Kehl

Arg über der Schmerzgrenze

Gerd Birsner
Lesezeit 4 Minuten
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16. Mai 2023
Frederic Hormuth führte mit Humor und eigenen kabarettistischen Liedern durch die 9. Offenburger Lachnacht.

Frederic Hormuth führte mit Humor und eigenen kabarettistischen Liedern durch die 9. Offenburger Lachnacht. ©Gerd Birsner   

Gerd Dudenhöffer mimt Heinz Becker in seinem Tournee-Programm „Déjà-Vu 2“, wie man ihn aus dem Fernsehen kennt. Der Aufguss kam nicht bei jedem im Kehler Publikum an.

Er plappert, palavert, jongliert mit Worten, lamentiert, reflektiert, instrumentalisiert, rechnet ab. „Déjà-Vu 2“ nennt Gerd Dudenhöffer sein Tournee-Programm, das er am Donnerstagabend in der Kehler Stadthalle präsentierte, hergelockt vom Förderkreis Kultur Karlsruhe. Déjà vu? Ja – wenigstens vor der Pause. Da mimt der Dudenhöfer den Heinz Becker in fast gewohnter Manier, wie man ihn vom Fernsehen her kennt, wie einst, von 1992 bis 2004 in der Glotze. Aber diesmal auf sich allein gestellt – ohne seine milde Hilde und ohne Puber-Tier Stefan.
Er gibt den spießigen, aber netten Heinz, wie er leibt und lebt. Der statt „Staab Laab“ saugt (und bläst) und mit dem er sich ob des über den Zaun geblasenen Laubes Zoff mit dem rechten Nachbarn einhandelt. Heimlicher Unkrautvertilger an die ungeliebte Brombeerhecke dieses Nachbarn, erwachsene Lausbubereien oder ein Nato-oliv getarntes Nachbarhaus, Werners Doppel-Schwager, also eineiige Zwillinge – „gut“, so Becker, „es gibt au welche, die haben nur eine Niere“ – und die Reibereien mit seiner „vom Hergott mir zugelosten Frau“ – ach, du liieweer Gott!“
Er hat‘s zweifelsohne drauf, setzt Kunstpausen und Schweigen exakt an die Stellen, wo sie hingehören, und er weiß heinzgenau, wann er den Schenkelklopf-Lacher seines Publikums einplanen kann. „Ah, horch emol!“ Becker ist Buchstaben-Verdreher und innovativer Fremdwort-Verbieger: Aus Urinal wird Ural, und die Impfung kurz vor der Hochzeit gegen Wunschstarrkrampf“ ist vonnöten. Das kommt an.

Plattitüden auf hohem Niveau

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Mit viel Blabla nix sagen, um dann mit wenigen Worten den Nerv der Denkweisen seiner Altersgenossen im Saal zu treffen. Komplizierte Sachverhalte in guter Tetzlaff-Manier auf den einfachsten aller Nenner zu bringen, nörgeln, aufmüpfeln, miesmachen. Plattitüden auf hohem Niveau.
Ein Kessel Buntes, ein Aufguß allgemeiner Vorurteile, die schon manchmal arg über der Schmerzgrenze liegen: Die Südländer, die uns im Urlaub den Koffer klauen. „Die Klauerei in dene Länder, das han die im Blut“ lässt er seinen imaginären Kumpel Martin sagen, der grad aus Spanien kommt und dem sie in Mailand uff em Flughafe de Koffer geklaut han. „Das sind dort regelrechte Bande, grad in denne südliche Länder. Kann dir hier auch bassiere, nur bei uns sin des Kriminelle und do unne isch des Folklore.“
Becker setzt noch einen drauf: „Und je südlicher du do in dene Länder gehsch, umso mehr arabisches Blut fließt do – wie die Männer dort mit ihre Fraue umgehn – do kannsch du dir e Scheibe abschneide. Fraue könne net nur in Schuh un Handtasche.…“ „Quotenfrauen? Ja, das hat noch gefehlt“, meckert der Biedermeier-Becker, „geh mol in die arabische Länder. Do is des mit der Frauenquote… – do wird der Ball flachgehalte… und dann sage sie zur nächschte Fraa – die han jo e paar. Loss dir das eine Lehre sin.“
Fehlendes Klopapier und die Alternativen, ab und an sogar Versautes: ein Seifenspender, der die Hose versaut, dumme Selbstmörder, Windräder, die am Klimawandel schuld sein sollen, elektrische E-Autos, Grünenschelte. „Es gibt für alles ein Für und ein Wider“ sagt er, „die eine sind „für“ die Todesstrafe, die annere wolle „wieder“ die Todesstrafe. Noch ein Schenkelklopfer. Hoffnung keimt in ihm, denn 1949 wurden sowohl Todesstrafe als auch Sommerzeit abgeschafft. Ja, und die Sommerzeit ist längst wieder eingeführt – es ist noch nicht aller Tage Anfang.
Becker? Viel heiße Luft. So mancher im Publikum meint, mancher Stammtisch häbe mehr Niveau, spricht da der Heinz Becker oder der Gerd Dudenhöffer? Hat der denn so etwas nötig…? Da wäre hin und wieder ein Kabarett-FI-Schalter vonnöten – wie jener, den Becker ins Bad einbauen ließ, damit seine Hilde den ins Badewasser gefallenen Heiße-Luft-Fön überlebt …

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