Amerikanische Nacht mit Thomas Hampson einfach »wunderbar«
Mit einer amerikanischen Nacht eröffnete Opernsänger Thomas Hampson am Freitag die Baden-Badener Pfingstfestspiele 2019. Das Publikum im vollbesetzten Festspielhaus hörte ein breites Repertoire von Liedern aus der Zeit der Pilgerväter bis hin zum Glamour des Broadways.
Der im US-Bundesstaat Washington aufgewachsene Thomas Hampson, eine eindrucksvolle Erscheinung, gilt als einer der bedeutendsten Opern-, Konzert- und Liedsänger. »Jede Kultur hat ein Lied«, sagt Thomas Hampson, der über die aktuelle Kulturpolitik in seiner amerikanischen Heimat nicht gerade glücklich ist. Der erste Satz seines Auftaktsliedes spricht jedenfalls Bände: »Yes, the candidate’s a dodger« (»Der Kandidat ist ein Gauner«). Hampsons Programm ist eine Verbeugung vor Ur-Gesteinen der amerikanischen Komposition wie Aaron Copland, Cole Porter, George Gershwin und Leonard Bernstein, die das kulturelle Selbstverständnis der Vereinigten Staaten bis heute maßgeblich geprägt haben.
Die einstigen Lieder und Melodien der europäischen Einwanderer haben Aaron Copland zu vielen seiner Kompositionen inspiriert. Mit einer schönen Mittellage und einem warm-weichen Klang interpretiert Hampson Stücke wie »Long Time ago« und »The Golden Willow Tree« aus Coplands »Old American Songs«. Man merkt es ihm an: Er liebt die Lieder seiner Heimat, degustiert die reizvollen Arrangements des alten Amerikas geradezu.
Der zweite Konzertteil ist der großen Zeit des amerikanischen Musicals gewidmet. Eigentlich nicht ungewöhnlich, wenn man bedenkt, dass Thomas Hampson in der Welt des Musicals und der Operette ebenfalls zuhause ist. Cole Porters »Night and Day« oder »Where is the Life that Late I Led« bekommen den gebührenden Beifall. Mit Nadine Sierra stand Hampson vergangenes Jahr bei einer großen Gala zum 100. Geburtstag von Leonard Bernstein gemeinsam auf der Bühne. Neben »Oh happy we« aus der Operette »Candide« im Duett mit Michael Fabiano, brilliert die Sopranistin in Baden-Baden nicht nur durch ihre sympathische Erscheinung, sondern insbesondere bei »Glitter an Be Gay«. Der mit bemerkenswerter Leichtigkeit vorgetragene Song ruft beim Publikum einen Applaus-Sturm hervor.
Junger Tenor elektrisiert
Die »West Side Story« fehlte beim Pfingstprogramm ebenfalls nicht. Der Song »Maria«, gefühlvoll interpretiert von Tenor Michael Fabiano, elektrisiert die Zuhörer. Der junge Tenor hat mit Fug und Recht dank seiner einmalig vollen Stimme bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten und eine kometenhafte Karriere hinter sich. Neben den Solo-Auftritten glänzen die drei Sänger bei den vergnüglichen »A Quiet Girl« und »It’s Love« aus dem Musical »Wonderful Town«.
Kleiner Wermutstropfen: Gelegentlich müssen die Sänger im Laufe des Abends ihren Text vom Tablet ablesen und während des Vortrags herumtippen – sicher hilfreich, aber etwas unelegant.
Eine großartige Visitenkarte hinterlässt nicht zuletzt das Sinfonieorchester Basel unter der bemerkenswerten Leitung von Sir Ivor Bolton, der seinen ganz eigenen Stil beim Dirigieren hat. Mit großer Freude und ausladenden Armbewegungen schöpft er bei Gershwin »An American in Paris« aus dem Vollen – bravo Maestro! Cole Porters »Wunderbar« aus dem Musical »Kiss Me, Kate« kündigt das Ende des Abends an. Ausgelassen verabschieden sich Orchester und Sänger von einem dankbaren Pfingst-Publikum, das sich bereits auf die Konzerte der nächsten Festtage freut, nicht aber ohne zuvor ein weiteres Mal das »Wunderbar« gemeinsam einzustimmen.