beheimatete Papierfabrik Koehler schließt 2007 die Produktion im hessischen Bensheim. 115 Mitarbeiter stellen dort bisher Büro-Kartonagen her. Betriebsratschef Roland Berghold glaubt daran, dass die Firma doch noch wirtschaftlich geführt werden kann.
Oberkirch/Bensheim. Im April 2007 wird Schluss sein mit einer 135 Jahre alten Tradition. Dann wird die Produktion in der einst von Wilhelm Euler gegründeten Papierfabrik im hessischen Bensheim eingestellt. Das erfuhr die Mittelbadische Presse gestern vom Betriebsratsvorsitzenden Roland Berghold. Euler ist ein Tochterunternehmen der Papierfabrik August Koehler AG mit Sitz in Oberkirch. Schon 1922 haben sich die Familien Koehler und Euler an dem jeweils anderen Unternehmen beteiligt, berichtet Vorstandsmitglied Bruno Schwelling gestern auf Anfrage. Vor sechs Jahren habe die Koehler AG die Mehrheit an der Papierfabrik in Bensheim übernommen. Zwei Jahre zuvor, 1998, hatte Koehler die Dresden Papier GmbH in Greiz gekauft und die Euler Greiz GmbH & Co. KG gegründet – heute eine Tochter der Euler-Fabrik in Bensheim. <b>Kämpferische Haltung</b> Am vergangenen Donnerstag informierte Schwelling die 115 Mitarbeiter über das kommende Aus. Angeblich habe die Fabrik keine Perspektive mehr: Seit Jahren wurden Verluste einfgefahren, die Zukunft sehe ebenfalls »tiefrot« aus. Da die Koehler-Gruppe mit ihren fünf Standorten insgesamt gewinnbringend gearbeitet habe, sei Bensheim lange Zeit mitgetragen worden. »Sehr gedrückt« war nach diesen Bekanntgaben die Stimmung unter der Belegschaft, doch nun schlage das in eine kämpferische Haltung um, berichtet Berghold. Er glaubt daran, dass das Werk doch gewinnbringend geführt werden könne. Heute, Mittwoch, hat er einen Termin mit einem Rechtsanwalt, um sich über die Möglichkeiten beraten zu lassen, sagte er gestern auf Anfrage. Die Marschrichtung ist klar: »Ich konzentriere mich auf den Erhalt«. Schwelling sieht das nicht so optimistisch: Bisher habe er nur Übernahmeangebote von Firmen erhalten, die das Werk auflösen und die Maschinen verkaufen wollen, aber noch keine, die einen Fortbestand Eulers vorsehe. Trotzdem habe er die juristische Beratung des Betriebsrats befürwortet. Schwelling rechnet mit etwa 1,5 bis 1,8 Millionen Euro Kosten für den Sozialplan, der wohl ab August verhandelt wird. Koehler, das 2007 seinen 200. Geburtstag feiert, lässt in Bensheim farbige Kartons für den Bürobedarf – etwa für Register oder Ordnerrücken – produzieren. Auch Nischenprodukte wie Schießscheiben für Schießstände kommen aus Bensheim. Während sich die Firma in Bensheim auf hochwertige Waren konzentriert habe, sei im Tochterunternehmen im thüringischen Greiz Massenware produziert worden. Greiz hat freie Kapazitäten und wird 2007 die Produktion aus Bensheim übernehmen, dafür werden 2,5 Millionen Euro investiert. Niedrigere Löhne und Produktionskosten sprächen zusätzlich für Greiz, erläutert Berghold. 2004 erwirtschaftete Euler in Bensheim zwar 500 000 Euro Gewinn. Der hänge aber mit der Auflösung der Raufasertapeten-Sparte zusammen und stamme nicht aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, erklärt Schwelling. In Greiz war der Gewinn fast doppelt so hoch. Das Sterben in Bensheim dauert offenbar schon einige Zeit an. Aufträge wurden an Greiz abgegeben, der Vertrieb nach Oberkirch verlagert. 2005 wurde eine der drei Papiermaschinen wegen Überkapazitäten abgestellt. Damals wurde das Personal von 145 auf 115 Personen reduziert. Im Geschäftsbericht 2004 hatte Koehler sich das Ziel gesetzt, »mittelfristig den Bereich der Eulerpapiere wieder in die Gewinnzone zu führen und den Fortbestand des Werkes Bensheim zu sichern«. Der 37-jährige Betriebsratschef Berghold gibt sich keinen Illussionen hin, was das Aus für die Beschäftigten bedeutet: »Die wenigsten werden was finden«. Ein Großteil sei über 40 Jahre alt und seit über 20 Jahren bei Euler. In der Umgebung gibt es keine weitere Papierfabrik. Unternehmen in Stockstadt, Mannheim oder Neustadt an der Weinstraße haben zum Teil selbst schon Personal abgebaut. Nur die beiden Lehrlinge werden ihre Ausbildung in Greiz beenden können. <b>Demonstrationszug</b> Um auf die Lage aufmerksam zu machen, ist für den 8. Juli ein Demonstrationszug durch Bensheim geplant, in dem Euler symbolisch zu Grabe getragen werden soll. Der gleiche Trauerzeug soll auch durch Oberkirch ziehen. Dafür vorgesehen ist der 22. Juli – zwei Tage bevor der Koehler-Aufsichtsrat in Oberkirch über das Aus für Bensheim entscheiden wird. Bürgermeister Thorsten Hermann bedauert auf der Internetseite der Gemeinde Bensheim das Ende. Der Verlust des traditionsreichen Unternehmens »wiegt auch für die Stadt sehr schwer«. Allerdings gibt Betriebsratschef Berghold auch zu, dass die 40 000-Einwohner-Stadt wohl eine große städtebauliche Entwicklungschance nutzen könnte: Das 8,5 Hektar große Euler-Firmengelände ist inzwischen von Wohngebieten umgeben.

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