Ein Hoch auf die Revolution
Noch immer mit der Versform der Dichtkunst und des Poetry Slam kokettierend, präsentiert Michael Feindler, der Feingeist des politischen Kabaretts, auch das aktuelle Programm mit dem Titel „Durchbruch“. Er setzt nach wie vor auf die Gedankenspiele eines mit messerscharfer Logik agierenden Analysten, der These und Gegenthese ausformuliert, den Mechanismus aufzeigt, der den Konflikt weg von der sachlichen Diskussion zum emotionalen Schlagabtausch führt.
Bei einer Hochzeitsfeier, wo Individuen unterschiedlichster Couleur aufeinanderprallen, geht das mehr oder weniger glimpflich aus. Der eine oder andere fällt aus der Rolle, andere ziehen sich zurück. Auf der internationalen Bühne droht schnell ein Krieg, der immer persönlicher und exzessiver wird, je länger er dauert.
Michael Feundler, der mit dem Publikum verhalten einsteigt, erst einmal die jeweiligen Erwartungen an den Abend abfragt, ein erstes Beispiel für unterschiedliche Wahrnehmungen und Standpunkte in den Raum stellt, eskaliert in Versform, kühlt zwischendurch die Gemüter mit Liedern und Balladen im Geiste eines Georg Kreislers etwas herunter, bleibt dabei aber am Ball.
Er preist „Leopard II“ als die ultimative Familienkutsche an, als schlagkräftiges Argument im Berufsverkehr und beim Sonntagsausflug. Er bewirbt die Bundesbahn, den öffentlichen Personennahverkehr und die U-Bahn, als eines der letzten gesellschaftlichen Refugien, wo Klassenunterschiede und politische Ansichten keine Rolle spielen. Im Zweifelsfall kommen immer alle zu spät oder gar nicht erst ans Ziel.
Keine schnelle Pointe
Eindrücklich packt Feindler vor der Pause das Thema Gewalt und Gegengewalt an. Über die Revolution zur Unabhängigkeit Haitis und der Abschaffung der Sklaverei, die dazu führte, dass das Land ausgerechnet an Frankreich, das Mutterland aller Revolutionen Reparationszahlungen leisten musste, landet er beim Konflikt in der Ukraine, der Gewaltspirale und der immer stärkeren Identifikation auf persönlicher Ebene bei zunehmender Kriegsdauer.
Feindler, der Politikwissenschaft, Philosophie und Publizistik studiert hat, hetzt weder dem Kalauer noch der schnellen Pointe hinterher. Das Publikum soll mehr Fragen als Antworten mit nach Hause nehmen, zwischen den Zeilen aber Strukturen, Zusammenhänge und Widersprüche erkennen. Es wird unterhalten, mit herrlich herausgearbeiteten Spitzen zum Lachen animiert, aber immer auch auf das dünne Eis der politischen Wahrheiten, der gesellschaftlichen Konfliktfelder gelockt.
Alles hängt mit allem zusammen, die Welt ist ein Tollhaus, das nach politischen und gesellschaftlichen Visionen schreit. Feindlers Bestandsaufnahme ist treffsicher und manchmal auch bitterböse. Sein Plädoyer für Gendergerechtigkeit führt als Giftpfeil über die Frauenrechtsbewegung direkt ins Herz der katholischen Kirche. Im dazugehörigen Lied stiftet er zur Priesterverbrennung im Vatikan an. Der Abend endet mit einem Freiheitslied, einem Hoch auf die Revolution, die bei Feindler in den eigenen vier Wänden beginnt.