Zum Tod des Barsängers Freddy Cole

Der gechillteste Mann im Showbiz

Thomas Klingenmaier
Lesezeit 4 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
30. Juni 2020
Der Jazz- und Barsänger Freddy Cole – hier auf dem Cover seines Albums„Talk to me“ aus dem Jahr 2011

Der Jazz- und Barsänger Freddy Cole – hier auf dem Cover seines Albums„Talk to me“ aus dem Jahr 2011 ©Foto: High Note

Aufgeregtheit war seine Sache nicht: Der Sänger und Pianist Freddy Cole unterschied sich von hektischeren Kollegen wie ein guter Whiskey von Flugbenzin. Im Alter von 88 Jahren ist er nun gestorben. Wir laden noch mal ein, seine Musik kennenzulernen.

Stuttgart - Die unbeugsamen Gallier aus dem kleinen Dorf von Asterix und Obelix haben bekanntlich vor gar nichts Angst. Nur ihren weitblickenden Häuptling Majestix plagt eine Restsorge: dass ihnen eines Tages der Himmel auf den Kopf fallen könnte. In diesem Fall könnten wohl auch die Zaubertränke von Miraculix nicht zur Erstarkung der Gemüter beitragen, geschweige denn die Gesänge des mit einer Kreissägenstimme gesegneten Dorfbarden Troubadix. Allerdings gab es in der Musikwelt einen Mann, dem man zugetraut hätte, seine Zuhörer auch noch beim Zusammenbruch des Firmaments gelassen zu stimmen: den Barsänger Freddy Cole, den gechilltesten Mann im US-Showbusiness.

Lionel Frederick Cole, der nun am 27. Juni 2020 im Alter von 88 Jahren gestorben ist, nutzte das übliche Repertoire seiner Zunft:Lider über lachendes Glück und chronischen Herzschmerz, nagende Reue und selige Erinnerungen, greifbare Hoffnungen und luftige Tagträume, gedeckte Gefühlserkundungen für ein erwachsenes Publikum, teils Klassiker der Broadwaygeschichte, teils selbst geschrieben. Aber neben Cole klangen auch ruhigere Kollegen wie Hysteriker, sentimentale Kerle wie Eiswürfelmaschinen und auch verschmitzte Sänger wie in Humorlosigkeit erstarrt.

Cole war der Meister des warmherzigen, humordurchtränkten, nie übereifrigen und doch keine Sekunde bloß geschäftsmäßigen Liebeslieds. Sein ebenfalls täuschend entspanntes Klavierspiel war die ideale Begleitung für seine Gesangstechnik: Jede Note, die nicht unbedingt gebraucht wurde, flog hier aus, aber keine Phrase klang nach Abkürzung zum Feierabend. Ein steter Swing brachte noch die melancholischsten Lieder voran: „Das Leben geht weiter“ kommentierte das Instrument jede Wendung des Textes.

- Anzeige -

Aus einer musikalischen Familie zu kommen, kann manchmal ein Fluch sein. Freddy Cole war der Bruder von Nat King Cole, Klaviergang, Jazzlegende, Starsänger, einer der wichtigsten Pioniere des Durchmarschs afroamerikanischer Künstler aus den Kneipen der Gettos ins Zentrum der Unterhaltungsindustrie. In Nat King Coles Schatten wurde Freddy zunächst kaum wahrgenommen. Aber auch nach Nats Tod 1965 waren die Ohren von Kritikern und Plattenbossen eher taub für die Qualitäten des 12 Jahre jüngeren Bruders. Alle hörten nur, dass dieser Cole ziemlich so klang wie sein Bruder – nur stimmlich vermeintlich schwerfälliger als das Genie, mit einem Klavierspiel, das nicht so anspringend virtuos war.

