Berlin

Echo unter Druck: Preisträger gehen auf Distanz

dpa
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17. April 2018
Pianist Igor Levit 2014 bei der Verleihung des Musikpreises «Echo Klassik».

Pianist Igor Levit 2014 bei der Verleihung des Musikpreises «Echo Klassik». ©dpa - Ursula Düren

Die Kritik am Musikpreis Echo reißt nicht ab. Im Zuge der Antisemitismus-Schlagzeilen trennen sich auch der Pianist Igor Levit und der Dirigent Enoch zu Guttenberg von ihren Trophäen.

Der Präsident des Deutschen Kulturrats, Christian Höppner, zieht sich aus dem Echo-Beirat zurück. Das Gremium hatte sich gegen den Ausschluss eines umstrittenen Rap-Albums entschieden. Dies sei ein «Fehler» gewesen, so Höppner in einer Mitteilung vom Dienstag. Am vergangenen Donnerstag waren die Rapper Kollegah und Farid Bang für ihr Album «Jung, Brutal, Gutaussehend 3» ausgezeichnet worden. Es enthält Textzeilen wie «Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen» und «Mache wieder mal 'nen Holocaust, komm' an mit dem Molotow». Dass diese Musik beim Echo preiswürdig ist, hatte heftige Kritik und eine Debatte um Antisemitismus ausgelöst.

Die Vergabe an die beiden Rapper sei für ihn «ein vollkommen verantwortungsloser, unfassbarer Fehltritt der Echo-Jury und gleichzeitig auch Ausdruck für den derzeitigen Zustand unserer Gesellschaft», schrieb Levit auf Twitter. «Antisemitischen Parolen eine solche Plattform und Auszeichnungen zu geben, ist unerträglich.» Levit hatte 2014 einen Echo Klassik erhalten.

«Nachdem solch ein Preis nun im Jahr 2018 auch Verfassern von widerwärtigen antisemitischen Schmähtexten verliehen und noch dazu vom Ethikrat" Ihres Verbandes bedenkenlos freigegeben wurde, würden wir es als Schande empfinden, weiterhin diesen Preis in unseren Händen zu halten», schrieben Guttenberg und Andreas Reiner vom Orchester Klangverwaltung an die Veranstalter. Guttenberg und das Orchester hatten 2008 einen Echo Klassik bekommen.

Zuvor hatte bereits der Musiker und Grafiker Klaus Voormann den erst vor wenigen Tagen überreichten Echo für sein Lebenswerk zurückgegeben. Auch das Notos Quartett aus Berlin erklärte, seinen Echo Klassik vom vergangenen Herbst zurückzugeben. Der Sänger Peter Maffay forderte die Verantwortlichen zum Rücktritt auf. Auch andere Musiker und Kulturschaffende machten ihrem Unmut Luft. Der Bundesverband Musikindustrie kündigte angesichts der Proteste an, das Konzept des Preises zu überarbeiten.

Der Echo ist der wichtigste deutsche Musikpreis, eine Art deutscher Grammy. Er wird nach Verkaufszahlen und Juryempfehlung vergeben. In strittigen Fällen wird ein Beirat angerufen. Im Fall des Rap-Albums hieß es vor der Verleihung, die künstlerische Freiheit sei in dem Text «nicht so wesentlich übertreten», dass ein Ausschluss gerechtfertigt wäre.

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Der Sprecher des Beirats verteidigte die Entscheidung. «Grenzüberschreitungen sind nicht akzeptabel, aber sie sind ein Teil der Musikkultur», sagte der CDU-Politiker Wolfgang Börnsen der Deutschen Presse-Agentur. Der Beirat habe die Entscheidung gemeinsam getroffen, sagte Börnsen. Das Gremium habe die Texte der Rapper für unvertretbar und unwürdig gehalten.

Zugleich unterstrich Börnsen: «Uns mangelt es an Eigenverantwortung der Künstler.» Er will die Diskussion nach vorne lenken. Man müsse daraus lernen. «Es braucht ein neues Wertesystem.» Es gehe auch um Themen wie Hass, Frauenfeindlichkeit und Sympathien für Terrorismus.
«Imponierend» habe er den Echo-Auftritt von Campino gefunden, so Börnsen. Der Frontmann der Toten Hosen hatte während der Show erklärt, wenn es um frauenverachtende, homophobe, rechtsextreme und antisemitische Beleidigungen gehe, sei für ihn die Grenze überschritten.

Der SPD-Bundespolitiker Martin Rabanus sagte laut «t-online.de», die Veranstalter des Echos hätten versagt. «Der Echo muss insgesamt neu aufgesetzt werden. Offensichtlich sind die Kriterien dieser Preisverleihung nicht geeignet, um antisemitische, fremdenfeindliche und menschenverachtende Werke auszuschließen.» In der Jugendkultur sei offensichtlich rechtsextremes Gedankengut salonfähig geworden.

Der Grünen-Bundespolitiker Erhard Grundl sagte laut «t-online.de», dass sich die Politik bei der Regulierung von Musik «zurückhalten» solle. «Antisemitismus wie bei Kollegah muss man nicht noch durch einen Preis unterstützen - ganz klar», so Grundl. «Aber ich rate zur Zurückhaltung. Es ist ein sensibles Spannungsfeld zwischen Kunstfreiheit und Jugendschutz.» Der Echo sei eine Selbstbeweihräucherung der Musikindustrie und ein Kommerzpreis. «Das Selbstverständnis der Musikbranche ist, dass das gut ist, was sich gut verkauft. Das muss sich ändern.»

Echo-Mitentwickler Thomas M. Stein sagte dem Portal, beim Rap dürfe man nicht alles auf die Goldwaage legen. «Ich bin nicht der Meinung, dass Farid Bang und Kollegah prädestinierte Antisemiten sind. Ich glaube, dass hier jetzt viel hineininterpretiert wird, was vorher gar nicht geplant war. Aber jetzt haben sie es nun einmal gesungen, jetzt wird es so interpretiert und jetzt müssen sie damit fertig werden.»

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