Berlin

Boxengirls ade - Wie der Zeitgeist gerade tickt

dpa
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23. März 2018
Weibliche Staffage beim Deutschen Tourenwagen-Masters (DTM) 2016 in Nürnberg.

Weibliche Staffage beim Deutschen Tourenwagen-Masters (DTM) 2016 in Nürnberg. ©dpa - Daniel Karmann

Die «Bild»-Zeitung hat den nackten Busen aus der Zeitung verbannt, zumindest fast. In der Formel 1 verschwinden die sexy angezogenen Mädels neben den Rennwagen. Beim Deutschen Werberat mehren sich die Beschwerden über Sexismus. Kommt da etwas ins Rutschen? Wie tickt der Zeitgeist gerade in Sachen Frauen, Männer, Rollenbilder?

Schon seit sechs Jahren gibt es bei der «Bild» die halbnackte Frau auf der Titelseite nicht mehr. Jetzt geht es einen Schritt weiter. Oben ohne ist jetzt beim «Bild-Girl» passé. «Unser Gefühl in den letzten Monaten war zunehmend, dass viele Frauen diese Bilder als kränkend oder herabwürdigend empfinden, sowohl bei uns in der Redaktion, aber auch unter unseren Leserinnen», erklärt die Zeitung.

Es soll zwar keine Nacktbilder geben, die «Bild» selbst produziert hat. Aber das Blatt will weiter Nacktfotos bringen, «über die das Land spricht». Auch bei anderen Medien tickt die Zeitgeist-Uhr: Die «Cosmopolitan» will keine Altersangaben mehr nennen, weil das Alter nicht so wichtig sei.
Die Werbebranche merkt: Diskriminierung und sexistische Motive werden immer weniger geduldet. Das bekam eine Metzgerei zu spüren, die mit dem Slogan «Lust auf Fleisch?» nach Personal suchte, daneben eine Frau in Dessous, die eine Fleischkeule schulterte. Nach einer Beschwerde wurde die Ausschreibung geändert, wie der Werberat berichtete. Insgesamt bekam die Anlaufstelle 2017 mehr Beschwerden zu Geschlechterdiskriminierung und Sexismus als im Vorjahr.

Das liegt auch am gesellschaftlichen Klima und wird mit der MeToo-Debatte über Macht und sexuellen Missbrauch verstärkt. Die Leute gucken genauer hin, wie Frauen dargestellt werden. «Insgesamt sind die Unternehmen sensibler geworden, was sexistische Werbung angeht», sagt Julia Busse, Geschäftsführerin des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft. «Werbung ist in erster Linie ein Spiegel der Gesellschaft und gibt Impulse. Es ist aber nicht ihre Aufgabe, den gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben.»

Das bedeutet auch: Wenn in der Wirklichkeit tatsächlich meist die Frauen den Haushalt schmeißen und die Männer den Rasen mähen, warum soll das im Werbeblock anders sein? Es ist ähnlich wie beim heute ziemlich verpönten Rauchen. Bei Werten und Rollenbildern wandelt sich die Gesellschaft ganz allmählich: Männer haben in der Werbung auch schon über Windeln geredet. Konservative betrauern den Verlust des Machos und ein Ende der Erotik. Keine echten Kerle und sexy Frauen mehr?

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Stevie Schmiedel von der Protestkampagne Pinkstinks, die sich gegen Sexismus und starre Rollenbilder richtet, kennt diese Argumente. Es geht für sie nicht darum, Erotik oder Schlüpfrigkeiten zu verbieten. «Wir wollen nicht zensorisch sein», sagt sie. Eine Frau in Unterwäsche ist demnach als Motiv okay, wenn sie für Dessous wirbt. Nicht okay: wenn sie halbnackt für einen Sessel posiert.

Wenn ein Saft-Hersteller mit dem Wortspiel «Samenstau» Reklame macht, dann muss eine Gesellschaft das aushalten, findet Schmiedel. Der Preis «Pink Pudel» würdigt Vielfalt in der Werbung. «Der Trend ist gerade, progressive Werbung zu stärken und weniger von Verboten zu sprechen.»
Altherrenwitze und Sexismus: In den Motiven der kleinen und mittelständischen Firmen ist das laut Schmiedel immer noch verbreitet, wie sie an den Beschwerden sieht. «Wir sitzen hier wirklich mit offener Kinnlade.» Aber seit der MeToo-Debatte hätten die Unternehmen verstärkt begonnen, über Sexismus zu reden.

Was die Kinderzimmer angeht, so bleibt Deutschland streng in Rosa und Hellblau geteilt, in getrennte Produkte für Mädchen und Jungen. «Es verkauft sich einfach zu gut.» Interessant sei, zu sehen, wie unterschiedlich die Bilder auf den Produkten seien, vom Shampoo bis zum Puzzle, so Schmiedel. Die Jungen seien in Action zu sehen, in einer «Ich mach' mein Ding»-Pose. Die Mädchen hingegen schauten immer in die Kamera, nach dem Motto: «Bin ich schön?»

Rollenbilder, die Ungerechtigkeit bei der Bezahlung von Frauen («Paygap»), Sprache: Darüber wird gerade viel geredet. In Sachen weibliche Anrede kassierte eine Klägerin gerade vor dem Bundesgerichtshof einen Dämpfer: «Kunde», «Kontoinhaber», «Sparer» - wenn's ums Geld geht, bleibt die Formularwelt männlich. Einen Anspruch auf weibliche Formen gibt es laut Justiz nicht. Das sei schließlich schon seit 2000 Jahren so, dass die männliche Form für beide Geschlechter gelte.

Was den Striptease in der Zeitschrift angeht: Der US-«Playboy» hatte unter großem Getöse den Abschied von den nackten Frauen angekündigt. Nach einem Jahr der Enthaltsamkeit kam 2017 die Kehrtwende. Die zwischenzeitliche Abkehr vom Kerngeschäft sei ein Fehler. Der «Playboy» titelte: «Nacktsein ist normal.» Aber der Zusatz «Unterhaltung für Männer» verschwand von der Titelseite. Der Gründersohn Cooper Hefner sagte dazu: «Geschlechterrollen entwickeln sich in der Gesellschaft immer weiter, und das tun wir auch.»

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