Man kann sich einen Mann in den Schuhen von Freddy Cole leicht als verbitterten Typen vorstellen. Aber Cole war wohl so heiter lebensklug wie er klang, begleitete Kollegen, zog sein Ding durch. Und dann kam, nach 12-jähriger Pause und schon ziemlich spät in einer Karriere, 1990 seine dritte Platte, die dann doch noch die Wende bringen sollte, vielleicht wegen ihres originelle, Gerade-heraus-Titels, der alle Vorurteile ansprach: „I’m not my Brother, I’m me“.

Von nun an wurde Freddy Cole viel breiter wahrgenommen, auch als lebende Brücke zu einer anderen Epoche der Musik. Sein Sound war kein cleverer Retro-Mix, sondern authentisch gewachsener Stil, kein Zitat, sondern der wahre Jakob. Ab und an gab es nun eine Grammy-Nominierung, sogar ein Dokumentarfilm wurde über ihn gedreht, aber zum Glück gab es keinen Freddy-Cole-Hype. Ja, man kann das nicht immer hören und wohl auch keine 5 CDs hintereinander. Cole strebte nicht nach Variantenreichtum, Themenbreite, Überraschungsattacken, sondern nach dem idealen Ausdruck einer mittleren Tonlage. Aber wenn einem mal wieder der Himmel auf den Kopf fällt, dann kann eine halbe Stunde Freddy Cole einen prächtigen Schirm bilden.

Weitere Artikel aus der Kategorie: Kultur

José F. A. Oliver
vor 17 Stunden
Kulturkolumne
Einst las ich den Satz, die Zeit sei eine blinde Führerin. Übersetzt hieß das für mich nichts anderes, als dass wir diejenigen sein sollten, die diese an die Hand nehmen müssten. In einer Welt, die groß ist und klein zugleich: Die Welt ist groß. Die Welt ist klein ...
Berühmten Kollegen setzte Anna Haifisch ein Denkmal. So zeigt sie in einer Zeichnung den Karikaturisten Saul Steinberg (1914–1999) beim Kampf gegen eine Schaffenskrise.
26.03.2024
Ausstellung in Straßburg
Noch bis zum 7. April sind im Straßburger Musée Tomi Ungerer Werke der deutschen Zeichnerin Anna Haifisch zu sehen. Sie stellt Menschen gerne oft als Tiere dar und karikiert Kollegen.
Gäste im "Grand Hotel Grimm" mit unlauteren Absichten: ein Zwerg mit langem Bart, ein unscheinbarer Handlungsreisender und eine elegante junge Dame mit dem Namen Rotkäppchen.
26.03.2024
Puppenparade Ortenau
Die „Berliner Stadtmusikanten“ des Theaters Zitadelle sind in die Jahre gekommen. Mit „Grand Hotel Grimm“ boten sie bei der Puppenparade in Lahr dennoch eine erfrischende Vorstellung.
Im Mittelpunkt der Tragödie: die Schwestern Chrysothemis (Elza van den Heever, links) und Elektra ­(Nina Stemme).
26.03.2024
Festspielhaus Baden-Baden
Das archaische Thema der Oper „Elektra“ ließ das Publikum bei der Eröffnung der Osterfestspiele Baden-Baden frösteln. Umjubelt wurden Sängerin Nina Stemme und Dirigent Kirill Petrenko.
Dietrich Mack. 
26.03.2024
Kulturkolumne
„Hoffnungsglück“ hat Goethe die Aufbruchstimmung genannt, die der Frühling verbreitet..Dieses Gefühl genießt auch der Kolumnist, der verrät, warum für ihn Bach nicht nur der fünfte, sondern auch der beste Evangelist ist.
Sechshändig am Klavier: die Schwestern Alisa und Lia Benner aus Lahr und Ennco Sinner aus Kippenheim.
19.03.2024
"Jugend musiziert"
Eine Auswahl der Besten beim Landeswettbewerb in Offenburg stellte sich in der Offenburger Reithalle vor, oft begleitet von Vater, Mutter oder Geschwistern.
Harte Szene im Gemüsekrimi: Dietmar Bertram hobelt eine Gurke, um sie zum Reden zu bringen.
17.03.2024
Lahr
Ein Detektiv spielt mit Essen: Dietmar Bertram präsentierte „Hollyfood – Die Gemüsekrimis“ bei der Puppenparade Ortenau im Lahrer Schlachthof.
Am Abgrund: In "A long way down" wird über ein ernstes Thema gealbert. 
17.03.2024
Offenburg
Mit britischem Humor thematisiert die Tragikomödie „A long way down“ die Selbstmordgedanken gescheiterter Existenzen. Für die Aufführung in der Oberrheinhalle gab es viel Beifall.
Von Gier befeuert: Carsten Klemm (rechts) als Kunstfälscher Fritz Knobel und Luc Feit (links) als Skandalreporter Hermann Willié. 
17.03.2024
Lahr
Den Skandal um die angeblichen Hitlertagebücher des Kunstfälschers Kujau brachte die Landesbühne Esslingen mit „Schtonck“ auf die Bühne.
Arbeiten aus mehr als drei Jahrzehnten zeigt Karl Vollmer im Artforum.
17.03.2024
Offenburg
Karl Vollmer reflektiert das Zeitgeschehen und bezieht Position. Zwei Werke seiner Ausstellung „Wider Erwarten – Ortung“ beim Kunstverein Ortenau hat er Alexej Nawalny gewidmet.
Das Trio Van Beethoven erhielt frenetischen Schlussbeifall.
13.03.2024
Achern
Das Trio Van Beethoven eroberte am Sonntag mit Werken von drei weitgehend unbekannten Komponisten das Publikum in der Alten Kirche Fautenbach.
Mit ein bisschen Absurdität und jeder Menge Witz ließ das Theater Handgemenge seinen König auf Reisen gehen.
13.03.2024
Kehl
Das Schattenspiel um Herrn König bescherte dem Kehler Publikum einen großartigen Puppenparade-Abend

