Digital - und nah dabei

(Bild 1/3) „HausFestSpiel“ im Festspielhaus: Das Vision String Quartett – auf der Bühne des Festspielhauses vor leeren Rängen – real und online, ... ©Andrea Kremper
Das Festspielhaus Baden-Baden meldete sich erfolgreich mit einem „Haus-Festspiel“ zurück.
Geboten wurden hochkarätige Konzerte an vier Abenden auf der Bühne des Opernhauses.
Endlich! Endlich gab das Festspielhaus Baden-Baden ein Lebenszeichen von sich, veranstaltete als Livestream vom 16. bis 20. Februar unter dem spielerischen Titel „HausFestSpiel“ fünf kleine, feine Konzerte, begleitet von einem hübsch gestalteten Programmheft, in dem nicht mal ein Rezept von Harald Wohlfahrt und Andreas Hack fehlte: Parmesanchips mit Guacamole als Snack zum Streaming. Den brauchte man allerdings gleich, denn der Anfang rumpelte technisch. Man schaute geduldig auf den angegebenen Link vimeo und las nur: Event hat noch nicht begonnen. Als man nach einer halben Stunde und hektischen Telefonaten auf die Internetseite des Festspielhauses wechselte, funktionierten, o Wunder, Bild und Ton vorzüglich.
Magisch ausgeleuchtet
Im leeren, magisch ausgeleuchteten Haus saßen auf der Bühne drei Menschen (der Intendant Benedikt Stampa, der Vorsitzende der Kulturstiftung Ernst-Moritz Lipp und die Moderatorin Jasmin Bachmann, die jeden Abend ihren Job mit Charme und unaufdringlicher Klugheit vorzüglich machte) und sprachen über das Elend der Situation, über Hoffnungen und Wünsche. Immerhin verteufelten sie nicht die Möglichkeiten der digitalen Welt, sahen sie als Ergänzung zur analogen, ohne die es aber künstlerisch wie finanziell kein Überleben gäbe.
Zu ihnen gesellte sich der Geiger Christian Tetzlaff, der die berühmte Chaconne in d-Moll von Johann Sebastian Bach spielte. Kaum ein anderes Stück passte besser zur Situation der Isolation und Trauer. Tetzlaff, von der Kamera dicht ins Bild gesetzt, spielte kraftvoll, bewegt und bewegend gegen die Trauer an, als ob die Geige sänge: Corona, wo ist dein Stachel? Virus, wo ist dein Sieg? Ein grandioses Mutmacher-Stück.
Eingespielt wurde als Gruß aus der Ferne ein Orchesterstück von Claude Debussy mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra unter Lahav Shane.
Die „Dichterliebe“
Am zweiten Abend spielten Tetzlaff und die junge Pianistin Kiveli Dörken die populäre Sonate A-Dur von César Franck, ruhig der Anfang, furios das Ende, das beiden Musikern keinerlei Schwierigkeiten machte. Als digitaler Zuschauer war man dicht dabei, saß sozusagen auf den Tasten und dem Bogen. Auch der Tenor Julian Prégardien ist ein überaus ernsthafter, kluger Künstler, der die Situation nachdenklich reflektiert. Er sang am dritten Abend, begleitet von Eric Le Sage, die „Dichterliebe“ von Robert Schumann. Er gestaltet diese 16 Lieder zwar nicht mit großer Wärme, eher spröde, dafür aber sehr differenziert. Berührend „Ich hab‘ im Traum geweinet“ und „Allnächtlich im Traume“.
Am vierten Abend bewies das Vision String Quartett sein Können mit den Ecksätzen des Streichquartetts von Maurice Ravel und überraschte mit Crossover-Eigenkompositionen. Da werden schon mal Streich- zu Schlaginstrumenten. Besonders effektvoll, auch lichttechnisch, war die Zugabe „Hailstones“ – Hagelkörner. Da flogen die Fetzen. Zum Finale dann ein wirklicher Star: Olga Peretyatko.
In Petersburg geboren, in Berlin ausgebildet, seit vielen Jahren in großen Rollen bewundert, geliebt, auch im Festspielhaus, sang sie, begleitet von dem Pianisten Matthias Samuil, weiche, schmiegsame Lieder von Peter Tschaikowski wie „Der Kuckuck“ oder das Wiegenlied der Maria aus der Oper „Mazeppa“. Mit dieser Rolle soll sie, so hofft man, Ostern zurückkehren.
Durchschnittlich 1000 Zuhörer
Die Berliner Philharmoniker betreiben Streaming seit vielen Jahren. Seit einem Jahr „machen es alle“, besonders opulent die Wiener Staatsoper. Das Publikum ist riesig. Da kann das Festspielhaus natürlich nicht mithalten. Es war Kammermusik, die Werbung war bescheiden, es war ein Anfang.
So saßen im Durchschnitt nur 1000 Menschen auf der berühmten Couch. Aber sie konnten sich freuen an vorzüglichen Künstlern, die spiel- und wortgewandt waren, und eine sympathische Moderatorin, die Musik, Gespräch und live gestellte Fragen der Zuschauer klug verband.
Am Ende fehlte nur der Hinweis auf das nächste „HausFestSpiel“. Bald, sehr bald, hoffentlich.
Dann werde ich zum Snack ein Glas Champagner trinken.