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • HYDRO liefert etwa Dreibockheber für die Flugzeugwartung. 
    26.03.2024
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl fustionieren
    HYDRO Systems KG und Rhinestahl schließen sich zusammen. Mit diesem Schritt befinden sich die Kompetenzen in den Bereichen Ground Support Equipment (GSE) und Aircraft- & Engine Tooling unter einem Dach.
  • Alle Beauty-Dienstleistungen bietet die Kosmetik Lounge in Offenburg unter einem Dach.
    26.03.2024
    Kosmetik Lounge Offenburg: Da steckt alles unter einem Dach
    Mit einer pfiffigen Geschäftsidee lässt Elena Plett in Offenburg aufhorchen. Die staatlich geprüfte Kosmetikerin denkt "outside the box" und hat in ihrer Kosmetik Lounge ein außergewöhnliches Geschäftsmodell gestartet.
  • Konfetti, Flitter und Feuerwerk beschließen die große Preisverleihung im Forum-Kino in Offenburg. Die SHORTS feiern 2024 ihr 25. Jubiläum. 
    26.03.2024
    25 Jahre SHORTS – 25 Jahre Bühne für künftige Filmemacher
    Vom kleinen Screening in 25 Jahren zum gewachsenen Filmfestival: Die SHORTS der Hochschule Offenburg feiern Jubiläum. Von 9. bis 12. April dreht sich im Forum-Kino Offenburg alles um die Werke junger Filmemacher. Am 13. April wird das Jubiläum im "Kesselhaus" gefeiert.
  • Das LIBERTY-Team startet am Mittwoch, 27. März, in die Afterwork-Party-Saison. 2024 finden die Veranstaltungen in Kooperation mit reiff medien statt. 
    22.03.2024
    Businessaustausch jetzt in Kooperation mit reiff medien
    Das Offenburger LIBERTY startet mit Power in die Eventsaison: Am Mittwoch, 27. März, steigt die erste XXL-Afterwork-Party mit einem neuen Kooperationspartner. Das LIBERTY lädt zusammen mit reiff medien zum zwanglosen Feierabend-Businessaustausch ein.